Die Israelin Ester Rada verbindet anmutig Ethio-Jazz, Funk, Soul und R'n'B mit Urban-Black-Grooves. Sie ist der "Risingstar" der Stunde und die neue Soulstimme aus dem Mittleren Osten. Alicia Keys gehört bereits zu ihren Fans und hat sie als Support mit auf Tournée genommen. Rada spielte bereits auf grossen Bühnen und an etlichen Festivals, darunter das Glastonbury Festival. Ihr aktuelles Album "Ester Rada" wurde Anfang 2014 veröffentlicht, die Single-Auskopplung "Life Happens" hat verschiedene Auszeichnungen erhalten. Radas interkultureller Sound offenbart eine tiefe Reflexion der Israelin mit äthiopischem Erbe. Rada ist in einer sehr religiösen jüdischen Familie, in mehr als bescheidenen Verhältnissen in einer der rauesten Gegenden Israels, aufgewachsen. All das gab Rada den Antrieb ihren Traum von Musik zu erfüllen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Ester Rada: Musik ist Glück und eine Flucht
von Samir H. Köck
(Die Presse - Schaufenster)
Ihr Schicksal in den europäischen Plattenläden teilen die israelischen Popkünstler so brüderlich wie kaum etwas mit ihren arabischen Kollegen. Nach kurzem Blick werden Popproduktionen aus Nahost hierzulande ins Weltmusik-Fach abgeschoben und damit einem größeren Publikum vorenthalten. Dabei hat Israel gerade im Bereich der elektronischen Musik viel zu bieten. Oder auch einmalige Fusionen wie Ester Radas Ethio-Soul. Die 29-jährige in der Westbank geborene Israelin mit äthiopischen Wurzeln mischt auf ihrem eben erschienenen Debütalbum „Ester Rada“ starke Soul- und R&B-Elemente mit delikatem Ethio-Jazz. „Auf diese erste große Liedersammlung habe ich lange hingearbeitet“, sagt sie erleichtert. „Schon mit 16 Jahren war ich darauf fokussiert.
Wichtig war mir, den Fokus auf meine äthiopische Herkunft und meine Liebe zum Soul zu legen.“ Um das attraktive Hybrid abzurunden, kamen noch Prisen von Reggae und Funk hinzu. Den vom legendären äthiopischen Vibraphonisten Mulatu Astatke entwickelten Ethio-Jazz hat Rada erst als Erwachsene kennengelernt. „Bis zum zehnten Lebensjahr hab ich nur Folklore gehört. Als ich Astatke vor ein paar Jahren zum ersten Mal live in Israel gesehen habe, war das eine Art Erweckungserlebnis für mich. Seither ist er meine große Inspiration.“
Dem europäischen Musikfreund wäre Astatke, der in Sammlerkreisen lange schon sehr begehrt war, immer noch unbekannt, hätte nicht Jim Jarmusch in „Broken Flowers“ dessen Musik prominent eingesetzt. Astatke brachte die im Westen unbekannte Melodik des afrikanischen Hochlands in die Ästhetik des urbanen Jazz. Er experimentierte mit alten äthiopischen Tonskalen, versuchte, sie für die Improvisation nutzbar zu machen.
Das Ergebnis nannte er Ethio-Jazz. Den greift Ester Rada, die auch als Theater- und Filmschauspielerin umtriebig ist, auf sehr kluge Art in ihrem R&B auf und hat damit das Genre erneuert. Was waren die größten Herausforderungen im Studio? „Die vielen Genres so zusammenzubringen, dass es organisch klingt. Man plant, aber letztlich darf man bei den Aufnahmen nicht alles fixieren. Magie kann man nicht organisieren. Man muss ihr eine Chance geben, zu passieren.
Letztlich ist so eine Plattenaufnahme doch nur der Schnappschuss eines bestimmten Moments deiner Entwicklung. Keine Ahnung, was ich in zwei Jahren singen werde.“ Das Albumcover zeigt Rada über einem Häusermeer. „Die gemalte Stadt soll Zion sein, jener mythische Ort, wo nichts als die Liebe herrscht. Ich hab den Maler gebeten, meine Songs zu hören und sich davon inspirieren zu lassen.“ Dass Rada der Idee einer umfassenden Harmonie so viel abgewinnen kann, hat auch viel mit ihren persönlichen Erfahrungen zu tun. Hat sie sich als Kind als Außenseiterin gefühlt, weil Ihre Eltern aus Äthiopien nach Israel kamen? „Wir haben zunächst in einem sehr religiösen Umfeld gelebt. Alles, was zählte, war der Glaube. Ich habe mich voll angenommen gefühlt. Erst mit etwa zehn Jahren, als wir in eine größere Stadt gezogen sind, entdeckte ich, dass ich anders war als meine Freunde. Das war eine Zeit großer Verwirrung für mich. Wie jeder wollte ich sein wie alle anderen. Der Anpassungsdruck war so groß, dass ich meine Mutter sogar bat, mit mir nur mehr Hebräisch zu sprechen. Zu Hause war Amharisch die Regel.“
„Life happens!“ Mit zwölf Jahren entdeckt Rada dann den Musiksender MTV, wo viele dunkelhäutige Künstler zu sehen waren. Die R&B-Sängerin Erykah Badu beeindruckt sie besonders stark. War Popmusik eine Art Flucht für sie? „Auf jeden Fall. Ich habe erkannt, dass Singen eine Glücksmöglichkeit ist.“ In ihrem Song „Life Happens“ singt Rada davon, dass man sie Kummer nicht lehren müsse, sie kenne ihn längst. In ihrer Stimme ist da nichts Gekünsteltes. Was braucht es ihrer Meinung nach, um eine gute Sängerin zu sein? „Wenn man nicht von Herzen singt, hat alles keinen Sinn.“ Nach Jahren des süchtigen Konsumierens von R&B- und Hip-Hop-Videos auf MTV ist Rada zu einer Sängerin vorgestoßen, die sie als ihre Heldin bezeichnet.
„Nina Simone! Ihre Ehrlichkeit hat mich immer fasziniert. Auch in politischer und sozialer Hinsicht war sie ausgesprochen mutig.“ Sollte Musik denn eine Kraft für soziale Veränderung sein? „Auf jeden Fall. Künstler müssen einfach das aussprechen, was sie umtreibt. Parallel zu anderen Berufsgruppen ist es aber auch bei ihnen nur ein kleiner Teil, der wirklich sozial und politisch engagiert ist.
Das macht aber gar nichts. Manchen geht es nur um Spaß, und der ist auch nicht ganz unwichtig.“ Das sagt ausgerechnet sie, die in einem Land lebt, das stets von kriegerischen Handlungen bedroht ist. Wie kann sie sich als Israelin in diesen turbulenten Zeiten überhaupt auf die Kunst konzentrieren? „Das kann ganz schön schwer sein. Die Brutalität des Krieges setzt mir oft so zu, dass ich die Lust am Liedermachen verliere. Am Ende werden die schrecklichen Ereignisse hoffentlich eine Inspiration dafür sein, dass die Menschen erkennen, dass Konfrontation keine Lösung ist.“
Line-up
Ester Rada voc, Maayan MIlo tb, Gal Dahan sax, Inon Peretz tp, Lior Romano keyb, Ben Hoze g, Michael Guy b, Dan Mayo dr