treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

DER WINTER-PASS IST AUSVERKAUFT i FÜR HADER ON ICE AM 18.1. GIBTS REST-KARTEN.

Dorfer ist ausverkauft. MASCHEK auch - die spielen am SA 18.1. um 4 eine Zusatzvorstellung. Feinripp-Nie-belungen-Karten werden knapp, die Koschuh- Premiere ist schon über-voll - danach gehts noch. Mama mia!

JOSEF HADER

schöne grüße aus dem rucola-bezirk: hader spielt hader. was sonst?

Aus den letzten fünf Programmen, die durchwegs geschlossene Theaterabende sind, hat Josef Hader Teile herausgenommen und zu kleinen Monologen geformt. Manches kommt einem deswegen so bekannt vor an diesem Abend, von früher, von irgendwo. Und er gibt auch zu, dass er gestohlen hat. Doch kommt es darauf an? Bei dem guten Verhältnis von Täter und Opfer… Aus der Fülle der Figuren entsteht eine Geschichte, die eines für sich beanspruchen kann: ein neues Hader-Programm zu sein. Ein echtes.

"Es gibt weltweit keinen besseren Hader als Hader." (taz)
"Was nun der wirkliche Hader hinter dem Hader ist, der den Hader spielt, das lässt sich nur erahnen." (Berliner Tagesspiegel)
"...dann ist die Falle zugeschnappt und man klebt ihm an den Lippen." (Nürnberger Zeitung)

EIN INTERVIEA AUS DER
SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Zum Jammern Findet sich immer was..."


SZ-Magazin: Nass, kalt, windig. Jetzt ist wieder die Zeit, in der alle krank sind. Sie auch?
Josef Hader: Nein, diesen Winter hab ich Glück. Nur ein wenig Schnupfen und Halsweh. Fieber wär blöd - da darf man sich nicht anstrengen. Sonst kriegt man Herzmuskelentzündung. Und die hat man dann in sich, lang und unbemerkt. Und dann stirbt man plötzlich. Und weiß gar nicht, woran.

Also war der warme Herbst ein Glück für Sie?
Ach, ich erkält mich eher, wenn es warm wird. In der ersten Frühlingssonne kann man sich eine Erkältung holen - und gleichzeitig Sonnenbrand! Ist mir auch schon passiert. Gefährliche Zeit, das Frühjahr.

In den U-Bahnen stecken sich jetzt alle gegenseitig an. Trauen Sie sich noch raus?
Ich hab s ja gut. Ich stehe meistens auf der Bühne, da sind Tröpfcheninfektionen eigentlich nur in der Richtung denkbar, dass ich beim Reden in die erste Reihe hinuntersprühe. Umgekehrt müssten meine Zuschauer in so einem hohen Bogen ganz feucht herauflachen, das ist eher unwahrscheinlich.

Kleine Inventur: Was haben Sie gerade alles? Was zwickt?
Vor einem Monat habe ich mir beim Fußballspielen den Daumen verstaucht. Seitdem geht das überhaupt nicht weg. Ich wollt schon zum Arzt, aber mein Bühnentechniker hat mir gesagt, dass nix ist. Dem Mann vertrau ich.

Warum gerade dem?
Ach, der muss dauernd schwere Sachen heben, der hat sich sicher schon viel verstaucht.

Geben Sie es zu: Sie sind nur froh über die Ausrede, weil Sie nicht zum Arzt gehen müssen.
Könnt sein.

Karl Kraus hat geschrieben, eine der verbreitetsten Krankheiten sei die Diagnose. Ist es besser, gar nicht so genau zu wissen, was man haben könnte?
Also mir helfen Diagnosen immer. Ich bin sehr arztgläubig, das heilt besser als jede Medizin. Bei vielen Medikamenten ist es ja so, dass die keinen hundertprozentigen Wirkungsgrad haben, sondern gerade mal ein paar Prozent mehr als ein Placebo. Das heißt, der Volksmund hat recht, wenn er sagt, der Glaube ist die beste Medizin. Außer man zieht in Kreuzzüge oder macht ein Selbstmordattentat, da wirkt sich der Glaube dann eher nachteilig auf die Gesundheit aus.

Manche Menschen sagen, ab einem gewissen Alter sollte man gar nicht mehr zum Arzt gehen, weil der immer irgendwas findet.
Gerade bei Männern ist dieses Indianerdenken sehr verbreitet. Ich war aber nie ein harter Hund. Ich habe zum Beispiel einen Husten, der kommt immer nach längeren Erkältungen, der wird dann zu einem Bronchialkatarrh. Dann geht er in ein Asthma-Vorstadium, wo ich schon so krampfartig huste. Das hatte ich viele Jahre lang. Dann hat mir ein Lungenfacharzt erklärt, was da genau passiert. Seitdem kommt der Husten nicht mehr.

Unter welchen eingebildeten Krankheiten leiden Sie?
Einmal hab ich einen Knoten bei mir ertastet. Da war ich wirklich überzeugt, ich hab was Schlimmes. War aber nur eine Zyste. Die sind mit Wasser gefüllt und fühlen sich an wie Luftballons. Das weiß ich jetzt, also falls wieder eine kommt, kann ich das gleich vordiagnostizieren.

Ist das nicht ungeschickt aus Sicht des Hypochonders?
Nein, herrlich! Ach so? Aber dann kann man doch nicht mehr so gut leiden und jammern. Ach, zum Jammern findet sich schon immer was.

Jammern Sie viel?
Nein, ich leide mehr so vor mich hin und bin beleidigt, wenn dieses feine, dezente Dahinleiden niemandem auffällt.

Hat Hypochondrie auch gute Seiten?
Natürlich! Hypochonder sind meistens gesund - und wenn sie wirklich was haben, entdecken sie es früher als andere Menschen. Dadurch werden sie steinalt. Und die, die sich immer einreden, dass sie gesund sind und nichts sie umhauen kann, die passen zu wenig auf, und es erwischt sie viel früher.
Da helfen nicht mal Schirm und Kapuze: Der Winter ist gemeingefährlich, aber vor dem Frühling graut Hader erst recht.

