Schwächelnde Glossitis
Die Provinz ist unbarmherzig zentral. Was immer wir in Tirol denken, die Gedanken sind aus dem Weltzentrum geklaut. Wir wissen freilich nicht, wo dieses Zentrum sitzt.Eine steirische Friseuse macht dir mitten in Innsbruck am Mitterweg einen Weltschnitt, den sie aus dem Internet herunter geladen hat. Eine einheimischer Eisverkäuferin schmiert dir in Hall Kreationen wie Waldviertler Mohneis / Waidhofner Honig auf die Zunge, eine Straßenbahn aus dem Jahre 1962 bleibt einfach stehen, weil sie in Simmering gebaut worden ist.
So etwa schaut ein Nachmittag in Innsbruck und Umgebung aus.
Eine Glosse ist dazu da, in einem schmalen Streifen am Rande einer Zeitungsseite mit Augenflunkern einen andern Blick auf triviale Ereignisse zu werfen. Die Leser sollten bei einer guten Glosse keine Empfindung haben, sondern bloß zu einem Nicken veranlasst werden.
In Tirol machen drei Leute die Glosse.
Alois Schöpf schreibt seit 1950 für die Tiroler Tageszeitung, (so called TT) manchmal geht bei ihm das Geburtsdatum mit dem Erscheinungsdatum konform. Die Tiroler Tageszeitung war bei der Geburt Alois Schöpfs übrigens fünf Jahre alt.
Heuer hat A. S. das große Keks des Landes Tirol gekriegt, vermutlich weil die Tageszeitung fünf Jahre älter ist als ihr Glossist und weil A.S. das Würdigungsdatum „fünf“ erreicht hat. Die Würdigung ist übrigens kompatibel mit dem Datum der Überreichung am 15. August. Gutes Glossieren nämlich wird zumindest in Tirol verlässlich belohnt, wenn die richtige Ziffern-Konnektion im Würdigungssubjekt drin steckt.
Für nächstes Jahr sollten laut Glossengerüchten die Autoren/innen Stefanie Holzer und Walter Klier drankommen. Sie sind immerhin auch bei einem wichtigen Medium wie der TT auftrittig und haben in den letzten beiden Jahren vor allem über Kinder in der verpissten Sandkiste im Umgang mit Hunden und über die Sitzplatzverteilung mit Kindern auf öffentlicher Verkehrsfläche starke Meldungen abgegeben.
In debilen Kreisen spricht man bereits von einem gelungenen Tiroler Glossismus.