Die Liebe und andere Wunder
Sängerin Lisa Wahlandt auf dem Weg zu sich selbst
Sie erzählt uns in ihren englisch getexteten Liedern von den kleinen und großen Wundern dieser Welt, ohne übertrieben pathetisch zu werden. Lisa Wahlandt hat mit „Wowowonder“ einen weiteren großen Schritt auf dem Weg ihres Selbstfindungsprozesses als Musikerin, Künstlerin und Performerin getan. Hier tritt dem Hörer eine Frau gegenüber, die weiß, was sie will und sagt und wohin sie geht. Da hört man doch gerne zu und lässt sich von ihr interessante Geschichten erzählen. Klare Sache, oder?
JazzZeitung: Lisa, du hast dich auf „Wowowonder“ herangetraut an die Veröffentlichung von weitaus mehr Eigenkompositionen als je zuvor. Wie war die Entwicklung von der reinen Sängerin Lisa Wahlandt hin zur Komponistin und Texterin?
Lisa Wahlandt: Komponistin und Texterin war ich immer schon. Im Studium mussten – Pardon: sollten! – wir Songs schreiben. Und dann habe ich auf all unseren Veröffentlichungen ein bis zwei Lieder beigesteuert, wurde auch öfters um Auftragskompositionen gebeten. Jetzt war es eben an der Zeit, mich noch mehr zu zeigen und genau der richtige Moment, das anzugehen. Und ich habe eine wunderbare Band, die mich immer wieder bestärkt, meine Stücke gerne spielt und sich darin finden und ausdrücken kann. Es ist mir eine Freude, diesen großartigen Musikern dabei zuzuhören, wie sie in meine Geschichten und Songs eintauchen.
JazzZeitung: Songs und Texte schreiben, wieweit ist das mit den eigenen Erfahrungen, der eigenen „Reife“ im Leben verbunden?
Wahlandt: Also, es hat definitiv nichts mit dem Alter zu tun! Es gibt Menschen, die haben einfach einen Drang, sich mitzuteilen, haben gute Ideen. Die beschäftigt was. Die verbinden ihre Erlebnisse, Gefühle und Ideen wie in einem „Tagebuch“ mit Lyrik und Musik. Bei mir war es ein schleichender Prozess, aber kein unbekannter: Komponieren war ja, wie gesagt, in Linz Bestandteil des Studiums. Hauptaugenmerk galt natürlich den Jazzstandards. Man sollte möglichst viele davon kennen. Mein Glück war die unkonventionelle Herangehensweise der Dozenten, die völlig offen für alles waren. Das kam mir entgegen. Die Beatles waren ebenso anerkannt wie Eric Dolphy. Ich durfte – damals schon – meine geliebten „Coverversionen im Jazzgewand“ ausprobieren. Dann natürlich die Bestätigung durch Band und Publikum, die diese Songs mochten, weil sie, wie es ein aufmerksamer Zuhörer mal ausdrückte, „Songwriter-Jazz-Weltmusik-Qualitäten“ aufwiesen.
JazzZeitung: Gibt es für dich „die Idealsituation“ zum Komponieren und Texten?
Wahlandt: Ich könnte dir jetzt weismachen, ich führe zum Komponieren grundsätzlich an einen einsamen Ort, in ein Fischerdörfchen oder an einen Fjord… Das Haus hätte eine riesige Glasscheibe nach draußen… Sehr malerisch und verträumt… (lacht). Mache ich aber nicht! Für mich gibt es verschiedene Wege: Zum einen das Klavier. Dann dieser Input beim Autofahren – längere stupide Fahrten auf der Autobahn zum Beispiel,und immer schön langsam auf der rechten Seite. Besser und sicherer, aber, und am liebsten, als Beifahrer oder im Zug. Oder beim Spaziergang. Ich liebe das Wandern in den Isarauen. Die Melodie- oder Textsequenzen, die dabei auftauchen, singe ich in mein iPhone, um sie später am Klavier weiterzuverfolgen… Dabei habe ich beinahe mal unseren Hund stehen lassen, der mich wiederum auch gern vergisst, wenn er was Interessantes erschnuppert! (lacht).
