Wer kennt ihn nicht, den bayrischen Kabarettisten GERHARD POLT mit ausgesprochen handfesten, teils knallhart realistischen und sprachlich höchst raffiniert ausgefeilten komischen Dramoletten über das Tun und Lassen der Menschen?! In unserem speziellen Fall rund um Advent und Weihnachten... Dazu das Ensemble "WhyRauch" in der Besetzung Klarinette, Trompete, Akkordeon, Percussion und Didgeidoo. Sein Programm hat den einfachen Anspruch, Weihnachtslieder einmal anders zu interpretieren. Die untypischen Rhythmen und Klangfarben versprechen ein still dröhnendes Hörerlebnis.
Seit längerer Zeit besteht eine enge Zusammenarbeit mit GERHARD POLT und denTirolern Musikern von Whyrauch, mit denen er immer wieder gemeinsam auf Tournee ist
Helmut Sprenger: Klarinetten,
Martin Flörl: Trompete, Didgeridoo,
Wolfgang Peer: Akkordeon
Gerhard Gruber: Percussion.
Die erste gemeinsame CD "Dröhnt es leise" entstand im Jahr 2004.
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Im Grantel-Universum
"Apokalypsen". Ein polterndes Hörbuch.
Wenn die Sprechmaschine angeworfen ist, gibt es kaum noch ein Halten: Das bayerische Urvieh Gerhard Polt kommt mit neuen "Apokalypsen" daher – und alles ist so, wie es immer ist. Gut so.
Der Berti, das war schon einer, findet Gerhard Polt. Der hat schon immer gewusst, wie es geht. Sonst wäre er bei der Allianz ja auch kein so hohes Tier geworden. Und jetzt ist er tot. 2,4 Promille soll er gehabt haben. Das ist jetzt nicht in dem Sinne unbedingt wenig, aber wenn man den Berti gekannt hat, so viel auch wieder nicht. Und überhaupt hat das auch mit den Sparmaßnahmen zu tun.
Denn Sparmaßnahmen bedeuten konkret: Sie salzen nicht mehr, sie streuen nicht mehr, und ganz so flache Kurven wie früher bauen sie auch nicht mehr. Das bringt einen dann halt irgendwann um. So wie den Berti, der schon immer geschäftstüchtig war und seinen Weg gemacht hat. Der hat sogar damals diesem Flüchtlingsmädchen, der Kuschulcka oder wie die hieß, einen Zungenkuss gegeben. Den hat's vor nichts gegraust. So kommt man voran.
Man könnte sagen, dass das alles nicht sonderlich originell sei. Vielleicht. Aber wenn Gerhard Polt, der mit Fug und Recht als bayerisches Urvieh bezeichnet werden darf, erst einmal ins Reden kommt, wenn die bajuwarische Sprech- und Assoziationsmaschine angeworfen ist, gibt es kaum noch ein Halten, und der Witz kommt ganz von allein. Und das muss man erst einmal hinbekommen.
"Apokalypsen" heißt das neue Werk des mittlerweile 66-jährigen, im Wallfahrtsort Altötting geborenen Polt, und der Titel ist glänzend gewählt. Gut eine Stunde lang entwickelt Polt in zehn Sprechstücken kleine Privathöllen. Die Stücke sind Mitschnitte von Live-Auftritten; Polt braucht das Publikum als direkten Ansprechpartner, dem gegenüber er sich der Richtigkeit seiner Thesen versichern kann. Die Zuhörer lachen. Polt nur selten, und wenn, dann ist es ein kurzes, schrilles Kichern.
Es heißt, Gerhard Polt schaue dem Volk aufs Maul. Das stimmt, und es kann nur so gut funktionieren, wenn man selbst Teil dieses Volkes ist. Das ist die Doppelrolle, die Polt spielt. Er hat genau zugehört und bastelt daraus Realsatiren. So treten unter anderem auf: ein mit Trüffeln vollgestopfter Besserverdienender ("damit hab' ich kein Problem"), der "den Negern" in Südafrika Hilfe zur Selbsthilfe geben will, um die Fußballweltmeisterschaft auf die Beine zu stellen, und sich über die Verschwendungssucht von Spionen ärgert, die Polonium benutzen, um zwei Leute um die Ecke zu bringen ("Rattengift hätte es auch getan").