Woran merkt der Hypochonder, ob er tatsächlich was hat?
Also ich bin fast beruhigt, wenn ich was entdecke, weil es grad dann nie was Schlimmes ist. Ich glaube, die wirklich tödlichen Krankheiten schleichen sich an, man merkt ewig nix, und auf einmal heißt es: Danke schön, das war's, es ist vorbei.

Strenggläubige Menschen empfinden Krankheit als Prüfung Gottes. Macht das den Umgang mit Krankheit einfacher?
Das ist ein sehr alttestamentarischer Zugang. Den würde man heute fast nur noch in gewissen amerikanischen Bundesstaaten vermuten … Wobei die abseitigen religiösen Haltungen ja auch bei uns derzeit eine gewisse Breite erreicht haben.

Wie meinen Sie das?
Na ja, die Katholiken schießen sich grad ins 19. Jahrhundert zurück, in die völlige Bedeutungslosigkeit, das ist ja unübersehbar. Es sind in den letzten zwanzig Jahren alle Menschen mit einem normalen Bezug zum Leben eher abgeschreckt worden, da mitzuarbeiten.

Andererseits kommen die Menschen gerade jetzt, in Krisenzeiten, wieder auf den Glauben. Neulich hat Thomas Gottschalk ein langes Interview über Religion gegeben und aus der lateinischen Messe zitiert. Die Leute lesen so etwas jetzt gern.
Ich glaube, wir haben es mit den letzten Generationen zu tun, die mit dieser kulturellen und sozialen Prägung aufgewachsen sind. Das merkt man ja sogar in dem Dorf, wo ich herkomme - Nöchling, 900 Einwohner. Als ich klein war, war jeden Sonntag zweimal die Kirche voll. Heute ist sie einmal zu einem Drittel gefüllt. Mit alten Leuten. Wir werden sicher noch hie und da ein Interview lesen, wo ein Prominenter stolz was vorbetet, aber auf lange Sicht wird die Kirche eine Sekte werden. Und wenn man konservative Bischöfe hört, dann sind sie sogar stolz darauf, weil irgendwann nur noch die ganz wahren Gläubigen da sind.

Aber es könnte ja eines Tages ein moderner, aufgeklärter Papst kommen.
Da müsste wirklich Gott die Hand im Spiel haben und jemand gewählt werden, den alle ganz falsch einschätzen. So wie seinerzeit Johannes XXIII. Da haben alle geglaubt, das ist ein alter Mann, der wird nix anrichten - und dann hat er alles umgekrempelt und die Kirche geöffnet. Das war der Papst, der sich im Testament extra einen schlichten Sarg gewünscht hat. Und dann haben ihn der polnische Papst und dessen späterer Nachfolger seliggesprochen und stellen ihn jetzt in einem Altar der Peterskirche einbalsamiert hinter Glas aus wie einen Pfingstochsen. Nachdem sie alle seine Reformen zunichte gemacht haben. Da könnte man die Wut kriegen, wenn man gläubig wär. Zum Glück bin ich nicht gläubig.

Kann Krankheit auch was Gutes sein?
Natürlich. Ich freue mich, wenn ich meine Mailbox neu besprechen kann: »Ich bin krank, rufen Sie nur in äußersten Notfällen an!« Ich sage alles ab. Ich schlafe viel. Krank sein ist richtig schön.

Macht Krankheit kreativ?
Es gibt natürlich große Künstler, große Autoren, von denen man weiß, dass sie sich wegen einer schweren Krankheit nicht mit Unnötigkeiten aufgehalten haben. Sie waren quasi fokussierter - und sind eigentlich durch die Lebensbedrohung noch größere Künstler geworden.

Zum Beispiel?
Thomas Bernhard.

Aber leicht hatte der es nicht.
Am besten ist, also natürlich nur künstlerisch, eine lebensbedrohende Krankheit, die aber kein Zeitlimit setzt. Man konzentriert sich anders, wenn der Tod in Sicht ist.

Thomas Bernhard fand: Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.
Ganz genau! Der wäre mit Anfang zwanzig fast an seiner Lungenkrankheit gestorben, hat aber überlebt. Den Rest seines Lebens hatte er ständig die Bedrohung vor sich: Es kann jeden Moment zu Ende sein. Also hat er nur noch für seine Bücher gelebt. Und für seine Häuser. Und für seine Schuhe. Unglaublich, wie viel Schuhe der gehabt hat! Da sind in seinem Haus in Ohlsdorf mehrere Regale ausgestellt, aber der größte Teil liegt noch im Keller.

Was würden Sie machen, wenn Sie erfahren, dass Sie eine tödliche Krankheit haben?
Ich würde alles Unnötige weglassen. Ich würde nicht mehr so viel über die Dörfer ziehen und überall auftreten. Ich würde nicht so lang auf deutschen Autobahnen herumfahren. Eigentlich lauter vernünftige Sachen, die ich jetzt auch schon tun sollte.

Warum tun Sie sie jetzt nicht?
Na ja, ich werde halt nicht so schnell gescheiter, wie ich älter werde. Ich hinke immer so zehn bis 15 Jahre nach. Vor allem würde ich mich aufs Schreiben konzentrieren. Schreiben ist das Schönste an meiner Arbeit, wie eine Droge, aber biologisch. Mit allen Symptomen, auch mit Entzug - man wird immer verzweifelter, wenn einem nichts einfällt. Und dann kommt der Moment, wo man eine Idee hat, und plötzlich ist man euphorisch und schreibt bis fünf Uhr morgens und kann zwei Stunden nicht einschlafen, weil man sich so freut.

Auch eine Art Krankheit. Fieber.
Ja! Noch dazu lebt man in zwei Welten. In der echten ist man eine Marionette wie alle anderen. Und in der Schreibwelt darf man alles bestimmen, da ist man der Chef. Das ist nicht schlecht.