JazzZeitung: Es heißt, du seist eine großartige Performerin, die auf der Bühne gerne Geschichten erzählt und die Hörer mitreißt. Worin unterscheidet sich die Lisa Wahlandt der Bühne von jener im Studio oder von der Textdichterin?
Wahlandt: Nun, die Lisa im Studio hat, zumindest gefühlt, die Möglichkeit einer zweiten Chance: Ein völlig geschützter Raum. Ein Techniker, die Musiker, und die Kopfhörer, die uns verbinden. Lisa, die Texterin wiederum, hat alle Zeit der Welt. Sie schreibt für ihr Leben gerne in aller Ruhe Ideen auf. Einfälle – spontan, konstruiert, Phantasiewelten. Sie ist eine Träumerin. Alles ist möglich! Die Lisa auf der Bühne hingegen versucht, ein Band zwischen ihr, dem Publikum und – auch wenn’s sich jetzt pathetisch anhört – dem Universum zu knüpfen. Ihre Ansagen sind spontan und manchmal klappen sie nicht. (lacht) Okay, daran hab ich mich gewöhnt, da bin ich in erster Linie Sängerin! Aber alle diese Lisas haben einen Hang zum Perfektionismus und hätten vermutlich noch nie in ihrem Leben eine CD veröffentlicht, wenn sie sich nicht in allen Situationen auf ihre wunderbaren Musiker hätten verlassen können.
Träne im Knopfloch
Lisa Wahlandt präsentiert ihre neue CD „Marlene“
Die Dietrich. Nur weniges bringt mich umwegloser auf die sprichwörtliche Palme, als wenn meine geliebte Oma vor den Familiennamen einer Künstlerin ein einfaches „die“ setzt und ihr damit den Status der Unantastbarkeit verleiht. Ein Relikt aus einer Zeit, in der Diven – im Gegensatz zur substanzlosen Überheblichkeit heutiger Sternchen à la Jennifer Lopez und Konsorten – noch ihre Existenzberechtigung hatten und das „die“ ein Gütesiegel war. So wie „die“ Dietrich, oder wie es vielleicht zeitlich universeller klingt, Marlene Dietrich. Eine Legende ihrer Zeit.
Lisa Wahlandt
Und jetzt kommt Jazzsängerin Lisa Wahlandt und macht sich an dieses Erbe heran. Im Jahr 2003, einige Jährchen nach dem Ende des „Mythos Marlene“ also. Die Gefahr des Kitsch ist groß, was offenbar auch Wahlandt und ihre Begleiter, Beatbastler Gerwin Eisenhauer (dr, electronics) Walter Lang (p, rhodes) und Uli Zrenner (b) sowie – als Special Guest – Rüdiger Eisenhauer (g) erkannt haben und in der Regensburger Alten Mälze ihre aktuelle CD „Marlene“ als eine gänzlich neue Interpretation des altbekannten Themas präsentierten. Der Minimalismus professioneller Musiker gepaart mit der musikalischen Offenheit, für die der Begriff „Jazz“ überhaupt erst geschaffen ist, vermag es hier unter dem Strich einen unglaublich dichten und modernen (und doch angenehm schmeichelnden) Sound irgendwo zwischen Chanson und Drum’n’Bass zu erschaffen. Zentrales Element bleibt jedoch immer Lisa Wahlandts angenehm schnörkellose Stimme, die anregend hochnäsig und gleichzeitig zerbrechlich wirkt. „I love Paris“ kam wohl noch nie verruchter von den Lippen einer Frau, und „Sag mir wo die Blumen sind“ ist so wunderschön traurig, dass sich sogar einige Männer im Publikum beschämt kleine Tränen aus den Augen wischen müssen.