Oder ein Metzgermeister, der sich im Besitz eines von Mozart unterschriebenen Schuldscheines wähnt. Oder auch der Mann, der über Hitler nichts Schlechtes sagen kann (außer dass das mit dem Röhm-Putsch vielleicht ein Fehler war), weil Hitler damals im Café so nett "duziduziduzi" zu ihm, dem Erzähler, gesagt habe, der seinerzeit noch im Kinderwagen lag. Ganz normal habe er das gesagt, mit ganz normaler Stimme, nicht so wie später.
Sie alle vereint Polt in seinem Grantel- und Aufklärungsuniversum. Es mag nach all der Zeit, nach all den Jahren Bühnenpräsenz, nicht immer neu sein, was uns dort begegnet. Aber es ist zumeist ziemlich wahr.
Humor - das ewige Rätsel
(Süddeutsche)
"D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", meint Gerhard Polt. Der Kabarettist spricht über Kasperl, Stoiber und das Komische als solches - beim Weißwurstessen mit SZ-Redakteur Hermann Unterstöger.
Fragt man Gerhard Polt am Telefon nach dem Wesen des Humors, sagt er "Mei" oder "Ja mei", und wenn man in den Schwingungen seiner Stimme, diesem unverwechselbaren Timbre, einigermaßen zu Hause ist, hört man unschwer heraus, was der Mann damit ausdrücken will.
So gesund will ich sein, heißt das, wie ich nicht weiß, was das Wesen des Humors ist, und ich bin einmal gespannt, wie viele von euch Presseleuten diesen Fasching von mir noch den Humor erklärt bekommen wollen, aber andererseits soll man ja nicht so sein, meine Kollegen erklären schließlich auch immer den Humor, ohne die geringste Ahnung von seinem Wesen zu haben, ja oft ohne über ihn selbst zu verfügen, also red ich halt mit dem Kerl, vielleicht kommt ja was Lustiges raus dabei. Dies die Übersetzung von "Mei"; die von "Ja mei" wäre noch ein paar Zeilen länger.
Polt sagt also "Mei", und weil er ein freundlicher Mensch ist, fügt er hinzu: "Kimmst halt, dann redn ma a weng, und wennsd magst, bring i Weißwürscht mit, aus Miesbach, und a paar Brezn bring i aa mit, und a Weißbier hol ma uns beim Wienerwald, und nacha redn ma halt, wennsd moanst."
Das ist ein Wort. Zur verabredeten Zeit hat Polt schon alles besorgt, pro Nase zwei Weißwürste und zwei zusätzliche, die aber nicht zum Verzehr vorgesehen sind, sondern folgenden unentbehrlichen Dialog hervorrufen sollen: "Magst zwoa Würscht oder drei?" - "Zwoa." - "I aa." - "Weil bei da drittn miassat i schbeim.'' - "I fei aa." In den Kühlschrank also mit den überzähligen. Polt erinnert eindringlich daran, dass ins Weißwurstwasser zwei, drei Scheiben Zitrone gehören. Ins Knödelwasser übrigens auch.
Der Preis und sein Träger
Nach den Würsten erörtert Polt den Humor, und man kann jetzt schon sagen, dass seine Rede dem Mäander gleicht, der einmal hierhin fließt und dann wieder dorthin und der unter den anderen Flüssen deswegen wahrscheinlich als vergleichsweise konfus gilt.
Schön ist er aber schon, der Mäander, und man sollte sich darum hüten, die ihm gleichende Poltsche Rede durch sogenannte zielführende Fragen zur Stringenz zu nötigen. Immerhin gibt es einen Anlass, sie ins Fließen zu bringen. Polt hat vor ein paar Tagen den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor bekommen, und nun sagt er etwas, was er schon ein paar Mal gesagt hat: "Unerbittlich suchen sich die Preise ihre Träger."