Wird es kompliziert, wenn man zwischen den Welten wechselt?
Ja, sehr. Ich habe auch schon in kroatischen Urlaubsorten am Dorfplatz im Café geschrieben, ganz offen. Da war ich immer nach wenigen Tagen der Dorftrottel. Sie müssen sich vorstellen, da sitzen die Kroaten und sehen jemanden, der die ganze Zeit mit sich selber redet, dann wieder was hinschreibt, dann redet er wieder, schreibt was hin … Außerdem habe ich damals mein Programm Hader muss weg geschrieben. Da kommt ein Mann vor, der sich ständig zwischen den Beinen kratzt, das habe ich dann beim Schreiben automatisch auch gemacht, ich hab mir immer alles vorgespielt. Nach Kroatien kann ich nie wieder fahren.

Den Menschen gibt es jetzt schon sehr lang - trotzdem erkältet er sich verlässlich jeden Winter wieder. Was glauben Sie: Warum hat die Evolution uns nicht längst abgehärtet?
Ein Grund könnte sein, dass unsere Vorfahren nur dort gewohnt haben, wo es warm war. Erst als wir die Kultur erfunden haben, die Waffen, das Feuer, sind wir dann in die Kälte gezogen. Vielleicht haben wir da biologisch gar nichts verloren.



Also bleibt uns nur: ausweichen in den Süden?
Früher bin ich ab und zu im Februar nach La Gomera geflogen. Aber dort waren dann erstaunlich viele Kabarettisten. Nett, aber es beeinträchtigt die Erholung.

Wie sieht es aus, wenn Sie zum Arzt gehen?
Ich bin einer von den unangenehmen Patienten, die schon ganz genau die Symptome benennen und selbst mögliche Diagnosen vortragen. Da verdreht jeder Arzt die Augen.

Lesen Sie im Internet nach, was Sie haben könnten?
Ich habe einen Pschyrembel zu Hause, das große medizinische Nachschlagewerk. Da schaue ich ständig rein.

Eigentlich das Gefährlichste, was der Laie machen kann.
Ja, ich weiß genau, dass ich da zu jedem Symptom ganz viele tödliche Gründe finde. Aber da ich bisher noch nicht gestorben bin, gehe ich davon aus, dass es immer was anderes auch sein kann. Ich glaube, dass der Hypochonder nicht nur jammern will, sondern sich für den Menschen und seine Krankheiten interessiert. Das ist oft ein verhinderter Mediziner, der nur zu faul war, Medizin zu studieren. Und der einzige Patient, der ihm zugänglich ist - das ist er jetzt selber.

Wenn Sie so viel nachlesen, haben Sie ein ordentliches Halbwissen.
Zurzeit interessieren mich die neuesten Forschungsergebnisse über Bauchfett. Das ist nämlich sehr ungesund im Vergleich zum normalen Körperfett. Die, die rundherum Fett haben, so birnenförmig, die leben lang. Im Bauchfett gibt es aber ungesunde Botenstoffe, die überall im Körper kleine chronische Entzündungen auslösen, was wieder eine Vorstufe von Krebs sein kann. Deswegen sagt auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation, er nimmt jeden Tag ein gering dosiertes Aspirin, das ist gut gegen Entzündungen und verdünnt das Blut.

Andere schlucken jeden Tag irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel. Vitamin C.
Bringt nur was, wenn die Enzyme schon drin sind. Ganz wichtig! In einer Frucht sind Flavonoide drin, die das Vitamin zerlegen können. Also Vitamin C immer mit Flavonoiden nehmen.

Haben Sie ein Lieblingswort aus der Medizin?
Sehr gut gefällt mir »Ösophagusvarizenblutung«. Das habe ich sogar in einem Drehbuch verwendet. Ösophagusvarizenblutung, das ist, wenn bei schweren Alkoholikern die Blutgefäße im Rachen porös werden und platzen. Wenn diese Alkoholiker dann blutverdünnende Medikamente nehmen, kann es passieren, dass sie in ihre Speiseröhre hineinbluten. Die können regelrecht in den eigenen Magen hineinverbluten. Eine faszinierende Sache.

Sie meinen: scheußliche Sache.
Aber auch faszinierend! Ich habe einen Kollegen in Wien, den Lukas Resetarits, den kennen Sie als Kottan, der war sogar schon mal bei einer Hämorrhoiden-Operation im OP dabei.

Wer will denn so was?
Ich denke, wir sind so ein bisschen verhinderte Ärzte.

»Wir« - die Österreicher? Die Hypochonder? Die Kabarettisten?
Wir österreichischen hypochondrischen Kabarettisten.

Warum sind die Österreicher so fasziniert vom Tod? Nicht so sehr die Österreicher allgemein, eher: die Wiener. Die Beschäftigung mit dem Tod ist etwas Ostösterreichisches.

Macht der Salzburger das nicht?
Ach, der Salzburger ist ja quasi ein Bayer. Dass das Thema Tod im Osten, in der Wiener Gegend, so eine große Rolle spielt, könnte damit zu tun haben, dass die zwangsweise Beschäftigung mit den unangenehmen Seiten des Lebens - auch die Angewohnheit, darüber Witze zu machen - aus dem jüdischen Humor kommt. Andererseits … in Norddeutschland gibt es auch viel schwarzen Humor. Ich bin zwei Wochen nach dem 11. September im Bremer Schauspielhaus aufgetreten. Vorher habe ich den Inspizienten gefragt: Sollte man dem Feuerwehrmann nicht sagen, dass ich auf der Bühne rauche? Und der sagt: »Ach, die sind jetzt ganz andere Sachen gewöhnt.« Das war in einer Zeit, wo ganz Deutschland Trauer trug und sich gefragt hat, ob überhaupt je wieder ein Witz erlaubt sein wird.

Noch eine ganz andere Krankheit: die Liebe. Befällt den Menschen, hat manchmal sogar ähnliche Symptome zur Folge, fiebrige Zustände, Gänsehaut.
Vor allem, wenn man richtig unglücklich verliebt ist. War ich in meiner Jugend oft. Ein sehr schönes Fieber. Weil man ja immer hofft und so intensiv lebt und sich so freut auf ganz kleine Momente, die dann eh nix bringen. Ich habe das aber nie als rein unglückliche Zeit erlebt, sondern immer auch ein bissl genossen.

Das kann man im Rückblick sagen, aber wenn man mittendrin steckt?
Nein, auch damals, ich hatte immer Freude an dieser Intensität.



