Klaus Paier accordion, bandoneon
Das Akkordeon verkörpert seit dem vorletzten Jahrhundert menschliche Unabhängigkeit und kulturelle Identität in der Musik zugleich, so daß ihm in der Volks- und Tanzmusik weltweit eine überragende Rolle zukam. Heute wird es von der Folklore bis zur Avantgarde gleichermaßen genutzt und gehört zu den emanzipierten Stimmen im mannigfaltigen Chor der Instrumente.
Klaus Paier begann mit acht Jahren das Akkordeon ganz vorsichtig zu erforschen. „Der Klang des Instrumentes und die Transparenz des Spielens hatte für mich immer Priorität. Dies ist aber nur mit einer sehr spezifischen Koordination des Balges und eigens darauf
abgestimmten Arrangements zu erreichen. Nur so war es für mich möglich, das Instrument von seiner typischen Unschärfe in der Phrasierung und der Dichte des Klanges zu befreien“, beschreibt Klaus Paier seine Spielweise. Am Konservatorium in Klagenfurt studierte er Akkordeon, Jazz und Komposition, experimentierte während dieser Zeit unablässig in verschiedensten Stilbereichen (Klassik, Jazz, zeitgenössische Musik) und begann ab 1993 konsequent eigene Projekte zu realisieren. Auf die Frage, welche Musikform ihn am stärksten beeinflußt hat, antwortet Klaus Paier: „Im Jazz und Tango habe ich die Freiheit gefunden, meine eigene musikalische Sprache zu entwickeln“. Speziell Instrumentalisten wie Keith Jarrett, Bill Evans, Charles Mingus oder
Thelonious Monk haben Paier inspiriert. Deren Auffassung von Jazz, mit seinen vielfältigen musikalischen Möglichkeiten und Freiheiten, war für ihn von unschätzbarer Bedeutung. Auf der weiteren Suche nach einer sehr individuellen Ausdrucksform auf dem Akkordeon kam Klaus Paier später zu Dino Saluzzi, über ihn zum Tango Nuevo eines Astor Piazzolla und von dort zum Bandoneon, das er heute immer häufiger benutzt. Den Tango an sich betrachtet Paier eher als Stilelement. Er nutzt ihn als eine Art Projektionsfläche für seinen musikalischen Erfindungsreichtum. Doch auch die historisch gewachsenen europäischen Klangmöglichkeiten des Akkordeons fanden Eingang in sein Spiel und in eigene Kompositionen: Le voyage à Paris, Musette Waltz (Frankreich), Tarantella (Italien), Bulgarian Dance (Balkan), sind nur einige Beispiele für Paiers integrative kompositorische Vielseitigkeit auf diesem Gebiet. Durch die Zusammenarbeit mit einem Streichquartett und angeregt durch die intensive Beschäftigung mit Bela Bartok, Claude Debussy und Erik Satie hat die klassische Komponente in Paiers musikalischer Auseinandersetzung einen wichtigen Platz
eingenommen (Kompositionen wie Chambre trois, Tres Sentimientos). Experimentelle und zeitgenössische Elemente verarbeitet der Akkordeonist überwiegend im Duo mit dem Saxophonisten Gerald Preinfalk.
Egal in welcher Form sich Paier musikalisch äußert, charakteristisch für sein Spiel insgesamt ist neben der Vielfalt seiner stilistischen Möglichkeiten die Entschlossenheit und Intensität, mit der er sich in seinen verschiedenen Projekten vorstellt. Dabei löst er sich nachdrücklich von allen instrumentalen Erwartungen, befreit sozusagen das Akkordeon von seiner historischen Last und dringt mit ihm in vollkommen neue musikalische Bereiche vor. Er selbst möchte eine positiv besetzte Polarität in der Musik zum Ausdruck bringen: Anziehendes und Abweisendes, Leichtes und Schweres, Lautes und Leises, Offenes und in sich Geschlossenes, streng Diszipliniertes und leidenschaftlich Explosives. Das gelingt ihm auf unnachahmliche Weise immer wieder und begeisterte auf Konzertreisen in Israel, Frankreich, Italien, Schweden, Polen und vielen anderen europäischen Ländern sein Publikum. Ob solistisch, mit seinem Duo-Partner Gerald Preinfalk, im Trio mit Stefan Gfrerrer und Roman Werni oder dem „radio string quartet“ – Klaus Paier gehört zu den großen europäischen Akkordeonisten von Weltruf.
Jörg Konrad (freier Musikjournalist, Deutschland)