gustav
Eva Jantschitsch
Die Wiener Medienkünstlerin widmet sich längst überholt geglaubten Themen der 68er Bewegung. Und dazu lässt sie sogar die Hymne der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wiederauferstehen. Natürlich singt da heute niemand mehr mit. Und trotzdem bestreitet sie vehement, dass ihre politische Musik wirkungslos ist.
Eine Laptopliedermacherin hat man sie genannt. Ein Titel, der ihr gefällt. Sie sympathisiert mit den Globalisierungskritikern von Seattle und Genua. Auch wenn sie nie zugeben würde, dass ihre Musik ein wunderbarer Soundtrack für die Bewegungen wäre. Und Feministin ist sie auch.
Als sie mit anderen Musikern gearbeitet hat, wurde sie oft auf die Rolle der Sängerin reduziert. Sie nennt ihr Projekt Gustav, damit es nicht sofort als das einer Frau abgewertet wird. Nach Konzerten wird immer noch gefragt, wo denn der Gustav sei. Ihr Feminismus ist ein Grund, warum sie alles alleine macht, die Musik, die Texte, die Aufnahmen.
Gustav: "Solange du einen Typen auf der Bühne oder auch im Prozess des Songentwicklens dabei hast, wird die künstlerische und gestalterische Kompetenz automatisch, und das ist jetzt gar nicht anklagend gemeint, sondern das ist anerzogen, so ein Blick, an das männliche Mitglied gedeutet."
Umdeuten – das ist ihr Konzept. Bildern, Begriffen, Parolen eine neue Bedeutung geben. Sei es der Kitschgemütlichkeit oder den Parolen verblasster Bürgerbewegungen. Gustav alias Eva Jantschitsch tut nur so, als meinte sie es ironisch. Gerade das macht ihre Musik so spannend.
REVIEWS
Hans Plesch für ZORES auf Radio Z
Was machte Eva Jantschitsch eigentlich so in letzter Zeit? – Theatermusik zum Beispiel oder auch ein queeres Projekt mit Sissy Boyz und SV Damenkraft namens Orlanding the Dominant frei nach Virginia Woolf. Und - endlich! - die zweite Veröffentlichung.
We shall overcome war einmal. Jetzt folgen Abgesang, Abbitte, das Abschwören, Auto da fe, das Einstimmen in den Chor - der Vögel (Hör ich da Aristophanes - oder Wilhelm Busch?).
Und alles falsche Fährten, gelegt aus dem Weg aus der Stadt. Und vorher nochmal TV gesehen, Unvorhersehbares erhofft und imaginiert. Nix da: Unterhalten ist nach wie vor überwiegend Zerstreuen ist Zersetzen jedweden kritischen Potentials, gerne weitergeführt im Popbusiness unter Einvermarktung so gut wie aller erarbeiteten Differenzen. Soweit viele Worte um ein nichtsdestotrotz differenziertes, wortspielverliebtes, Kritik verhandelndes Album: Verlass die Stadt von Eva Jantschitsch, aka Gustav. Ich gebe zu, ich habe es herbeigewünscht und jetzt bin ich sehr erfreut. Musikalisch hat sich die Bandbreite übrigens um Einiges erweitert - ob das am Vergnügen Gustavs liegt, bei Chicks on Speed Labelmate von Kevin Blechdom zu sein?