Er will das nicht als preiskritisch verstanden wissen, sondern im Sinne des von Karl Valentin formulierten Paradoxons: "Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich - merken Sie sich das." Wie das genau auf den Preis anzuwenden ist, bleibt in jener Schwebe, die Polts eigentlicher Ort ist und auf der sich außer ihm nur wenige mit Anstand und Grazie halten, geschweige denn bewegen können.
Wenn Humor so etwas ist wie heitere Gelassenheit gegenüber den Unbilden des Lebens, dann hat ihn Polt in hohem Maße. Er bleibt bei der Unbill, den Humor beschreiben zu sollen, absolut locker, schaut zum Senfglas, als säße der Humor da drin, und versucht ihn von außen einzukreisen.
Die Ironiebegabung, doziert er drauflos, sei nicht besonders ausgeprägt. "D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", sagt er und vergewissert sich mit einem Seitenblick, dass wir uns einig sind: Das ist ja schon mal was. Polt ist der Ansicht, dass man, Begabung hin oder her, den Sinn fürs Komische wecken und fördern sollte, und zwar schon in der Schule.
"Warum hat das Tragische einen Stellenwert und das Komische nicht", fragt er mit anklagender Gebärde, "und warum haben die Politiker immer die vorderen Seiten, auch bei seriösen Zeitungen?" Wieder ein Seitenblick. Er könnte bedeuten: No ja, des wirst du net ändern, da hast du den Arsch z' weit untn.
Um davon abzulenken, empfiehlt es sich, Polt einen Köder hinzuwerfen. Ob er Herbert Achternbuschs sowohl in der Wurst- als auch in der Humorsphäre verankertes Theorem kenne: "Was is scho lustig? A Bratwurst is lustig!"
Nein, erwidert Polt, steigt aber sofort in die Materie ein und sagt, dass es dabei auf die Perspektive ankomme, so ähnlich wie beim Kasperl, der das Krokodil nicht sieht und sich wundert, warum die Kinder, die es sehen, vor Schreck und Gaudi quietschen. Oder, um auf dem Nahrungssektor zu bleiben, etwas Vergleichbares beim Faschingskrapfen: "Du siehgst an Unschuldigen neibeißen und woaßt, glei schiaßt da Baaz raus."
Von hier aus ist es nur ein kurzer Weg zu der Frage, ob Humor einen Zwang ausübe. Man sage ja: "Ich habe lachen müssen", was schon seiner Mutter widerfahren sei, als sie vor Jahr und Tag mit zwei Freundinnen am Odeonsplatz war und Hitler reden hörte. Die drei Mädchen hätten lachen müssen, das aber nicht gedurft, was ihnen klar wurde, als ein Ordner kam und sie anfuhr: "Jetzt wenns net aufhörts, kriagts a Fotzn!"
Da seien sie dann doch lieber gegangen. Polt hängt an dieser Stelle einen Exkurs über Edmund Stoibers Redekunst an, nicht um einen unzulässigen Vergleich mit der des "Führers" anzustrengen, sondern um aus der Praxis des Kabarettisten zu beteuern, dass Stoibersche Reden in aller Regel nicht lustig seien, aber lustig geschildert werden könnten.
Einmal im Lauf des Gesprächs rückt Polt mit dieser Definition heraus: "So, wia da Alkohol a Geschmacksträger is, so is da Humor a Erkenntnisträger." Da er am Abend im Residenztheater aufzutreten hat, kommt der Geschmacksträger Alkohol nicht zu seinem Recht, und so hat denn auch der Erkenntnisträger Humor nicht den Spielraum, den er vielleicht bräuchte.
Man verabschiedet sich: "Du, da redn ma gscheida a anders Mal drüber." - "Genau, aber wieder bei Weißwürscht." - "Des sowieso." - "Servus nacha." - "Hawediehre."
