Automatenbewegung. Eindrucksvoller Abgesang.
Mit einer Performance im Freien Theater und im Vierundeinzig läutete der Vorbrenner die Theatersaison ein.
Als 3-tägiges Fest der Maschinen haben Andreas Pronegg und Ekehardt Rainalter ihr Programm für den diesjährigen Herbst-Vorbrenner im Freien Theater Innsbruck untertitelt. Also für jene Programmschiene, die sich als interdisziplinäres Untersuchungslabor für die verschiedenen Kunstkategorien versteht und sich damit bewusst neuen experimentellen Formaten öffnen will. Oder wie es auf der Homepage steht: als Versuchsanordnung des Unvorhersehbaren. Tatsächlich läuteten die beiden mit „D.I.E. .A.U.T.O.M.A.T.E.N.B.E.W.E.G.U.N.G“ auch eine neue Theatersaison abseits des Mainstreams ein.
Denn an den ersten beiden Tagen – also Donnerstag und Freitag letzter Woche – standen wechselnd zwei eigenständige Performances an zwei Spielstätten auf dem Programm, die quasi mit einer Sonderfahrt der IVB „pataphysisch“ respektive „postdramatisch“ verbunden wurden. Diese im Programm angeführten Adjektive konnten dabei durchaus als Verweis oder Anspielung an die bevorzugte Arbeitsweise der beiden Gestalter verstanden werden. Denn Rainalter, der den schwarzen Raum des FTI mit der „Zahlenoper EXCEL“ bespielte, könnte man als Apologeten der Pataphysik bezeichnen, wenngleich ihm eine solche Zuschreibung zweifelsohne Magenkrämpfe verursachen würde. Pronegg, der für die Performance „DAS KRAFTWERK oder: Die Tragödie der Arbeit“ im erstmals für die Öffentlichkeit geöffneten atemberaubend schönen Kraftwerksraum im Untergeschoss des Vierundeinzig verantwortlich zeichnete, hat sich in seiner Theaterarbeit eher der Postdramatik verschrieben.
Selbst wenn beide Performances ganz unterschiedlich angelegt waren – Pronegg lässt seine Darsteller/innen noch sprechen, singen, agieren – bei Rainalter sind sie bereits schockgefroren, ein Letzter mit überlebensgroßem Gesicht hampelt sich gerade noch selbst zu Fall – so bewegten und berührten sie beide durch ihre konsequente Linie (um das Wort Dramaturgie zu vermeiden), die ernsthafte Reflexion und eine geradezu berückende Poesie, die nicht zuletzt auch vom Spielort selbst ausging. Denn während Pronegg die nach wie vor eindrückliche Wucht des stillgelegten Kraftwerks wunderbar als Metapher für das Ende einer selbstbestimmten menschlichen Arbeitsteilung nutzen konnte, hatte Rainalter den schwarzen Raum des FTI mit großartigem architektonischen Gespür quasi neu als Theaterort erfunden. Abgehängte Stäbe und verschiedene Podeste in der Mitte des Raumes markierten dabei das Spielfeld, für die Zuschauer gab es Sitzgelegenheiten an den Rändern.
Und während Pronegg mit weltanschaulich eindeutig gefärben Texten (u.a. von Brecht, Engels, Hegel, Marx, Müller) operierte, das Einheitsfrontlied singen und das Ganze in einen impulsiven Widerstreit von Brot und Kunst enden ließ, kamen bei Rainalter die gesprochenen Texte aus der Maschine, bis seine Figuren irgendwann ihre Stimmen zum Chor erhoben und das Wort Tantalos artikulierten, also den mythischen Auslöser allen Schuldenfluchs.
Gleichwohl unsere Excel-Welt natürlich Geschichten liebt und sich gerne von verkaufsförderndem Storytelling einlullen lässt, nach diesem – ich nenne es bewusst - Theaterabend war klar, dass sich die ganz großen Dramen unserer Menschheit natürlich auch ganz anders überaus schlüssig darstellen lassen.
Das stillgelegte Kraftwerk im Vierundeinzig war für sich schon Metapher genug für Proneggs eindrückliche Performance über die „Tragödie der Arbeit“.