Triebfahrzeugführersalz
Wenn prägnante Einzelwörter zu einer Wurst verschmolzen werden, geht es meist um Literatur oder ein literarisches Festival. „Schreibkraft“, „Volltext“ oder „Sprachsalz“ sind solche Beispiele. Schreibkraft ist ein originelles Feuilletonmagazin aus Graz, Volltext eine äußerlich und innerlich schnell gemachte Literaturzeitschrift aus Wien und Sprachsalz ein Treffen von Autoren in der „alten Stadt“ Hall in Tirol.Bei Titeln soll man sich immer hemmungslos von der Phantasie treiben lassen, daher stellen sich normale Menschen unter Sprachsalz vor, daß dabei Dichter zusammenkommen und zwei Tage lang Salz schlecken.
Das kommt ungefähr hin, denn bei Dichtertreffen geht es immer um zwei Fragen, die das Salz der Literatur bedeuten: - Wo hast du gerade gelesen? und Wo wirst du noch lesen?
Bei Dichtertreffen sitzen also diese Dichter beisammen und erzählen sich, ohne einander zuzuhören, von wo sie gerade herkommen, weil sie gerade eine Lesung hatten, und wie sie es schaffen konnten, den aktuellen Termin einzuhalten, wo sie doch demnächst wieder eine Lesung haben werden.
Das ist Sprachsalz pur!
Man stell sich nun eine andere Berufsgruppe vor, die nach der gleichen Methode vorgehen müßte.
Also da kommen die berühmtesten Lokführer des Landes, offiziell Triebfahrzeugführer genannt, zum Lokführerfestival zusammen und erzählen sich ihre Strecken der letzten Tage, und wo sie demnächst wieder mit ihrer Taurus (= Wunderlok der ÖBB) auftreten werden.
„Ich hatte letzte Woche einen Güterzug von Villach nach Salzburg, anschließend eine Leerüberstellung nach Linz, und jetzt freue ich mich, wenn ich von Hall eine Garnitur nach Bischofshofen überstellen darf!“
Wetten, daß zu diesem Semmel jede Menge Publikum kommt, wenn man es Literatur nennt?
Denn in Wahrheit sind wir ganz süchtig nach diesem Triebfahrzeugführersalz, das wir alle so gerne schlecken.