GERHARD POLT:
Die CSU wird Bayern überleben
ein SPIEGEL INTERVIEW
Der Schauspieler und Kabarettist Gerhard Polt über bayerische Besonderheiten und das Verhältnis von Humor und Politik
SPIEGEL: Herr Polt, allerlei Größen in Wirtschaft, Politik, Kultur und vor allem die Einheimischen selbst sind überzeugt, daß Bayern dem nicht-bayerischen Rest Deutschlands in fast allem voraus ist. Woran liegt das?
Polt: Für die Landeshauptstadt ist das relativ eindeutig. Der ehemalige Wirtschaftsminister Anton Jaumann hat gesagt, Venedig sei der natürliche Hafen Münchens. Diesen Standortvorteil können Hamburg oder Köln nicht bieten. Außerdem profitieren wir vom Exoten-Bonus. Der bayerische Dialekt kommt halt gut an. Aber dafür können wir nichts. Der Tscheche kann ja auch nichts dafür, daß seine Sprache mehr Zischlaute hat und daß im Italienischen das Verhältnis zwischen Vokalen und Konsonanten günstiger ist.
SPIEGEL: Wie unterscheidet sich die bayerische Mentalität vom Wesen der Hamburger, Berliner oder Kölner?
Polt: Ich neige dazu, und zwar sehr stark, den Begriff Mentalität zu meiden. Ich weiß natürlich, daß der Schwede den Obatztn nicht kennt ...
SPIEGEL: ... eine bayerische Käsespezialität ...
Polt: ... und daß viele Italiener den Obatztn ebenfalls nicht kennen und gar niemals kennenlernen wollen. Aber ich weiß auch, wie schwer es ist, einem Isländer zu vermitteln, was es bedeutet, in dem katholischen Wallfahrtsort Altötting aufgewachsen und Ministrant gewesen zu sein. Das ist genauso schwer wie die schwedische Faszination für Knäckebrot zu erklären. Man muß den Schweden gesehen haben, wie er mit Begeisterung in ein Knäckebrot beißt, und auch dann ist nicht gesagt, ob das auf einen, der mit Schweinsbraten aufgewachsen ist, ansteckend wirkt.
SPIEGEL: Ihr Landesvater Edmund Stoiber ist besonders stolz auf die hier angesiedelten modernen Technologien. Er sagt unter Anspielung auf Silicon Valley, Kalifornien passe zu Bayern wie der Chiemsee zu den Alpen. Was sagen Sie dazu?
Polt: Wenig. Das soll wohl weltmännisch und zukunftsorientiert klingen. Solche Floskeln hat der Strauß schon vor 20 Jahren verbreitet.
SPIEGEL: Worauf führen Sie denn die Potenz Ihres Heimatlandes zurück?
Polt: Es gibt Leute, die sagen, das liege an den vielen Sudetendeutschen und Schlesiern, die Bayern geworden sind und dieses Land auf Vordermann gebracht haben.
SPIEGEL: Die Ethnologie ordnet den Bayern gewisse phänotypische Stärken zu: Die Tendenz zur Breitschädeligkeit, Leibesfülle und vor allem auseinanderstrebende Vorderzähne begünstigten den Aufstieg in der Stammeshierarchie.
Polt: So sah beispielsweise der Schriftsteller Oskar Maria Graf aus. Der hat es in den dreißiger Jahren bis nach New York geschafft und es leidenschaftlich abgelehnt, Englisch zu lernen. Er trug Lederhosen und richtete da drüben einen bayerischen Stammtisch ein, mit Maßkrug und allem Drum und Dran.
SPIEGEL: Selbst der höchste Mann im Staate, Bundespräsident Herzog, stammt aus Bayern.
Polt: Das hat mich damals sehr gewundert, daß ein Bayer so ein seriöses Amt übernehmen kann. Denn als seriös gilt der Bayer nicht. Er hat seinen Platz, wo Politik als Theater verstanden wird. Das Bayerische hat etwas Unterhaltsames. Vielleicht etwas Spektakuläreres als das Mecklenburgische. Aber wenn es ernst wird, sagen die Leute doch normalerweise: Spaß beiseite.
