DOBET GNAHORE. Cote d'ivoire
Es war einmal in Abidjan, in einer Gemeinde mit dem Namen Village Ki-Yi, in dem alle Einwohner Künstler waren. Unter Dächern aus Bananen- und Palmenblättern, aber meistens unter freiem Himmel, schrieben sie Musik und Theaterstücke, malten und tanzten. An einem Donerstag abend saß ein Vater des Dorfes gemütlich in seinem Sessel und genoss die Party, die zum Anlass seiner Rückkehr nach einer langen Auslandstournee gegeben wurde. Aus dem fröhlichen Tohuwabohu stach plötzlich die Stimme der damals zwölfjährigen Gnahoré-Tochter, eine hohe, etwas melancholischen Stimme mit einem klaren Timbre, verführerisch, flehend und gebieterisch zugleich. Frech verlangte sie von ihrem Vater: „Papa, ich will nicht mehr in die Schule gehen, ich will hier im Dorf bleiben, so wie Du“, und setzte sich mit ihrer Forderung durch.
Dies ist kein Märchen aus dem Urwald, dies ist Dobets Geschichte, der Tochter von Boni Gnahoré, Trommlermeister, Schauspieler, Sänger und Gründungsmitglied dieses Künstlerdorfes mit panafrikanischen Ambitionen. Dort wuchs Dobet auf und lernte Theater, Tanz, Gesang und Perkussionen. Im Jahre 1996 tauchte der Franzose und Gitarrist Colin Laroche de Féline auf, der auf der Suche nach unterschiedlichen Kulturen die Welt bereiste. Er wollte 3 Monate bleiben, daraus wurden 3 Jahre, so fasziniert war er von dem Lebensentwurf dieser selbstverwalteten afrikanischen Kommune.
Dobet und Colin vereinten ihre Künste und ihre Herzen. Im Mondschein des Familienhofs, begleitet von den sanften Tönen von Colins akustischer Gitarre, improvisierte Dobet sowohl zarte Melodien als auch anprangernde Lieder. Es wurden immer mehr Songs, und nicht nur die Dorfbewohner zeigte Interesse, auch die großen Brüder wie Ray Lema oder Lokua Kanza, die regelmäßig das Dorf besuchten, waren fasziniert. Dobet und Colin gründeten erst das Duo „Ano Neko“ („Gestalten wir gemeinsam“, in der Sprache Dida), in 2003 erschien Dobet Gnahorés erstes Album („Ano Neko“) und das Duo, inzwischen von einem Bassisten und einem Perkussionisten unterstützt, wird sich bis 2006 mehr als 220 Mal dem Publikum präsentieren.
Heute erscheint Dobet Gnahorés zweites Album „Na Afriki“, auf dem die Sängerin das Bild ihres ganz eigenen Afrikas vermittelt und offen über die Liebe, den Tod, die Stellung und Ausbeutung der Frauen und Kinder in der afrikanischen Gesellschaft singt. Wie ein roter Faden zieht sich die Überzeugung, das schwarze Kontinent müsse unbedingt ihre Ressourcen selbst und in sich selbst finden, durch das gesamte Werk. Von den Melodien der Mandingue bis zum Kongolesischen Rumba, vom Ziglibiti der Elfenbeinküste bis zum Bikoutsi aus Kamerun, vom Ghanaischen High-Life bis zu den Chören der Zulus liefert Dobet Gnahoré panafrikanische Töne und Rhythmen. Die Instrumentierung reicht von Sanza und Balafon, bis Callebasse und Bongos, die Lieder werden Bété, Fon, Wolof, Lingala, Malinké und Dida gesungen.
Ein wunderschönes, eindrucksvolles Werk.
"Der Charme der Jugend"
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ)
Manchen Stimmen gelingt es innerhalb von Minuten, das Publikum zu becircen. Dobet Gnahoré hat so eine Stimme. Ihr klarer Alt kann sensibel und zärtlich in dunklen Lagen hauchen und sich mühelos vom Flüstern in mittlere Lagen aufschwingen. Großes Volumen und wohl auch langjähriges Training bewahren das samtige Timbre auch in nachdrücklichen Phrasierungen vor Schärfe. Selbst die Jodler zentralafrikanischer Pygmäen, einst durch das legendäre A Capella-Ensemble Zap Mama bekannt geworden, lässt Dobet Gnahoré spielerisch leicht einfließen, wenngleich auch nur als Effekt und lustiges Spiel mit dem Publikum.
Die Songs der gerade einundzwanzig Jahre alten Frau machen es den Zuhörern leicht, ohne sich westlichen Hörgewohnheiten vordergründig anzudienen. Relativ einfach strukturiert konzentrieren sie sich auf klare Melodielinien und sparsame Begleitung. Beinahe allgegenwärtig swingen sanfte Pickings der akustischen itarre, dahinter grundieren Rasseln, ecken oder dunkle Beats von Conga oder alebasse sensibel den Takt. Selten suchen Daumenklavier oder Balafon eine direkte Verbindung zu archaischen Überlieferungen, schärfen dann aber umso mehr das Profil der Stücke. Obwohl sie auf Keyboard und andere elektrische Instrumente verzichtet klingt Dobet Gnahorés Musik meist städtisch und zeitlos. Urbaner Pop, gesungen in heimischen Idiomen, der sich auf den Spuren afrikanisch-kosmopolitischer Singer/Sonwriter wie Habib Koite oder Lokua Kanza bewegt.