Aber meistens kann man in solchen Situationen nicht viel draus machen, man leidet halt so vor sich hin, oder?
Man könnte Lieder komponieren oder Gedichte schreiben. Beethoven und Schubert haben viel gemacht aus ihrem Liebeskummer. Bei mir geht das leider gar nicht, ich bring nur was zusammen, wenn es mir gut geht.

Die alte Frage: Entsteht die beste Kunst immer aus Unglück?
Es gibt natürlich unter den großen Künstlern viele unglückliche. Die Schauspieler, die ich besonders verehrt habe, waren sehr oft unglückliche Existenzen. Zum Beispiel Norbert Kappen. Ein Deutscher, der am Wiener Burgtheater in den Siebzigerjahren viele Hauptrollen gespielt hat. Alle hatten Angst vor ihm, weil er sich so reingesteigert hat in seine Rollen, dass sie nicht sicher waren, ob er die Desdemona nicht wirklich würgt.  

Was wurde aus ihm?
Hat sich erschossen. Mitte der Achtzigerjahre.

Lassen Sie uns noch kurz über den Patienten Europa reden. Europa hat gerade ziemlich Grippe, oder?
Dem Euro geht’s schlecht, den Märkten, den Banken, den Menschen.   Ja, ein böser Katarrh. Es gibt ja Leute, die die Krise regelrecht begrüßen, weil sie finden, das bisherige Wirtschaftssystem als solches funktioniert nicht richtig. Die haben völlig recht. Die Sache ist nur: Bis jetzt haben wir ja keine richtige Krise, sondern nur eine Krise im Finanzsystem. Was ist, wenn eine wirkliche Krise kommt, eine, die die ganze Gesellschaft erfasst? Wir Europäer haben ja eine echte Krise in unserem Leben noch nie erlebt. Was wir heutzutage als Krise bezeichnen, ist gar nicht vergleichbar mit dem, was früher eine Krise war, Kriege, Katastrophen.

Beunruhigend ist es trotzdem.
Ja, aber ich habe Angst davor, was passiert - auch politisch -, wenn mal eine richtige Krise kommt. Wenn unser Lebensstandard rapide sinkt. Wenn in ärmeren Ländern alles noch viel schrecklicher wird, weil sie dann gar nichts mehr exportieren können, weil wir auch nichts mehr kaufen. Die einen rutschen vom absoluten Existenzminimum dorthin, wo sie eigentlich nur noch sterben können. Und wir werden von unserem hohen Ross so runtergeschraubt, dass man Angst haben muss um die Demokratie. Kann alles kommen.

Was sollen wir dagegen tun?
Als Einzelner kann man gar nichts tun. Und wir sind eine Gesellschaft der Einzelnen. Also warten wir - wie auf den Schnee.




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FAZ
30.5.2010

Die Kunst des Josef Hader
Die Bewohner des Rucola-Bezirks sollten sich vorsehen: Der österreichische Kabarettist und Schauspieler Josef Hader erzählt vom Tod wie kein Zweiter im deutschen Sprachraum - zum Sterben schwarz.

Von Hannes Hintermeier

Der menschliche Faktor im Gulasch ist unklar: Josef Hader im Film "Der Knochenmann" (2009)
Also sprach Helmut Qualtinger: Wenn du ein Publikumsliebling wirst, bist ein Arschloch. Diesem Dilemma zu entrinnen, das ist eine Kunst – zumal in einem Land, das so viele Superstars nicht besitzt, wie es gern besäße. Und Josef Hader ist unzweifelhaft ein Superstar in Österreich. Das hat er in diesem Frühling wieder schmerzvoll erfahren müssen: als er es im Österreichischen Rundfunk mit einem Zitat bis in die Nachrichtensendung ZIB 1, das Äquivalent zur „Tagesschau“, schaffte. Dumm nur, dass Hader gar nicht gesagt hatte, was er angeblich gesagt haben sollte.

Es ging um den Publikumspreis „Romy“, an dessen Verleihung der Kabarettist und Schauspieler nicht teilnahm, wohl aber der Filmregisseur Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“), der sich im Lauf eines Gesprächs zu der Aussage hinreißen ließ, der Hader habe gesagt, was ihn die Organisatoren könnten . . . Die Reporterin hat, obwohl sie Murnberger gegenüber beteuerte, das Aufnahmegerät sei ausgeschaltet, diesen „O-Ton“ dann in die öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanäle eingespeist. Hader hat daraufhin in einem Artikel für das Nachrichtenmagazin „Profil“ die Recherchemethoden des Staatssenders bloßgestellt, indem er beschrieb, wer alles nicht bei ihm angerufen hat, um das Zitat zu verifizieren.

„Thomas Bernhard hat das viel geschickter gemacht“

Dieses Skandälchen berührt ein Problem, dem zu entkommen für Hader nicht einfach ist: der permanenten Verfügbarkeit für die Öffentlichkeit. Josef Hader spielt als Kabarettist im deutschsprachigen Raum in der ersten Reihe, als Schauspieler ist er hochdekoriert, auf der Bühne steht er mit einem Bein in verstiegensten Phantasiewelten und mit dem anderen auf dem Boden des volkstümlich Derben – einen solchen Mann müsste man erfinden.
Haben Kabarettisten ständig zu allem etwas zu sagen? „Thomas Bernhard hat das viel geschickter gemacht“, sagt ein konzentrierter Hader beim Gespräch in einem seiner Wiener Stammlokale, dem Café Sperl. Als Schausteller mache er ungeniert Werbung für seine Arbeit, „aber wenn ich auf Tournee bin, und man will von mir eine Einschätzung zur Bundespräsidentenwahl, dann habe ich das Gefühl, ich bin soweit Bürger, dass ich dazu Stellung nehmen kann. Wenn die Journalisten aber nur wollen, dass ich ihnen etwas kabarettistisch durchkaue, lehne ich eh alles ab.“

Ein Ministrant spielt sich frei

Am 14. Februar des Jahres 1962 wird Josef Hader in Waldhausen im oberösterreichischen Strudengau geboren. Er wächst im nahen Nöchling auf, das liegt schon in Niederösterreich. Auf dem elterlichen Hof hat er heute noch Wohnrecht, aber Landwirt werden wollte er nicht. Die Eltern hatten viel Arbeit und wenig Zeit, also zieht die Großmutter den Knaben groß, zunächst ohne Kontakte zu Gleichaltrigen und deshalb mit einem schwierigen Start in die Schullaufbahn: ein nicht sozialisiertes Kind, übergewichtig, ängstlich, unsportlich. Das ideale Opfer. Ministrant im Alter von sechs Jahren, Angst auch dort, Fehler zu machen, dem Zorn des Pfarrers ausgeliefert zu sein.

