treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

KARL RATZER

Es gibt nicht viele österreichische Musiker, die von sich behaupten können, einen auch international hervorragenden Ruf zu genießen. Der Jazzgitarrist Karl Ratzer ist einer davon. Egal ob in Amerika oder hierzulande, überall wird der Wiener wegen seines außergewöhnlichen Gitarrenspiel geschätzt. 
Ratzers Karriere begann im zarten Alter von 15. Jahren. Als Mitglied der legendären Band Gypsy Love, bei der er neben Jano Stojka, Kurt Hauenstein und Peter Wolf spielte, machte er sich bereits in frühen Jahren einen Namen. Anfang der 70er Jahre zog es den Ausnahmemusiker in die USA, wo es ihm innerhalb kürzester Zeit gelang, Fuß zu fassen. Die Liste der Namen mit denen Karl Ratzer zusammenarbeitete, liest sich wie das "Who is who" der jüngeren Musikgeschichte.
So war er gleich in ein Projekt mit dem Namen "High Voltage" involviert, in dem er sich gemeinsam mit der heute weltberühmten Chaka Khan die ersten Sporen verdient hat. Gefolgt von zahlreichen Kooperationen mit internationalen Größen wie Jeremy Steig, Art Farmer, Clark Terry, Lee Konitz oder Steve Grossman, kehrte Ratzer schließlich 1980 in seine Heimatstadt Wien zurück. Seither war er als Gastprofessor an diversen Hochschulen für Musik und darstellende Kunst tätig.
​Einem Europäer unüblich, besitzt Karl Ratzer die Gabe, seinem Blues jene Tiefe zu verleihen, die dem Zuhörer das Gefühl vermittelt, als stamme der Musiker selbst aus dem Mississippi-Delta. Wie alle großen seines Genres beherrscht der Wiener "Enttäuschungen genießbar zu machen, das Widrige und Niedrige nicht bloß auszuhalten, sondern es musikalisch zu vergolden."

Karl Ratzer kam 1950 in Wien zur Welt. Eine Stadt, in welcher der überstandene Krieg noch sichtbar war. Seine Familie hatte unter der Nazi-Diktatur besonders zu leiden und der Start ins Leben schien schwierig. Doch Karl Ratzer war die Musik in die Wiege gelegt. Von einem Wunderkind kann man nur deswegen nicht sprechen, da die äußeren Umstände nicht geeignet waren, ein so begabtes Kind zu fördern. Er begann schon sehr früh sich selbst das Gitarre spielen beizubringen. Fast noch im Kindesalter wurde er Mitglied der Vienna Beatles, eine der besten Livebands im damaligen Wien und schon mit 15 Jahren hatte er als Gitarrist und Sänger der Band Slaves einen Tournee-Vertrag durch die Schweiz und Deutschland in der Tasche. 

Als er Wien 1972 verließ, um in die USA zu gehen, war er ein Rockstar, der von seinen Fans kultartige Verehrung genoss.
In den Staaten konnte er sich sofort in der Szene etablieren. Er wirkte bei der Band High Voltage mit. Diese Formation wurde später unter Rufus & Chaka Khan berühmt. Aber auch viele andere bekannte Musiker luden ihn zur Zusammenarbeit ein. Karl Ratzer sog die amerikanische Musik auf wie ein Schwamm. Schnell war er in den verschiedensten Stilen beheimatet. Funk, Soul, Jazz und über all dem, der Blues, so wie er zwischen dem Süden und NYC gewachsen ist. Keine Schule, keine Universität sondern das Leben in den Clubs, erst in Atlanta dann in NY, ließen ihn zu einem der weltbesten Gitarristen reifen. 1977 erfolgte die erste Bandgründung mit Jeremy Steig, Dan Wall, Eddie Gomez, Joe Chambers und Ray Mantilla. Die erste LP mit dieser Band kam dann 1978 bei Vanguard heraus. Genre: Blues, Funk / Soul, Jazz.

Neben seiner virtuosen Technik, war es vor allem die Stilsicherheit im Sound, die er sich in den Amerikajahren aneignete. Seine Gitarre klingt immer authentisch, egal ob er Rock, Blues oder Jazz spielt.