SPIEGEL: Sie sind gewissermaßen ein alternativer Landesvater.
Polt: Na, na, bestimmt net.
SPIEGEL: Keine falsche Bescheidenheit. Machen Sie sich manchmal Sorgen um Ihr Land?
Polt: Nein. Voll der Zuversicht. Wenn ich lese, daß die Nordkoreaner den Persern eine Mittelstreckenrakete bauen, leben wir in Bayern doch wie in der Schweiz. Wenn ich mich ausruhen will, wechsle ich beim
Zeitunglesen vom Politik- in den Bayernteil. Mit Begeisterung studiere ich den "Miesbacher Merkur", da vergißt man Nordkorea sehr schnell.
SPIEGEL: Seit über drei Jahrzehnten kann sich dieses Land darauf verlassen, von der CSU regiert zu werden. Wie erklären Sie sich diese in Deutschland außergewöhnliche Kontinuität?
Polt: Ich staune selbst. Es gibt hier wirklich singuläre Phänomene, die mir weitgehend unerklärlich sind. Der Verkehrsminister Wiesheu beispielsweise. Der hat erst im Vollrausch einen Menschen totgefahren, dann den bayerischen Verdienstorden bekommen und ist anschließend Verkehrsminister geworden. Ich glaube, das ist ein in Europa einmaliger Event. Verstehen Sie
mich nicht falsch: Der arme Mann tut mir
* Wolfgang Krach, Bettina Musall in München-Schwabing.
leid. So etwas kann jedem passieren. Aber normalerweise wird so einer nicht mal mehr Trambahnschaffner. Und hier hat nicht einmal die Opposition protestiert.
SPIEGEL: Schon Lion Feuchtwanger hat gesagt: "Weißblau ist bayerisch, grün scheißen die Maikäfer." Gibt es in Bayern ein historisch gewachsenes Beharrungsvermögen gegen den Pluralismus?
Polt: Dieses Land war ja lange ein Agrarstaat. Ich will die Bauern nicht glorifizieren, aber diese Haltung, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden, gehört gewiß zur katholisch-bäuerlichen Mentalität. Dieser fatalistische Umgang mit dem Apokalyptischen, den es ebenso im Judentum gibt, nennt man ja auch Humor.
SPIEGEL: So unabänderlich ist die CSU-Herrschaft doch gar nicht. Es gibt ja noch andere Parteien.
Polt: Dieses Gefühl, es ist eh Wurscht, wen man wählt, gibt es auch anderswo. In Bayern sind die Leute nur konsequenter. Wenn es schon Wurscht ist, kann ich auch gleich bei derselben Partei bleiben. Ich habe einmal in der Wahlkabine gehört, wie jemand reinkam und ganz laut fragte: Wo is''n des da, wo man CSU wählt?
SPIEGEL: Welchen Fluch und welchen Segen hat die lange CSU-Herrschaft diesem Land gebracht?
Polt: Schwer zu sagen. Wir wissen ja nicht, wie das Land aussähe, wenn zwischendurch mal andere regiert hätten. Ich könnte jetzt behaupten, es gäbe mit Sicherheit das eine oder andere Moor noch, das eine oder andere Gebäude, den einen oder anderen Ausländer. Aber nehmen wir München, eine SPDregierte Stadt. Von Neapel aus betrachtet, wo Leben und Arbeiten noch nah beieinander existieren, hier eine Vespa-Garage, dort ein Tortenverkauf, da der Marktplatz und irgendwelche Jugendlichen schreien sich an - von da aus gesehen sieht München genauso steril aus wie irgendeine CSU-verwaltete Stadt in Niederbayern.
SPIEGEL: Sie bewegen sich gerne tief in die Geschichte hinein. Wie würden Sie einem alten Römer die CSU beschreiben?