Dann die Befreiung: Der Bub hat das Zeug zum Gymnasiasten, er soll ins Internat nach Melk. Dort kann er Theater spielen, bekommt Musikunterricht, wird Chorsänger, Organist, debattiert über Glaubensfragen – das ganze abendländische Programm. „Das ist der Stall, aus dem ich komme.“ Ein Lehramtsstudium bricht Hader ab, weil er als Kabarettist schon Erfolge feiert und für sein zweites Programm gleich den „Salzburger Stier“ bekommt, da ist er dreiundzwanzig. Aber die Lektion der Klosterschule sitzt: Frei ist, wer wenig Bedürfnisse hat. Das ist seine katholische Prägung. Der Zeit im Studienseminar in Melk verdanke er alles.


Go east, young man: Von Waldhausen über Nöchling und Melk landet er endlich in Wien und weiß sofort, „dass ich daheim bin“. Die Metropole, die zu groß ist für das sie umgebende Land, die Großstadt mit ihrer Szene und ihrer Verachtung für die Provinzen, verstrickt in der imperialen Vergangenheit. Hader ist klug genug, sich nicht allein auf Wien zu verlassen. Er tingelt zwei Jahrzehnte durch die Lande und erspielt sich ein Publikum. Allein sein Programm „Privat“ (1994) gibt er achthundertmal, 300 000 Zuschauer sehen es. So lernt er seine Kabarett-Pappenheimer kennen, ihre Humorfähigkeit und Erwartungshaltung. „Man kommt auf einer Tournee immer durch mehrere Städte, die sich für die Brutstätte des deutschen Kabaretts halten – Passau, Mainz, Nürnberg, Berlin, München.“ Wien und Salzburg sowieso. Aber Hader gelingt der Kulturtransfer: Er exportiert erfolgreich den austriakischen Exotismus. Man liebt seine Exkursionen in die Seelenabgründe auch in Gegenden, die von Frohnaturen besiedelt sind.

„Als das Kabarett für mich mit Mitte zwanzig richtig zum Beruf wurde, habe ich beschlossen, dass ich eine größere Freiheit haben möchte, als es das klassische Kabarett bietet.“ Hader hat eine völlig eigenständige Form gefunden, eine, die sich mit dem Menschen an sich beschäftigt und die gängigen Spielweisen des politischen Kabaretts zugunsten einer überbordenden Phantasie aufgibt. Erzählerisch im Kern, dabei ständig die Kabarettmuster mitreflektierend. Im politischen Kabarett werde ihm zu viel über Menschen gelacht, die nicht im Raum sitzen.

Das klasssiche Kabarett ist oft nur noch Leerlauf

„Es gibt keine Kunstform, die so sehr auf durchgehendem Einvernehmen beruht wie das klassische Kabarett. Selbst bei einem Boulevardtheater kann es passieren, dass ein Nackter über die Bühne rennt, und die alten Damen schrecken sich.“ Er will die geistigen Spießer, die er „Halbintellektuelle“ nennt, aber auch die „Bewohner des Rucola-Bezirks“ dazu bringen, über sich selbst zu lachen. Gesellschaftskritik mit einem Schuss Pulp-Fiction.

Es gab eine Zeit, da hatte politisches Kabarett eine Wirkung. Da wurde auf der Bühne der Politik nachgeliefert, was ihr fehlte – Brechung. Da spielte man gelegentlich über Bande mit den Medien. Erst der Sketch, dann der Skandal. Legendär die „Scheibenwischer“-Sendung des Jahres 1982, in der Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt und Gisela Schneeberger den geplanten Main-Donau-Kanal zernichteten. Irrtum eingeschlossen: weil die Schifffahrtsstraße heute einen Ruf als vergleichsweise ökologisch unbedenklicher Transportweg hat. Das sozialdemokratisch fundierte Kabarett als Diagnose der Tagespolitik ist in die Jahre gekommen, ist im schlimmsten Fall nur ritueller Leerlauf.

Manche Kollegen haben eine Fan-Gemeinde wie Roy Black

Manchmal brechen auch die Gegner in sich zusammen, wie es die Passauer Kabarettszene erfahren musste. Aber Hader bleibt seinen Heroen treu: „Bei Dieter Hildebrandt schaue ich mir jedes Programm mit offenem Mund an, weil mich interessiert, was er zurzeit sagt zu dem, was passiert. Bei Kabarettisten, die sich selbst eingemauert haben in ihren Stärken, kann es eng werden. Die haben eine Fangemeinde, die immer nur dasselbe sehen will, alle anderen sind weg. So wie bei Roy Black.“

Vielleicht war es das Misstrauen dem Gegenstand gegenüber, das Hader auf seinem Weg leitete? „Ich wollte nie abhängig sein von Vorgaben der Politik, sondern ein Programm machen, wie ein Maler ein Bild malt.“ In „Hader spielt Hader“ (erstmals 1997 ) kommt gerade mal ein einziger aktueller politischer Kopf aus Österreich vor: der FPÖ-Politiker und aalglatte Rechtsaußen Heinz-Christian Strache. Allerdings hat er schon eine Metamorphose hinter sich und gleitet in verdauter Form durch die Kanalisation am Naschmarkt.