Jazz, Jazz, Jazz ....

1980 brachte ihn eine Tournee mit Chet Baker nach Europa. Er kehrte schließlich nach Auftritten in Italien, Frankreich und der Schweiz nach Wien zurück. Den Live Mitschnitt aus Paris im Gepäck konnte er gleich wieder in die Wiener Szene einsteigen. Er spielte mit allen Größen des heimischen Jazz und traf auf unzählige internationale Stars, die in Wien Station machten. Nun war er es, der die verschiedenen Projekte initiierte und leitete. Seine Kompromisslosigkeit in Sachen musikalische Qualität, machte es seinen Partnern nicht immer leicht. Für seine Musik aber wurde er von den Musikern verehrt und vom Publikum geliebt. In diesen Jahren begann auch seine Lehrtätigkeit an verschieden Schulen und Instituten. Er entwickelte eine eigene praxisbezogene Unterrichtsmethode für Gitarristen verschiedener Reifestufen. Von 1999 bis 2003 war er als Gastprofessor an der Kunstuni Graz. 2004 wechselte er an das Vienna Music Institute und das Vienna Konservatorium, wo er bis Dato als Dozent tätig ist.

Dieser musikalische Lebensabschnitt spiegelt sich in einem Zitat von Karl Ratzer selbst wider: "Ich spiele nicht mehr Gitarre, sondern ich mache Musik."

Die sprunghafte Zeit des Suchens und Experimentierens ist vorbei. Gegenwärtig arbeitet Karl Ratzer an einigen wenigen Projekten. Er möchte sein Wissen, sein Können und seine Erfahrung vor sich Ausbreiten und daraus die notwendigen Elemente nehmen um sie mit höchster Präzision in diesen Projekten zusammenzufügen. Seine Kompositionen erhalten Arrangements und seine Bands Bläsersätze. In diesem Rahmen lässt Karl Ratzer seine Gitarre klingen wie es nur wenige vermögen und sein Gesang berührt das Publikum.

Ratzer kann auf viele Erfahrungen aufbauen und diese auch einsetzen. Sei es bei Live Auftritten, CD Produktionen, Workshops, Einzelunterricht u.ä.m. Darüber hinaus ist er bereit neue Wege am Instrument zu beschreiten, wie es die jüngst erworbene Baritongitarre beweist.

CONCERTO interview

Du lässt dich offensichtlich von der Musik anderer Kulturkreise beeinflussen.

„Ich spiele natürlich mit Begeisterung lateinamerikanische Musik, da bei ihr der Rhythmus an erster Stelle steht; später kommt erst die Melodik. Ich war immer ein versierter Rhythmusgitarrist, schon als Bub. Lange getraute ich mich nicht zu solieren, da ich Angst hatte, den Rhythmus zu verlieren. Bei einem Mambo kommst du mit 2, 3 Akkorden aus, bei einem Samba spielst du wiederum viele Akkordwechsel, die ihm das besondere Flair verpassen.“

Übernimmst du als bekannter Künstler Verantwortung für das Geschehen dieser Welt?

„In dem Song „Sabah El Nur“, einem arabischen Gruß, dachte ich 1998, als ich ihn das erste Mal aufnahm, dass Kunst in jedweder Form dem Frieden verpflichtet ist und Liebe als oberstes und stärkstes Gebot anerkennen muss. Ich finde es überhaupt nicht vernünftig, Menschen wegzuschicken, weil sie an den Islam glauben. Ich selber spiele für Menschen aller Rassen und Religionen dieser Welt. Alle haben Ohren, um meine Botschaft des Bebop zu hören und zu fühlen.“

Wie siehst du den Stellenwert des Jazz weltweit?