Die Phrasendreschmaschine läuft in den Medien unüberhör- und -lesbar 24 Stunden auf Hochtouren und bei jeder Umdrehung kann mensch wissen: Es geht um Mehr für Wenige und Abbau für die Vielen, um Vereinzelung von möglichen Kollektiven, um Rechts- und Mitwirkungsverluste, die von den publizistischen Agenten des Kapitals als folgerichtig und notwendig geschminkt werden. Mit Popsongs ist dem nur am Rand beizukommen, aber die Kontextualisierung im Rahmen von sing- und tanzbarer Musik verhindert
möglicherweise die immanente Narkotisierung durch Einbettung der Forderungen in wirtschaftspolitischen Verlautbarungsjargon. In Songs wie Total Quality Woman und Soldat_in oder Veteran geraten die Worthülsen ins Tanzen und entblössen dabei ihren unzumutbaren Kern. Die Texte stehen zumeist am Anfang von Gustavs Songs, speisen sich aus umfangreicher Lektüre und offenen Ohren, sicher unsystematisch, aber reflektiert.Und es sind keine holzgeschnitzten Agitpropstücke geworden, sondern Songs mit Flow, musikalisch auch im minimalen opulente Lieder, voller Uneindeutigkeiten und überraschenden Bildern. Überhaupt die Musik: Gustav verkleidet ihre Texte auch in swingende Bigbandsounds oder untermalt den Weltuntergang mit einer Blaskapelle (Trachtenkapelle Dürnstein). Und sie spielt und hantiert ausser mit Worten mit: Synthies und Orgel, Geige, Akkordon, Flöten & Tröten, Ukulele, E-Bow...gelegentlich assistiert von Oliver Stotz (git), Elise Mory (p) u. Manfred Hofer (b).
Es zahlt sich manchmal doch aus, von den Eltern mit mehr oder weniger sanftem Zwang zum Instrumentalunterricht (hier: Geige) angehalten worden zu sein. Ach ja. Bei allem glanzvollen, lustvoll abwechslungsreich instrumentierten Sound des Albums bleibt ein Ton von - natürlich - Unbehagen, Desaster und Verzweiflung. Der Lack ist dünn und schneller ab, als es lieb sein kann. "Das Leben ist kein Wunschkonzert". Aber es gibt mentale Abhilfe in Form der unheimlichen Hymne "Alles renkt sich wieder ein / Irgendwann geht es vorbei".
Und ist nicht so gemeint. Ausser vielleicht in Wien. Dem Rest der Welt bietet Gustav mit Verlass die Stadt einen abwechslungsreichen Blick in Triften und Abgründe und auf Lebensumstände vor allem des kapitalistischen Westens. Und es kommt so packend und griffig daher, das auch beim zerstreuten Zuhören sich Textzeilen ins Gehirn fräsen müssten und Gedanken Funken schlagen. Und dann? Sich des Funktionierenmüssens gewahr werden? Der festgeschriebenen Geschlechterverhältnisse? Damit könnte mensch ja anfangen. Und die Musik spielt dazu, ohne abzulenken, sondern als Kraftquelle. Wie die Gustavs eben oder anderer intelligenter Popmusik.
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:::::::::::::::::::::::::::concert reviews / htmlized :
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intro 2008 Nicht für Omar, nicht für Sushi
26.05.2008, Berlin, Festsaal Kreuzberg
Der Blumenstrauß hat gefehlt. Und vielleicht noch ein purpurroter Samtvorhang, der am Ende mit weichem Schwung die Wunderwelt der Bühne verschließt und das Publikum in den Alltag entlässt, verzaubert, belehrt, geläutert. Abgesehen davon wurde bei Gustavs Konzert im Festsaal Kreuzberg alles geboten, was einen Theaterabend perfekt macht. Eine strahlende und umjubelte Hauptdarstellerin am Mikrofon, zwei StatistInnen hinter Keyboards und an der Gitarre, der höfische Knicks, wohlwollende Gesten in Richtung des Ensembles, eine dramaturgisch durchdachte Aufführung. All das war da. Genauso wie die Nachdenklichkeit, das Lachen, die großen Themen Tod und Leben.Gustavs Musik stellt eine Frage: Wo soll man sich noch einrichten, wenn überall Unbehagen ist? In der Stadt genauso wie im Wald vor lauter Bäumen, im Anforderungsdschungel der Arbeits- und Dating- und Disziplinierungswelt. Gustav selbst hat ihre Antwort gefunden, auch wenn sie sie nur im Modus des Zweifels, der Widersprüche und mit hinter Charme versteckter Ironie erzählen mag und nicht etwa hinausposaunt. Sie richtet sich ein in der Verneinung, in der Gegenbewegung, in der Geste. Da darf es nicht wundern, wenn ihr Konzert als perfekt choreografierte Inszenierung auf die Bühne kommt.