Man wird dumm, wenn man immer nur die anderen dumm nennt

Haders Programme unterscheiden sich in der Bauart, auch in der Art, mit welcher Form von Witz sie funktionieren. Aber zweierlei bleibt konstant: Erstens soll das Gesellschaftliche und das Politische im Privaten entdeckt werden. Und zweitens spielt sich Hader jedes Mal selbst an die Wand – die sich als Gummiwand entpuppt, von der aus er als Stehaufmännchen zum Publikum zurückgeschleudert wird. Hader weiß nur zu gut, dass selbst dumm wird, wer immer nur die anderen als dumm vorführt.

„Die Art, mich selbst weiterzutreiben, das habe ich richtig gemacht. Eine Mischung aus Angst und Lust, die aus der Unsicherheit kommt: Werde ich das überhaupt schaffen?“ Er schafft es mittels permanenter Überforderung. Das funktioniert auf einer einfachen Ebene bei jungen Leuten, die von der Comedy herkommen: Sie amüsieren sich zunächst über die oberflächlichen Witze, „während der gelernte Kabarettzuschauer ständig versucht, Sinnzusammenhänge herzustellen, die er nicht findet – dann wird er nervös“.

Die Legende vom „Rindsgulaschu“

Eines hat das gehänselte Kind von einst nie vergessen: dass man dem Nachwuchs damals viel mehr Angst zugemutet hat als heute. Der Kontakt zur Jugend ist ihm deshalb ein Anliegen. Er will ein junges Publikum, und diese Ansage klingt beim Vater zweier Söhne inmitten einer Patchworkfamilie glaubwürdig. Er spüre den Auftrag, auf der Bühne Inhalte zu transportieren, die „nicht nur über den Bildungszusammenhang verstehbar sind“. Sein Witz vom Genitiv des „Rindsgulaschu“ sei gar keiner, sondern ein richtiger Genitiv, sagt Hader (was nicht ganz stimmt, da es sich um eine Adjektivierung handelt à la „Fisch – fischig“). Hier spricht ein glühender Antiintellektualist, der „nur den Humanismus als Wert untergraben“ will. Er habe weder den Glauben an die Sprache noch daran, mit einer guten Botschaft auf der Bühne stehen zu können, um Menschen zu überzeugen. „Das Einzige, was ich anzubieten habe, ist Verunsicherung. Lieber mit weniger Weisheiten heimgehen.“

Dazu passt auch, dass er sich weigert, ein Buch mit seinen Texten herauszubringen. Das geht schon damit los, dass er nicht weiß, in welcher Sprache er seine „Partituren“ zu Papier bringen sollte. Die Texte müssten standhalten, und sie sollten eine ähnliche Wirkung haben. Er habe noch nie etwas in Hochdeutsch geschrieben. „Das sind Texte, die nur ich selbst spielen kann. Für ein Buch müsste ich sie stark überarbeiten, aber die ans Hochdeutsche angeglichene Schreibe gefällt mir auch nicht. Der Rhythmus, den ich verwende beim Spielen, ist extrem wichtig für einen wie mich, der zwei Stunden allein spielt. Er verhindert, dass die Menschen rausrennen.“

Leute, die schreiben, werden nie zu Bühnentieren?

Er selbst lese keine Kabarettbücher. Auch deswegen erschiene es ihm seltsam, die Produk tion von etwas zu forcieren, was ihm selbst nichts sage. Außerdem findet Hader andere Arbeiten „dringlicher“. Vielleicht, schiebt er noch mit einem seiner lauten und trockenen Überraschungslacher nach, „will ich auch nicht, dass mir die Leute so genau auf die Finger schauen. Die sollen lieber ein paarmal hintereinander in die Vorstellung kommen - das ist auch ökonomisch besser.“

Bei so viel offenkundigem Spieltrieb überrascht die demütige Geste, mit der Josef Hader auf seiner Limitierung als Schauspieler besteht. Als Autodidakt, der nie eine Schauspielschule besuchte, kennt er seine Grenze: „Theater kann ich nicht. Leute, die schreiben, werden nie zu Bühnentieren“, sagt das Bühnentier Hader, das sich partout nicht mit den Großkalibern vergleichen will. Das hat ihn nicht davor bewahrt, 2009 den Deutschen Fernsehpreis für seine Rolle in „Ein halbes Leben“ zu bekommen, dem in diesem Frühjahr der Adolf-Grimme-Preis für ebenjene ZDF-Produktion folgte, in der Hader einen Ver gewaltiger und Mörder spielt und diesem gespenstisch menschliche Züge verleiht.

Warum Sepp Bierbichler so großartig ist

In den meisten Interviews, berichtet Hader, lege man ihm nahe, welch großartiger Schauspieler er sei - „aber das lass ich nicht auf mir sitzen“. Man sehe sich die Wolf-Haas-Verfilmung „Der Knochenmann“ (2009) doch einmal genau an: Bei Sepp Bierbichler in der Rolle des mordenden Wirtes erkenne man doch genau den Unterschied. Zwar gehe Bierbichler nicht so weit wie der frühe Robert De Niro und lege jede Rolle möglichst extrem anders an. Aber Bierbichler sei eben groß, gerade weil er in jeder Rolle Elemente von Bierbichler verwende.

Haders Karriere als Schauspieler und Drehbuchautor hat seinen Bekanntheitsgrad vervielfacht. Im April lief im ORF mit Traum quoten der Zweiteiler „Aufschneider“: Hader in der Rolle des Pathologie-Chefarztes Fuhrmann, nach einem zusammen mit dem Regisseur David Schalko verfassten Drehbuch, der auch Regie führte. Umnebelt von Alkohol und Formaldehyd, spielt Hader den gehörnten Ehemann so, dass man ihm umstandslos abnimmt, Pathologen seien die nettesten Ärzte überhaupt. Da der Film von Arte koproduziert wurde, gibt es Hoffnung, ihn auch bei uns sehen zu können.

„Kottan ermittelt“ - Super!