„Ich verbrachte wunderbare Jahre in den USA und hatte geniale Lehrer wie Joe Chambers, Eddie Gomez oder Jeremy Steig, die meine Musik bis heute prägen. Bedauerlich ist, dass diese talentierten Musiker in ihrer Heimat kaum Anerkennung oder Jobs finden und oft nach Europa kommen, um überleben zu können. Dabei denke ich mir manchmal, Österreich ist ein Operettenland, da muss doch auch für uns Jazzer Platz sein und die Möglichkeit bestehen, mit unserer Musik Geld zu verdienen.“ 

Viele Mythen und Gerüchte ranken sich um den sowohl bei MusikerInnen als auch bei seinen Fans verehrten Kultgitarristen aus Brigittenau. Auf gleicher Stufe mit Ausnahmekünstlern wie Joe Zawinul, Hans Koller oder Fritz Pauer, gehört Karl Ratzer zu den bekanntesten österreichischen Jazzmusikern, die sich auch in den USA durchsetzen konnten. Nicht umsonst ist Ratzer der einzige österreichische Musiker, der mehr als zweimal im Jahr unter seinem eigenen Namen im Porgy & Bess auftreten „darf“. Markenzeichen Karl Ratzer’s ist sein ungemein stilsicheres und authentisches Gitarrespiel und sein eindrucksvolles Erscheinungsbild mit dem er sein Publikum in seinen Bann zieht. Bill Milkowski, ein viel geachteter amerikanischer Musikjournalist, Jazz-Autor, Produzent und Gitarrist nennt Ratzer im gleichen Atemzug mit Gitarrenlegenden wie John Scofield,  Danny Gatton, Roy Buchanan, Lowell George, Larry Carlton, Robben Ford, Sonny Landreth oder Amos Garrett. Zu Ratzer’s Spielweise meinte er einst: „[Karl Ratzer is] possessing a rich, creamy tone, a daring improvisational streak, a vibrato technique to die for and a penchant for real-deal blues, funk and soul, Ratzer rates as an authentic guitar hero on par with the best plectorists, six-stringers and chicken-pickers on this side of the pond.“ 

Karl Ratzer wurde 1950 als Sohn des Künstlers und Holocaust-Überlebenden Karl Stojka in Wien geboren.  Die Großfamilie Stojka, zu der u.a. auch seine Tante Ceija, sein Onkel Mongo oder sein Cousin Harri Stojka zählen, gehört der Lovara-Untergruppe der Roma an, die seit dem 19. Jahrhundert meist als Pferdehändler in Österreich lebten. Die Umstände der unmittelbaren Nachkriegszeit in die Karl Ratzer hineingeboren wurde, machten es nicht leicht, sich mit einem Instrument auseinanderzusetzen, da es entsprechende schulische Unterstützung schlicht und einfach nicht gab. Davon ließ sich der junge Ratzer aber nicht abschrecken und begann auf autodidaktischem Wege – seinen damaligen Idolen Ted Herold und Elvis Presley nacheifernd – sich selbst die Gitarre beizubringen. Erst später bekam er von seinen Freunden wie etwa Hans Salomon oder Richard Schönherz Unterstützung in Sachen Harmonielehre oder Musiktheorie. Karl Ratzer sagte einst dazu: „Vorher hab‘ i gspielt und net gwußt wie!“. 

Seine musikalische Karriere begann dann im Alter von 14 Jahren als Mitglied der „Vienna Beatles“, die damals zu einer der besten Livebands in Wien gehörten. Bereits ein Jahr darauf tourte er mit der R&B Band „The Slaves“ durch Deutschland und die Schweiz. Nach zwei weiteren Bands, der „Charles Ryders Corporation“ und „C-Department“ kam Ratzer 1971 schlussendlich zu „Gypsy Love“, wo er in der Wiener Szene rasch große Bekanntheit erlangte. „Jeder Taxler hat damals meinen Namen gekannt“, sagte Karl Ratzer über diese Zeit einmal in einem Interview. Daneben verfasste er mit Peter Wolf das Musical Gorilla Gorilla. 1972 wechselte Ratzer dann das letzte Mal zur Band „Schönherz, Ratzer, Dogette, Rigoni“ bevor er zumindest für eine Zeit lang Österreich den Rücken kehrte, um nach neuen Inspirationen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu suchen.
 