Ich bin von Kopf bis Fuß auf Lisa eingestellt. Oder auch – und das ist an dieser Stelle das wohl größte Kompliment – „die Wahlandt“. Dieses Prädikat hat sie sich voll und ganz verdient!
Lisa wuchs auf einem Bauernhof auf, mit Hühnern, Hunden, Kühen, Katzen, Pferden und Schweinen. Ihr Vater spielte "wunderschön" Akkordeon: alte Schlager, Volkslieder. Bei Familienfesten wurde ganz selbstverständlich gesungen und gespielt, und so entstand, zwischen Julio Iglesias und "Am Brunnen vor dem Tore", die Basis von Lisa Wahlandts Musikalität. "Entdeckt wurde ich dann", sagt sie, jetzt wieder mit diesem selbstironischen Unterton, "als Teenager am Lagerfeuer." Sie sang zu den Dylan- und Neil Young-Hits, die einer auf der Gitarre klampfte - und stand bald darauf im Proberaum ihrer ersten Band. Es waren Schüler und Studenten, sie nannten sich Touchdown, man schrieb das Jahr 1984. Von da an fügte sich eins zum anderen im Leben der Sängerin Lisa. Bei ersten Gigs zwischen Vilshofen und Eggenfelden fiel das talentierte Mädchen dem niederbayerischen Profimusiker Christian Ortner auf, der sie in seine lokale Bigband einlud. Sie war gerade mal 18 und wusste nicht, wie ihr geschah: "Plötzlich finde ich mich vor einer Bigband neben dem Klavier stehend mit Jazzstandards auf dem Notenpult wieder. Sie phrasieren wirklich gut, sagten die zu mir, man merkt, das Sie vom Jazz kommen... Ich hatte keine Ahnung, wovon die reden. Klar, ich bin an aller Musik interessiert, und zugehört habe ich immer schon, mehr oder weniger unbewusst, aber sehr genau. Deshalb hatte ich wohl ein Jazzphrasing, bevor ich überhaupt wusste, was Standards sind."
Aber das lernte Lisa Wahlandt schnell. Nach einem Zwischenspiel mit der Fusion-Band Sunny Side Up traf sie 1990 den damals 17jährigen gitarristischen Wunderknaben Joni Heine. Lisa lebte immer noch in Niederbayern, hielt immer noch fest - konventionell erzogen, wie sie war - an ihrem Daytime-Job im Pfarrkirchner Amt für Rübenzucht und Schweinemast.
Der große Erfolg des Duos "Joni und Lisa" wies ihr endgültig den Weg in die Sängerinnenkarriere. Mit anspruchsvollen Arrangements zwischen Jazz und Beatles bestehen die Beiden 1992 die Aufnahmeprüfung an das Bruckner-Konservatorium in Linz. Seriöse Studien, Stimmschulung, Klavier, Komposition, Workshops mit Jazzgrößen, und neben dem Unterricht zahllose Auftritte - von jetzt an geht's ins Profilager. 1994 porträtiert das Österreichische Fernsehen Joni und Lisa in der Serie "Meister von morgen", sie werden zu einem Gastspiel der "Hallucination Company" des unvergessenen Falco nach Wien eingeladen. Und noch im selben Jahr findet sich das Lieserl vom Bauernhof dort wieder, wo der Jazz herkommt: Sie erhält ein Stipendium an die New School of Music, Manhattan, New York City. Lisa Wahlandt singt beim Seaport Festival, im Bryant Park, im Jazzclub Visiones.
Ihre Karriere ist im Gang. Zurück in Deutschland singt sie bei Musicals in Regensburg ("Jesus Christ Superstar"), Straubing ("Rocky Horror Picture Show") und Eggenfelden ("Little Shop of Horrors"), singt im Bregenzer Festspielhaus "die Sonne", sie verdient Geld in Gala- und Showbands.