Die Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Wolf Haas, dem Autor der „Brenner“-Romane, und dem Regisseur Wolfgang Murn berger hat bislang drei Filme hervorgebracht. Spannung, Satire und Milieu - ein Rezept, mit dem schon die unvergessene österreichische Fernsehserie „Kottan ermittelt“ von 1976 bis 1983 Großes erreicht hat. Hader ist ein bekennender Fan der frühen Kottan-Filme - „,Hartlgasse 16a‘ - super!“ -, er schätzt deren ironische und leise Art. Und natürlich zählt zu den Prägungen seiner televisionären Biographie Erik Ode als „Der Kommissar“. „Das war der Freitagabend meiner Kindheit. Wenn man sich das heute anschaut: Da sind Plansequenzen wie bei Truffaut drin, sehr spröde Dialoge, tragische Enden, Lösungen, die keine sind, wunderbar schwarzweiß gefilmt. Wenn das heute ein Fernsehverantwortlicher sähe, würde er sagen: ,Um Mitternacht‘.“

Seiner Großmutter und ihm, auf dem Bauernhof in Nöchling, habe man solche Filme als Hauptabendprogramm zugemutet. Heute habe man aufgehört, von den Zuschauern irgendetwas zu fordern. „Heute regiert die Angst, dass der Zuschauer wegzappt, wenn nach drei Minuten nicht alles klar ist.“ Das sei politisch so gewollt, man könne jederzeit auf etwas noch Dümmeres umschalten. Das freilich könnte eine anthropologische Konstante sein. Bleibe die Frage, wann uns das alles auf den Kopf fallen wird. Und mit „uns“ meint Hader die Demokratie.


Instinkt hat er ja. Die zweite Brenner-Verfilmung „Silentium“ (2004) kam punktgenau zum Pornographie-Skandal, über den der St. Pöltener Bischof Kurt Krenn stolperte („Bubendummheiten“). Das passt zu einem Künstler wie Josef Hader, der es versteht, sogar über das Monster Fritzl aus Amstetten eine Nummer zu schreiben, die das Monsterhafte der ach so authentischen Landbevölkerung herausarbeitet. Gerade deswegen aber weigert sich Hader, Missbrauchsfälle als katholisches Problem per se zu betrachten. Vielmehr handle es sich um ein reines Internatsproblem: „Wie seelisch verletzlich man in diesem Alter ist, wie dankbar für jede Art von Zuwendung! Es gibt ein Foto von mir als Erstklässler mit Klassenkameraden und unserem Erzieher. Lauter traurige Augen, Buben, die sich gegenseitig an den Schultern fassen, um sich zu stützen. Wenn das jemand ausnützt - schrecklich.“

Ein Linkskatholik ist Hader, der sich selbst als Agnostiker beschreibt. Glauben bedeutet für ihn, vor allem Zweifel am Glauben zu haben - bei gleichzeitiger Anerkennung, dass die Institution Kirche ihre Berechtigung und ihre guten Seiten hat. Deshalb wünscht er ihr „so viele Krisen wie nur möglich“. Austreten will er nicht. Obwohl der Weg der katholischen Kirche in den letzten dreißig Jahren in die Sektenbildung geführt habe und am Ende in die Bedeutungslosigkeit und damit die Katastrophe führen werde, schwant es Hader. Sämtliche Versuche des Zweiten Vatikanums, die Kirche zu durchlüften, seien „mit dem polnischen Papst abgedreht“ worden. Nun ernte die Kirche, was sie gesät habe: „Hierarchisierung, Geheimniskrämerei, Verweigerung jeder Diskussion, Abschottung, Unhinterfragbarkeit“. Für die nächste Papstwahl brauche es viel Heiligen Geist oder einen großen Irrtum wie 1958, als man Johannes XXIII. gewählt hat.

Die Kraft der Verheizung

Wenn es um seinen „Stall geht, wird Josef Hader bissig. In Österreich herrscht ähnlicher Priestermangel wie in Deutschland. Die Folgen: „Inder oder Polen predigen von der Kanzel herab Botschaften des neunzehnten Jahrhunderts: ,Gib uns die Kraft der Verheizung.‘ Und unten sitzen kopfschüttelnd die Leute.“ Das Erbe des Polen-Papstes habe der Kirche die Wiederkehr des Ablasshandels beschert. „Das sind gute Geschäftsleute, teilweise Charismatiker. Die verkaufen Seelenheil.“

Auf der Homepage der Gemeinde Nöchling gibt es unter der Rubrik „Interessante Links“nur einen Hinweis: „Kirche in Österreich“. So ist das eben mit der Heimat. Und mit der Provinz. Alles positive Begriffe für ihn, was denn sonst? Er wolle den Wienern nicht zu nahe treten, aber „es gibt eine Art, die nur Leute vom Land haben: Die tun sich schwerer damit, großmächtig etwas vor sich herzutragen. Und wenn ich schaue, mit wem ich arbeite: alles Leute vom Land.“ Sein Roadie und Mitspieler Gerhard Pimperl kommt aus Großpetersdorf im Burgenland, 3500 Einwohner; sein Agent, der Filmverleger Georg Hoanzl, kommt aus Kukmirn, ebenfalls Burgenland, zweitausend Einwohner; Wolf Haas stammt aus Maria Alm, Land Salzburg, zweitausend Einwohner.

Ein Nachfahre des Predigers Konrad von Waldhausen

Die Herkunft hat es also in sich. Und bestimmt ist es kein Zufall, dass es in Waldhausen schon einmal einen gab, der mindestens so berühmt war wie Josef Hader heute: den Prediger Konrad von Waldhausen. Dortselbst geboren in den frühen zwanziger Jahren des vierzehnten Jahrhunderts, ging er ins örtliche Kloster der Augustinerchorherren, zog gegen steuerbefreite Kleriker und renditeorientierte Bettelmönche zu Felde. Er wurde als „der Waldhauser“ berühmt, fand den Gefallen des Kaisers Karl IV., wurde der Häresie bezichtigt (vermutlich eine von seinen Gegnern angezettelte Intrige) und starb vor Prozessende 1369.

Das war ein Mann mit Gewissheiten, die seinem fernen Nachfahren abhandengekommen sind. Josef Hader könnte, so sagt er, nicht predigen und kein Pfarrer sein. In Waldhausen wird dieses Jahr wieder die Friedensrose für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung verliehen. Gestaltet hat sie der Sakralkünstler Pius Frank aus Nöchling. Die hat der vielfach preisgekrönte Hader noch nicht bekommen. Aber dem Qualtingerschen Dilemma ist er glücklich entkommen.