1972, einer Einladung nach New York City folgend, spielte Karl Ratzer bei der R&B, Soul und Funkband „High Voltage“ vor und wurde sofort engagiert. Bei der Band handelte es sich um keine geringere als um die später unter dem Namen „Rufus & Chaka Khan“ (u.a. Tell Me Something Good) bekannte Formation. Zwischenzeitlich lebte Ratzer in Atlanta, Georgia, kehrte aber 1977 zurück zum Big Apple wo er eine Band mit Jeremy Steig, Dan Wall, Eddie Gomez, Joe Chambers und Ray Mantilla gründete. Dies war auch die Band mit der er 1978 seine erste CD „In Search Of The Ghost“ veröffentlichte. Daneben spielte Ratzer auch mit Jazzgrößen wie Bob Mintzer, Tom Harrell, Bob Berg, Joe Farrell,  Steve Grossman oder Chet Baker. Mit Letzterem war Ratzer 1980 auf einer Europatournee wobei auch zwei Konzerte in Wien und zwar in der damaligen Jazzspelunke gespielt wurden. Das in ihm aufkeimende Heimatgefühl verleitete Ratzer schlussendlich dazu, nach Beendigung der Tournee durch Italien, Frankreich und die Schweiz wieder nach Wien zurückzukehren. Man kann davon mit Sicherheit ausgehen, dass die knapp acht Jahre in den USA zu Karl Ratzers prägendsten Phase gehören. Während dieser Zeit konnte er sich intensiv mit den unterschiedlichsten Musikstilen wie Soul, Funk, Jazz, Rock und insbesondere dem Blues auseinandersetzen und wie kaum ein anderer verinnerlichen.
  
Zurück in Wien avancierte Karl Ratzer zu einem gefragten Sideman vieler internationaler Jazzstars  wie Art Farmer, Clark Terry, Lee Konitz, Chaka Khan, Eddie Lockjaw Davis oder James Moody. Er wurde Mitglied der ORF-Bigband und leitete verschiedene hochkarätige österreichische Formationen wie u.a. „Guitar Special“ oder „Beat the Heat“. Aktuell konzentriert sich Ratzer auf wenige ausgesuchte Projekte wie das „Karl Ratzer Septett“ mit Heinz Czadek (Posaune), Peter Tuscher (Trompete), Raimund Aichinger (Saxophon), Larry Porter (Klavier), Christoph Petschina (Bass) und Joris Dudli (Schlagzeug), „Ratzer, Tuscher, Porter, Kurz, Oppenrieder“ sowie das Trio seines Wegbegleiters und hochgeschätzten Kollegen Fritz Pauer. Diesen musikalischen Lebensabschnitt betitelte Ratzer mit folgenden Worten: „Ich spiele nicht mehr Gitarre, sondern ich mache Musik.“

Ein besonderes Anliegen für Ratzer ist auch die Vermittlung seines schier unerschöpflichen musikalischen Wissens an jüngere Gitarristen-Generationen. So war er 1999 bis 2003 Gastprofessor an der Musikuniversität Graz und seit 2004 Dozent am Vienna Music Institute und Vienna Konservatorium. Ratzer entwickelte außerdem eine eigene praxisbezogene Unterrichtsmethode für Gitarristen verschiedener Reifestufen die er in regelmäßigen Workshops sowie bei Einzel- und Privatunterrichtsessions anwendet.

Wie kein anderer österreichischer Musiker beherrscht es Karl Ratzer immer wieder neue Ausdruckmöglichkeiten zu finden, ohne dabei aber die Essenz des Genres zu verlieren. In seiner langen und teils sehr holprigen Karriere, veröffentliche Ratzer bis dato an die 20 CDs auf denen er eindrucksvoll sein Können sowie seine stilistische Bandbreite sowohl auf der Gitarre als auch gesanglich unter beweist stellt. Um jedoch Karl Ratzer’s musikalisches Genie als Ganzes fassen zu können, muss man zu einem seiner umjubelten Konzerte u.a. im Porgy & Bess kommen und mit ihm auf die Reise in die unergründlichen Tiefen des Soul, Jazz und Blues gehen. Für sein musikalisches Werk wurde Karl Ratzer am 23.1.2002 mit der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien geehrt.