Als Overtüre schickt Gustav eine Warnung in den Festsaal: 'Das Leben ist kein Wunschkonzert', der heutige Abend schon gar nicht, ich spiel nicht für euch, ich bin nicht eure Stimme, was erwartet ihr denn? Dieser Modus der Negation lässt für eine Konzertsituation Großartiges erwarten. Doch Gustav setzt vom ersten Ton und von ihrem ersten Blick an alles daran, diese Warnung wiederum zu negieren. Die zärtliche Bestimmtheit, mit der sie "nicht für Omar, nicht für Sushi, nicht für Elisa" singt, meint genau das Gegenteil. Dem dritten Song schon stellt sie eine Widmung "für" jemanden aus dem Publikum voran. Dass ein bisschen in der stickigen, erhitzten Luft des Festsaals hängen bleibt, ob auch das Strategie ist oder bloß Nonchalance, macht gerade die Gustavmagie aus. Wie leise sie Widersprüche doch hinauszuflüstern vermag. Etwa wenn sie einen "knallharten Protestsong" ankündigt und ihn dann ausgerechnet in zarter Folkloretracht in den Saal schleichen lässt. Sogar das Megafon, bewährtes Rotzrebelleninstrument, das sie kurz vor dem Einsatz jedes Mal demonstrativ, warnend in die Höhe streckt, benutzt sie (im Titelsong ihres neuen Albums 'Verlass die Stadt') wie für eine Liebeserklärung. Sie haucht, flüstert, schmachtet. Und sie beweist so mit jedem neuen Lied, wie gemütlich, ja wie Kleinkunst-heimelig man es sich in der Verweigerung einrichten kann. Am schrecklichsten und zugleich am angenehmsten ist dieses Gefühl, an dem außen rum immer auch eine etwas schleimige Schicht Ekel dran ist, in der Ballade 'Alles renkt sich wieder ein' aufgehoben: "Der Schmerz tut weh, und es wird besser."
Die Antwort, die Gustav auf die Frage nach dem Unbehagen gibt, lässt sich nicht in einen einfachen Lehrsatz packen. Um wirklich zu verstehen, was sie auf der Bühne doch so vorbildlich artikuliert, muss man nicht nur genau zuhören, sondern auch noch selbst nachdenken. Es passt, dass Gustav bei all ihrem Charisma stets auch ein bisschen Lehrerinnencharme ausstrahlt. Sie inszeniert ihre Songs mit ausgestrecktem Zeigefinger. Der zeigt auf Pointen, auf wunde Stellen, auf dich und mich oder auch ins Nirgendwo. Das Publikum verharrt im Staunmodus. Bestuhlung wäre ideal gewesen, denn die meisten, brüchig gebauten Songs halten ein Mitwippen sowieso nicht aus. In den szenischen Pausen gibt es dafür frenetischen Jubel. Damit holt man Gustav auch nach den Zugaben noch einmal ans Mikrofon. Sie spielt nichts mehr, bedankt sich bloß. Und dasselbe machen die Menschen im Publikum, die sich freuen, dass auf der Bühne so schön gespielt wurde - nicht für sie.
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schorndorfer nachrichten / mai 2008 Liedermacherei mit dem Laptop
Von unserem Mitarbeiter Michael RiedigerSchorndorf. Eine Frau, die sich Gustav nennt, die als Retterin des feministischen Protestsongs gilt (gab’s den überhaupt vorher?), die von der österreichischen Musikindustrie den Amadeus Award und für ihr zweites Album „Verlass die Stadt“ durchweg euphorische Kritiken bekam - lauter gute Gründe für einen guten Besuch des Konzertes in der Manufaktur.
Andererseits: Gibt’s etwas Unspektakuläreres als eine „Laptop-Liedermacherin“? Als solche wurde die Wienerin Eva Jantschitsch alias Gustav apostrophiert, und eine solche will sich beim Manu-Konzert in Schorndorf dann doch nur wieder der bekannt kleine, aber feine Kreis von Popspezialisten angucken.
Dabei liegt in der Vorstellung einer Liedermacherei am Laptop auch ein Versprechen: der Verknappung und Fokussierung auf das Nötigste, wegen des Vorsprungs durch Technik, der uns die üblichen sentimentalen Schnörkel einer herkömmlichen Instrumentierung erspart. Bei möglichst erhalten gebliebener Komplexität, versteht sich.