Polt: Gewisse Errungenschaften, die die Französische Revolution gebracht hat, könnte er mit dieser Partei zurückdrehen.
Ich würde ihm raten, CSU zu wählen, weil
die Chance, daß wir wieder Sklaven kaufen können, dann größer wird. Nicht direkt als Besitz, aber er kriegt dann einen Menschen für fünf Mark die Stunde. Das wäre ein Bonbon für den Römer, denn den Römern lag sehr daran, günstig Sklaven zu kriegen.
SPIEGEL: Die Versuche anderer Parteien, die Gleichsetzung Bayerns mit der CSU zu sprengen, schlugen immer wieder fehl.
Polt: Parteien werden ja weniger mit dem Verstand als nach Gefühl gewählt. Darum läuft auch die SPD einem volkstümlichen Image nach und lädt zu Parteiveranstaltungen Marianne und Michael ein. Aber die CSU ist nun einmal das Original. Der ist es besser als anderen gelungen, bayeri-
* Im Juni beim Empfang zum 70. Geburtstag des Münchner Kardinals Friedrich Wetter (l.), rechts: der Mainzer Bischof Karl Lehmann.
sche Klischees zu symbolisieren. Was auch daran liegt, daß sie die Klischees selber miterfunden hat ...
SPIEGEL: ... wie den Slogan "Laptop und Lederhose". Wie paßt Stoiber in das CSU-Schema?
Polt: Perfekt. Wenn er in einem Labor posiert neben irgendeinem Virus und den hellen Trachtenjanker trägt, diesen flotten Sommer-Stoiber, dann finde ich, er hat den Karl-Valentin-Orden völlig zu Recht bekommen. Früher waren Streber unbeliebt. Es gibt den Spruch von Ludwig Thoma: Ein Einser-Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand. Aber dieses Anarchistische ist abhanden gekommen. Ich frage mich, warum die Leute beim Stoiber nicht viel mehr lachen. Stoiber-Reden auf Kassette, das ist doch besser als jedes Unterhaltungsfernsehen.
SPIEGEL: Sie lachen mehr über Stoiber als über Polt?
Polt: Können Sie etwa stundenlang über den SPIEGEL lachen? Na sehen Sie. Aber wenn da Menschen bei einer Stoiber-Rede stoisch vor ihrem Brathendl sitzen, aus Langeweile noch ein Bier und noch ein Bier bestellen, während er die Prozentangaben nur so über die Leute schwappen läßt, dieses Missionarische, das ist doch unglaublich komisch.
SPIEGEL: Was halten Sie von dem Imagewandel, den der Ministerpräsident in diesem Wahlkampf anstrebt, Stoiber als Sonnyboy mit Baseball-Kappe?
Polt: Solche Sachen lernt er wahrscheinlich vom Beckenbauer. Ich halte das eher für tragisch, denn die Grundidee des Stoiber ist ein Hit. Wir haben mal einen Test mit Handpuppen gemacht, welches Tier, Frosch oder Krokodil, symbolisiert die Grünen. Da gab es eine Figur, die bestand nur aus einem Trachtenanzug, den mußten wir nur hinhalten, und die Leute wußten, daß das Stoiber ist. Dieses Asketische ...
SPIEGEL: ... im Bierzelt trinkt er Salbeitee aus steinernen Maßkrügen.
Polt: Ich warte auf das Kochbuch von Frau Stoiber, damit man endlich weiß, was dieser Mann ißt. Und vor allem, was er alles nicht ißt.
SPIEGEL: Allen Globalisierungsbestrebungen führender Politiker zum Trotz bleiben die Bayern ihrem Hang zum Separatismus treu. Es gibt Stimmen, die fordern für den Freistaat einen eigenen Sitz in der EU oder der Uno, weil Bayern mehr Einwohner hat als manches Mitgliedsland.
