Verkotet
Wer mit einer schmutzigen Linse den Raum betritt, hat eine schmutzige Sicht. – Bereits in der ersten Stunde des Journalismus lernt man, dass man die Linse putzen soll, ehe man filmt, zoomt oder sonst etwas Informatives macht.In den jüngsten Tagen wird in Österreichs Medien ständig die Schmutzlinse aufgesetzt, weil die unausgesprochenen Themen lauten: Kind im Dreck, Wohlfahrt in der Warteschlange, Eltern im Dreck.
Jeden Tag gibt es mittlerweile aus jedem Bezirk Berichte über Wohnungen, die verkotet sind. Haha, als ob das nicht immer schon so gewesen sei.
Natürlich läuft in den Berichten stets ein sozial geschichteter Knigge ab. In der Oberschicht bläst er durch die Nase aus, was sauber ist und was nicht. In der Knigge-Mitte sind hygienische Parameter festlegt, wann selbst das bloße Wohnen in dieser Gesellschaft gefährlich ist. Und unten gibt es den erwarteten bloßen Dreck, der sich tatsächlich in Wohnungen vorfindet und so ins Österreichbild findet.
In Sendungen über verkotete Wohnungen spielen immer Kinder eine Rolle, welche von Psychologen gerettet und in Wohlgefallen aufgefangen werden.
So nebenbei fallen dann Wörter wie Kot, Hunde, Katzen, unhygienisch.
Da zwei Hauptgruppen von Kotliebhabern, nämlich Eltern und Tierlhalter bedient werden müssen, löst man in der öffentlichen Darstellung das Problem psychologisch: - Wenn etwas stinkt, hole einen Psychologen, aber nie einen Tierarzt.
Tiere in der Wohnung mit Kindern? Das ist weder Schändung noch Schande, ein Feld jenseits von Tierärzten und Psychologen.
Achtung Wohnungsbenützer, Kinds- oder Tiereltern: Euer Medienschicksal ist von der Postleitzahl abhängig. Wenn aus eurem Bezirk noch kein Kot-Bericht dran war, kann es leicht sein, dass sie in zwei Stunden bei euch läuten und euren Kot filmen, ob ihr einen habt oder nicht.