Dass Gustav mit Band antritt, fördert allenfalls die Intensität ihrer Darbietung. Dass Keyboarderin Elise Mory den Grundstein für eine funktionierende, faszinierende Live-Elektronik legt, dass der Bassist und Gitarrist Oliver Storz mit seinen E-Saiten immer einen Tick hinterherjagt. Und dass auf der Bühne eine Interaktion und Kommunikation untereinander stattfindet. Alles dem dichten Klangbild förderlich, zu dem Gustav, die Medienkünstlerin, ihre Songideen strukturiert.
Aber im Mittelpunkt steht doch das Konzept von Klang, Ideen, Texten. Die Aussage, wenn man so will. Nicht die musikalische Ausarbeitung. Diese ist stilistisch sehr unterschiedlich, springt von Genre zu Genre, bisweilen höchst originell, etwa wenn das Trio in einem Stück mit Akkordeon, Melodica und Ukulele sich im (analogen) Folk- oder Chanson-Idiom zu platzieren scheint. Oder wenn es einen Song der Crossover-Rocker Rage Against The Machine runterfährt auf eine Art Chill-Out-Version, mit Betonung von Melodie und Refrain. Oder wenn Gustav in Roboter-Bewegungen mit Breakdance-Anflug zu maschinenhaft klappernden Kraftwerk-Beats dem Rhythmus huldigt, eine Verkörperung seiner ureigensten Choreografie und sozusagen anti-intellektuell. Was dann freilich von den Texten wieder berichtigt wird, die auf Englisch oder Deutsch, in Slogans oder Schüttelreimen und manchmal sogar per Megafon urbane Befindlichkeiten ansprechen und, natürlich, Geschlechterrollen.
„Ziemlich heiß, der Computer“
„Ziemlich heiß, der Computer“, sagt Gustav einmal, nach einem besonders langen Stück, das ihren Sprechgesang mit immer dichter werdenden Elektro-Beats und immer stärker hämmernden Akkorden unterlegt.
An anderer Stelle singt sie geradezu jubilierend, mit warmer, „schöner“ Stimme „she’s the cultural ingenieur“, das Stück heißt „Total Quality Woman“, die emanzipierte Protagonistin schwingt leicht mit den Hüften, die Bewegungen werden zunehmend puppenhaft, die Sounds geradezu putzig, bis sie zunehmend in „Chaos light“ ausfransen. Da gibt’s Schwelgend-Schunkelndes oder abgehackt Artifizielles - und dann diese Texte!
Ganz zu Anfang, in „Happy Birthday“ vom neuen Album, hält Gustav das Textblatt in der Hand und verliest Zeilen wie „Das Leben ist kein Wunschkonzert, oh nein“, worauf ein endloses Namedropping folgt, eine minutenlange Liste von Vornamen. Ganz schön mutig, ein abwechslungsreiches, sehr farbiges Programm derart monoton zu eröffnen.
Aber die Frau mit dem männlichen Künstlernamen weiß sich durchzusetzen - und das über alle Rollen und Erwartungen hinweg.
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Mannheimer Morgenpost juli 2008 Gustav opponiert mit ihrer Band brillant im Karlstorbahnhof - das Ergebnis: nichts weniger als eines der besten Konzerte der Popsaison. Profil: Protestsaengerin, qualifiziert und rauchend
Es sei gleich davor gewarnt, dass die folgenden Zeilen regulaeren Gutmenschen und Rauchverbotsfreunden vielleicht ein wenig an den Nerven kratzen koennten. Aber wie dem auch sei, hier geht es um nichts weniger als eines der besten Konzerte, die wir in diesem Jahr zu sehen bekamen. Gustav und Band spielten im Heidelberger Karlstorbahnhof und haben dabei unser Herz gewonnen.