Polt: Das zeugt von einem gesunden Selbstbewußtsein. So gesehen dürfte bei einem Fußball-Länderturnier gegen Uruguay nicht Deutschland antreten, weil Deutschland einfach zu viele Einwohner hat, sondern der Landkreis Miesbach.
SPIEGEL: Könnte eine Ursache für den Vorsprung Bayerns darin liegen, daß der Adel hierzulande so aktiv am bürgerlichen Leben teilnimmt? Die Frau von Prinz Etzel von Bayern etwa posierte schon vor Jahren im Quelle-Katalog für Miederwaren.
Polt: Tatsächlich sind diese Herrschaften in Bayern weitaus präsenter als in anderen Regionen. Ich dachte immer, wir seien eine Republik. Aber hier spielen die Durchlauchten, die Exzellenzen und so weiter durchaus eine öffentliche Rolle. Und sie werden sogar mit ihrem Titel angeredet.
SPIEGEL: Und alle, vom Prinzen Poldi über die SPD-Vorsitzende Renate Schmidt bis zu den Biermösl Blosn, identifizieren sich mit Brauch- und Volkstum.
Polt: Es ist doch eine wunderbare Sache, wenn jemand in der Lage ist, mit der Zither eine Musik zu spielen. Das ist eine unglaublich reichhaltige, schöne Musik, die es eben nur im Alpenraum gibt. Der Dialekt ist eine andere Möglichkeit, sich auszudrücken. Wenn ich mich erleichtern will, wenn ich vulgär sein will, wenn ich meine Wut kanalisieren will, kann ich das im Dialekt viel besser und leichter. Das hat etwas Befreiendes.
SPIEGEL: In Hamburg kämen die Leute nicht einmal beim Hafengeburtstag darauf, im Matrosenanzug herumzulaufen. Hier tragen selbst Ausländer und Kabarettisten Tracht.
Polt: Getreu dem Motto: Wie bringe ich einen Preußen zum Weinen? Indem ich ihm seinen Trachtenanzug wegnehme. Na und? Ich könnte nur verheimlichen, daß ich aus Bayern bin, wenn ich schwedisch reden würde. Aber warum sollte ich. In Schweden singen sie übrigens ungeniert: "Ich bin so froh, daß ich ein Schwede bin."
SPIEGEL: Die Kulturbeflissenheit des hiesigen Menschenschlags gilt allgemein als Standortvorteil. Der Ethnologe McCormack attestiert den Bayern ein Interesse an Kunst und Kultur, "das sich bis zur Neugierde steigern" könne.
Polt: Das gilt vielleicht für die sogenannte Hochkultur. Die wird von der CSU-Regierung üppig gefördert. Aber in Schwabing, gegenüber der Lach- und Schießgesellschaft, gibt es das kleine "Theater am Sozialamt", die machen wunderschöne, groteske Stücke und werden von den Kritikern gelobt. Trotzdem können sie kaum überleben.
SPIEGEL: Sie treten mit der Biermösl Blosn immerhin in den Kammerspielen auf.
Polt: Da hatte auch Franz Josef Strauß schon ein volles Haus. Nur Stoiber bekam bisher bedauerlicherweise kein Engagement.
SPIEGEL: Sie haben vorausgesagt, daß in 30 Jahren einige tragende Säulen des bayerischen Wesens verschwunden sein werden, darunter die "Süddeutsche Zeitung", die Biermösl Blosn und Sie selbst. Nur die CSU werde bestehen.
Polt: Es gibt ein Lied nach dem Motto: "Die Weltkriege kommen und gehen, die Hirschlederne bleibt bestehen!"
SPIEGEL: Nun könnte es aber sein, daß die CSU am kommenden Sonntag weniger als 50 Prozent der Wähler für sich gewinnt.
Polt: Lassen Sie es mich einmal so sagen: Die bayerische Idee, das Staatsvolk, der Ministerpräsident, das ist alles vergänglich. Aber die Grundhaltung, wie sie die CSU verkörpert, hat etwas wirklich Dauerhaftes. Die CSU wird Bayern mit Sicherheit überleben.