Eigentlich leben wir in einer Welt, in der sich Meldungen und Neuigkeiten binnen von Minuten verbreiten. In der es kaum noch kulturelle oder sprachliche Barrieren, geschweige denn echte Geheimnisse gibt. Eben, weil alles erschlossen, erkundet und verbreitet ist. Fast alles. Denn gerade in Sachen Musik scheinen die globalen Mühlen immer noch sonderbar langsam zu mahlen. Wie das Beispiel DobaCaracol verdeutlicht: Doriane Fabreg und Carole Facal sind zwei dreadgelockte Damen aus dem kanadischen Montreal. Die Musikhochburg der französischsprachigen Provinz Quebec, die nicht nur durch ihr berühmtes Jazz-Festival glänzt, sondern auch durch Bands wie Arcade Fire, sowie einer unglaublich vitalen Club-Szene, in der die unterschiedlichsten Stile und Spielarten kultiviert werden. DobaCaracol sind ein Spiegelbild dieser multikulturellen Stadt, ihrer Vielfalt und ihrer Offenheit. Schließlich lernten sie sich 1998 auf einem so genannten Rave kennen, traten zunächst mit traditionellen Folk-Songs auf und mauserten sich über die Jahre zur facettenreichen World-Beat/Ethno-Formation.
Mit vier weiteren, talentierten Musikern, regelmäßigen Auftritten im In- wie Ausland, sowie zwei Indie-Alben namens "Le Calme Son" (2001) und "Soley" (2004). Letzteres liegt nun, mit dreijähriger Verspätung, auch bei uns vor - und wirft vor allem eine Frage auf: Wer hat hier gepennt? Die Musikindustrie, die sich lieber an Casting-Acts vergeht als an wirklich neuer, aufregender Musik? Oder die Musiker selbst, die - in ihrer Naivität - nie mit der Massenwirksamkeit ihres Schaffens gerechnet hätten? Im Falle DobaCaracol scheint es eine Mischung aus beidem zu sein, denn die Band verfolgt ganz klar die Politik der kleinen Schritte, des systematischen Tingelns (225 Shows am Stück) und des künstlerischen Idealismus. Sie engagiert sich für caritative Projekte wie "Make Poverty History" oder Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, und tritt bei alternativen Festivals, politischen Veranstaltungen und sozialen Events auf. Alles Dinge, die ihre Prioritäten verdeutlichen: Hier geht es weniger um kommerzielle Ziele, als um kreative Selbstverwirklichung, soziales Bewusstsein und den Spaß an der Musik. Genau den hört man ihrem zweiten Album "Soley" denn auch in jeder einzelnen Note an: Zwölf Songs über Liebe, Freiheit und Glück, die sprachlich zwischen englisch, französisch und dem nordafrikanischen Senufo variieren, und den Ansatz vom globalen Dorf propagieren - eine Vielzahl von Einflüssen und Anleihen, mehrstimmiger Wechselgesang sowie ein visionäres Instrumentarium aus E-Piano, Klarinette, Flöten, Zitar, Streichern, Sequenzer-Loops, Dudelsack, Fiddel und Trommeln.
So erweist sich der Opener "Baiser Salé" als eingängiger World Beat mit zarten Reggae/Dub-Anleihen, das nachfolgende "Étrange" erinnert an eine weibliche Version von Manu Chao. "Anda" ist ein grooviges Stück Funk mit politischer Message ("I wanna live free"), und "Droit Devant" ein relaxter akustischer Reggae. Was allerdings erst der Auftakt ist. "Fièvre" glänzt durch Folkiges mit psychedelischem Einschlag, "Maca E" ist sphärischer Pop in der Manier von Daniel Lanois, "Pris de vertige" purer, verspielter Groove und "Nakilé" karibische Ausgelassenheit. Eine fast schon erschlagende Vielfalt, die das Hören zum spannenden Trip macht, und den perfekten Soundtrack für einen (hoffentlich) langen, warmen Sommer liefert. Packende Rhythmen, verträumte Melodien und grenzenloser Optimismus für eine Welt im gleißenden Sonnenlicht. Eine schöne Vorstellung, die auch die letzten vier Stücke nähren. Etwa die minimalistische Laid-Back-Nummer "Brume", das keltische "Amazone" oder das einzige richtige Liebeslied des Albums: "Love". Insgesamt 55 Minuten gute Laune