Gustav, das ist die Wiener Kuenstlerin und Musikerin Eva Jantschitsch, die mit ihrem zweiten Album "Verlass die Stadt" gerade dazu angesetzt hat, die Welt jetzt wirklich mal ein ordentliches Stueck zu verruecken. Die Preistraegerin des Amadeus Austrian Music Awards macht es gleich zu Konzertbeginn klar: "Wir sind qualifiziert. Ja, da lachen sie meine Lieben, aber wir wissen es." Zusammen mit Elise Mory am Keyboard und Oliver Stotz an der Gitarre rast die oesterreichische Songheroine mit ihrem Laptop-Soundpaket durch musikalische Stile und Sparten, dass es einem schwindlig wird. Und man manch anderen elektronischen Gesangsaspiranten der letzten Jahre verschaemt von seiner Playlist streichen moechte.
Sauber positioniert sich Gustav mit intelligenten Texten abseits von unreflektierter Globalisierungskritik und platter Konsumabsage ohne dabei das Protestzepter aus der Hand zu geben. Songs wie "Total Quality Woman" oder die knarzig bretternde TV-Analyse "Neulich im Kanal" spielen mit zeitgenoessischen Rollenmodellen und sind musikalische Patchwork-Schmankerl, die einem ordentlich durch die Knochen fahren.
In kraftvollen 70 Minuten spielt sich Gustav durch das neue Album, covert bewegend "Sleep now in the fire" von Rage against the Machine und zur entspannten Zugabe mit Feierabendzigarette auf der Buehne. Den "Nichtraucher"-Hinweis des Saalwaechters kontert Gustav mit einem charmanten "Ja, so etwas sagt der Intendant, aber in meinem Berufsprofil steht Protestsaenger" und setzt sich dann mit der Ballade "Alles renkt sich wieder ein" herzzerreissend fuer die Erfuellung unser aller Gluecks ein. Ein gefluestertes "Spiesser" kann sie sich nicht verkneifen, tritt mit der letzten Zugabe noch beinahe liebevoll nach: "In Linz gibt es viel Polizei/und trotzdem bin ich allein". Herrlich. Bernd Mand
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Stuttgarter Zeitung Mai 2008 Katastrophensehnsucht
Gustav in der Schorndorfer Manufaktur Die Jungs von Tocotronic und Kettcar sollen ruhig zu vorgestrigem Rock von ¸¸Kapitulation" schwadronieren. Aus Wien kommt jetzt das gar nicht coole, sondern engagierte und abgründige Gegenprogramm zur neuen Waschlappigkeit im deutschsprachigen Indie-Mainstream. Gustav heißt das Trio, das am Mittwochabend in Schorndorf noch ein Geheimtipp zu sein scheint, wo andernorts schon in Elogen von Popstar-Potenzial gemunkelt wird. Gustav ist aber nur auf Tour eine Band. Gustav - hinter diesem Künstlernamen verbirgt sich die in Wien lebende Medienkritikerin, Polit-Aktivistin und Multiinstrumentalistin Eva Jantschisch, die 2005 für ihr umwerfend listiges Debütalbum ¸¸Rettet die Wale" gleich mit dem Amadeus Award ausgezeichnet wurde. Die Lieder ihres gerade erschienenen zweiten Albums ¸¸Verlass die Stadt" erzählen von Architekturkritik und Apokalypse, von unbezahlter Reproduktionsarbeit von Frauen und Medien-Zynismus. Es sind unmissverständliche, böse, pointierte Texte von hoher Qualität, die an Georg Kreisler oder Bertolt Brecht erinnern, während Gustav sie in Elektro-Beats, metallische Robert-Fripp-Gitarren-Sounds oder zuckersüße Schlagermelodien bettet und auf der Bühne kraftvoll und überlegt inszeniert, dass alle Niedlichkeiten des Alphamädchen-Feminismus vom Tisch gewischt werden. Die künstlerische Strategie, dem Publikum das linksradikal-feministische Gift als Praline getarnt zu verabreichen, ist nicht neu; an solche Rollenspiele mit Identitäten erinnert man sich noch von den frühen Talking Heads, von Gang of Four und den Au Pairs, aber Gustav scheint das erfrischende Spiel mit der Subversion wieder wagen zu wollen, wenn sie zu traditioneller Blasmusik gesteht: ¸¸Ich habe eine Sehnsucht nach der nächsten Katastrophe, denn wenn wir gemeinsam leiden, fällt dieses Unbehagen ab." Das Lied trägt übrigens den Titel: ¸¸Alles renkt sich wieder ein". ukr
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