Eine ganze Weile schon ist das Leben in der Elfenbeinküste, dem ehemals so stabilen westafrikanischen Staat, gefährlich geworden. Gleich zu Beginn der Auseinandersetzungen fiel Gnahorés Toningenieur in Abidjan einem verwirrten Schützen zum Opfer. Da waren bereits sechs Songs für das Album "Ano Neko" eingespielt. Bald darauf zog Gnahoré mit ihrem französischen Ehemann, dem Gitarristen und Co-Komponisten Colin Laroche de Feline, nach Marseille. Den Rest der hierzulande noch nicht im Laden erhältlichen CD produzierten sie in Belgien, größtenteils unter Leitung ihres Vaters, des Perkussionisten Boni Gnahoré.
Zweifellos hat er seine Tochter schon früher beeinflusst. Bereits mit zwölf spielte Dobet Gnahoré Theater, was ihre heutige Sicherheit und Präsenz auch auf einer fremden Bühne erklärt. Selbstverständlich hat sie neben ihrer Stimme auch verschiedene Perkussionsinstrumente fest im Griff, variiert zudem geschickt die Dynamik des Konzerts. Mal sitzt sie alleine mit einer Tonvase am Bühnenrand, schlägt einen minimalistischen Beat und konzentriert alle Intensität in einen besänftigenden, doch scheinbar gleichermaßen lauernden Gesang. In besonders schwungvollen Momenten reißt die junge Frau das begeisterte Publikum zusätzlich durch kurze expressive Tanzeinlagen hin. Mit der Zeit offenbart der Auftritt allerdings eine straffe Dramaturgie, die keine echten Improvisationen vorsieht. Das schmälert nicht Gnahorés spielfreudige Ausstrahlung, lässt aber die Musiker etwas blass wirken. Zwar setzt Perkussionist Laurent Rigaud vereinzelt am Balafon Akzente, doch ein nahe liegender spontaner Dialog mit Gnahorés Kalebasse bleibt aus. Letztlich genügen allein das Talent und der natürliche Charme Dobet Gnahorés, um den ausverkauften Großen Saal der Brotfabrik in Euphorie zu versetzen.
"Ein voller Saal für das deutsche Debüt einer jungen afrikanischen Sängerin, die noch nicht auf die Zugkraft eines klingenden Namens setzen kann: Das spricht für das Vertrauen des Publikums in den Veranstalter. Und Dobet Gnahoré wurde zum Schluss ihres Konzerts in der Frankfurter Brotfabrik stürmisch gefeiert; sie ist aber auch jemand, der es dem Publikum leicht macht. Gnahoré ist erst 21 Jahre alt, tritt aber bereits mit großer Souveränität auf. Dobet Gnahoré kommt von der Elfenbeinküste; buntscheckig wirkt ihr Stilmix, der sich auf eine im 20. Jahrhundert entstandene westafrikanische Tradition der populären Vermischung diverser musikalischer Idiome mit westlichen Pop-Errungenschaften berufen kann. Beliebt ist dieses Afropop-Entertainment ob seiner Eingängigkeit gleichermaßen in der Ursprungsregion wie hier bei uns. Einerseits kommt es den heimischen Hörgewohnheiten sehr weit entgegen, zugleich hat es den vollen Reiz afrikanischen Flairs.Dobet Gnahorés Trumpfkarte ist ihre voll tönende Altstimme, mit der sie in mehreren afrikanischen Sprachen singt und vereinzelt ins Französische überwechselt. Aus der Tiefe steigt die Stimme immer wieder auf in attraktiv gurrende, manchmal gar an Jodler erinnernde Koloraturen. Ob im Gesang oder in den rasanten, von Stammesriten abgeleiteten und bisweilen in augenzwinkernde Groteske hinübergezogenen Tänzen: Segmente der afrikanischen Überlieferung werden hier in einen modernen Kontext übertragen. In Balladen und Tanzlieder teilt sich das musikalisch sehr vielgestaltige Konzert mit Dobet Gnahoré und ihrer dreiköpfigen Band. Von Liebesdingen und von die Gesellschaft bewegenden Themen wie der für Afrika existenziell bedrohlichen Aids-Seuche handeln die Lieder. Man muss die Sprache nicht verstehen, um durch die Musik zu spüren, dass die Grenze zu kitschiger Sozialromantik bisweilen überschritten wird.
Dobet Gnahorés Stimme ist eingebunden in wechselhaft karge Arrangements. Im reduziertesten Fall begleitet Dobet Gnahoré sich selbst allein auf der Klangvase. Die Perkussion, Basis sämtlicher Stücke, ist eine feingliedrige. Ungeachtet einer songhaften Linearität trudelt sie im Krebsgang. Bisweilen tritt das Balafon, das afrikanische Xylofon, in Erscheinung; Dobet Gnahoré selbst spielt das - ohne guten Grund - als "Daumenklavier" geläufige Zupf-Metallophon Mbira. Die akustische Gitarre übernimmt als Solo- und Harmonieinstrument einen swingenden Groove. Ein Erfolg zum Einstand: Die hochtalentierte Dobet Gnahoré trifft den Geschmack des Weltmusik-Publikums zielsicher. Man muss kein Prophet sein, um ihr eine große Zukunft vorherzusagen." 07.04.2004 Stefan Michalzik
Frankfurter Rundschau