Rückzug der Zunge
An der Universität einer provinziell-mittelmäßigen Kleinstadt wird viel über die Zukunft diskutiert, die aber niemand erleben will, zumindest nicht in einer intellektuell fassbaren Form. Sicher wird die Zukunft kommen, und wenn sie Überschwemmungen und Unheil bringt, wird man ihre Schäden aus dem Kulturbudget abfedern, wie bisher. Das Tiroler Kulturbudget gleicht einer Katastrophe, seit man daraus kaputt gegangene Häuser in so kulturell wertvollen Orten wie Pfunds, Pfons und Vazzur speist. Die Nachkommen dieser Kulturpflege mögen ja nie fragen, warum diese Orte so wichtig sind.An dieser Universität, an der kaum wichtige Fragen gestellt werden, gibt es auch das Untergrund-Kompliment an die Ideen-Leitung: „Das Wildeste an dieser Uni ist der Rektor, er unterrichtet nämlich tote Sprachen.“
Im Foyer der Bibliothek stehen seit Jahren zur Nachmittagsschicht zwei Bibliothekare und kommentieren zwischendurch ihre miese Lage, denn im Abendland des Eventes werden die intellektuellen Echtzeiterlebnisse immer rarer. Von den Kollegen händewinkend als Depp-Fixi und Trottel- Foxi bezeichnet, wollen eigentlich alle wissen, was diese zwei Typen besprechen, aber man kann nur über ihre Körpersprache erahnen, was sie denken.
Übersetzte Körpersprache:
Die Gletscher ziehen sich vom Gebirge zurück, wie sich das Buch vom Leser zurückzieht.
Was bleibt, ist im einen Fall das Kar, und im andern der Bibliothe-Kar.
Aber die Zunge bleibt? – Die Gletscherzunge läßt in ihrem Rückzug viel Geröll zurück, während die Zunge des Bibliothekars, wenn sie sich zurückzieht, absolute Leere hinterläßt.
So ist es auch zu verstehen, dass der Bibliothekar Casanova letztlich durch den Rückzug seiner denkenden Zunge aus diversen Leibern am meisten in der Literaturgeschichte punkten konnte.
Alle im Foyer beneiden diese beiden Bibliothekare, die aus ihrem Untergang stündlich Witz formen.