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Wann der Hader endlich ein neues Kabarettprogramm bringen würde, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Mittelding zwischen Mythos und Running Gag entwickelt. Zehn Jahre ist es her, dass "Privat" Premiere hatte. Seither hat Hader sich nicht nur viel und sehr erfolgreich als Schauspieler und Drehbuchautor (u.a. in "Komm süßer Tod" und "Silentium") betätigt, sondern auch hunderte Live-Auftritte mit dem sich ständig ändernden "Privat" absolviert.
Anfang November erblickte "Hader muss weg" im Innsbrucker Treibhaus das Licht der Welt - in Form einer Lesung, so beiläufig, wie das Programm selbst beginnt. Vor Publikum und von Vorstellung zu Vorstellung hat Hader Text gekürzt, sich ausprobiert, mit Regisseurin Petra Dobretsberger die Figuren des Mehrpersonenstückes entwickelt, Requisiten eingebaut und dann doch wieder auf ein absolut nötiges Minimum reduziert.
Übrigens: das treibhaus ist stolz darauf,  Probestätte und Geburtshelfer für das neue Programm gewesen zu sein. So wie es auch darauf stolz ist, als einzige Bühne der Welt von Anfang an dabeigewesen zu sein - wo sämtliche Hader-Programme zu sehen waren. Vom Witzableiter und das Feuer bis Hader muß weg - inklusive Indien und der legendären Freizeitmesse mit Alfred Dorfer .....

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Josef Hader wird in Waldhausen, Oberösterreich, geboren. Er erhält in diesem Jahr noch keinen Kleinkunstpreis.
Volksschule Nöchling. Wegen wiederholtem Lügen richten die Lehrer in den kommenden Jahren mehrere Briefe an seine Eltern. Die Unterschrift läßt Hader von seiner Großmutter fälschen. Ministrant.
Bischöfliches Knabenseminar in Melk. Öffentliches Stiftsgymnasium.
Umfassende Kenntnisse in Latein und Altgriechisch. Die ersten Kabarettgrundlagen werden als Chorsänger, Mesner, Organist und Bettnässer gelegt. Ergreifende Darstellung eines Jesuitenpaters im Schultheater.
Kaum Mädchenbekanntschaften.
Zivildienst beim Roten Kreuz. Das fortwährende Waschen von Rettungsautos löst eine psychische Sperre aus: Bis vor kurzem kein Führerschein.
Lehramtsstudium Deutsch - Geschichte. Erstes Kabarettprogramm "Fort Geschritten".
Erfolge in Melk, Amstetten, Wieselburg und in der Wiener Fußgängerzone.
Zweites Programm "Der Witzableiter und das Feuer".
Kabarettpreis "Salzburger Stier".
Nach dem Besuch mehrerer Schulklassen im Kabarettprogramm bricht Hader sein Lehramtsstudium ab.
"Biagn oder Brechn" - das erste Programm mit stark persönlicher Formgebung und dramaturgischer Geschlossenheit löst in ganz Österreich und Süddeutschland Begeisterung aus. "TZ - Rose" der gleichnamigen Münchner Tageszeitung für die beste kabarettistische Leistung des Jahres.
"Bunter Abend" - dieses kabarettistische Harakiri voller Zweifel, Phantasie und Ironie ist mittlerweile zu einem
Stück Kabarettgeschichte geworden und hauptsächlich daran schuld, daß Hader.....
.....den renommierten "Deutschen Kleinkunstpreis" in Empfang nimmt.
Gemeinsam mit Alfred Dorfer schreibt er das satirische Stück "Indien" und erntet damit - unter anderem im deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel" - erste Anerkennung als Theaterautor. Im Herbst desselben Jahres entsteht schließlich
"Im Keller": Das Soloprogramm erhält begeisterte Kritiken, Qualtingers "Herr Karl" wird zum Vergleich bemüht.
Mitwirkung im Peymann - Stück "Der Triumph des Widerstandes". Hauptrolle im Fernsehfilm "Cappuccino Melange".
Österreichischer Kleinkunstpreis für "Indien".
Förderpreis zur Kainzmedaille der Stadt Wien für "Im Keller".
Verfilmung "Indien" mit Alfred Dorfer und Paul Harather.
Mit 350.000 Zuschauern wird "Privat" in Österreich das meistgesehenste Kabarettprogramm
überhaupt und außerdem und aller Zeiten.
Platin CD, Platin Video. Ausverkaufte Spielserien in München, Hamburg, Berlin, Köln, Stuttgart,
Zürich usw....

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"Glück ist ein unnatürlicher Zustand"
9.1.09
Josef Hader über Prügel im Internat, die alten Medizinmänner der Weltwirtschaft und warum er als etabliertes Arschloch beschimpft wird

SZ: Josef Hader, reden wir über Geld. Was machen Sie mit Ihrem Einkommen?
Josef Hader: Ich hab" ein Haus im Burgenland gekauft und eine Wohnung in Wien. Und ich habe privat eine recht angeregte Patchwork-Situation, das kostet auch. Wenn ich Geld über habe, dann liegt es herum. Die Bank hat immer angerufen und gesagt, man sollte was anlegen. Ich mach" nix.
SZ: Bei der Bank gibt es den Wettbewerb: Wer knackt den Hader?
Hader: Die haben schon aufgegeben.
SZ: Wenn es herumliegt, verlieren Sie durch die Inflation.
Hader: Ich finde es trotzdem gut, wenn es herumliegt. Geld ist Zeit. Wenn ich Geld auf der Bank habe, kann ich ein Jahr an einem Programm schreiben, ohne sonst was arbeiten zu müssen.
SZ: Fällt es Ihnen schwer, Geld auszugeben?
Hader: Ich hatte immer wenig Bedürfnisse, weil ich auf dem Internat war, im Kloster. Dieses Katholische, dass man frei ist, wenn man wenig Bedürfnisse hat, das kriege ich nicht raus. Nach dem Kloster kam das Studium, das damals ja noch nichts kostete, ich konnte umsonst mit der Straßenbahn fahren und hatte ein Zimmer mit Klo auf dem Gang.
SZ: Nach all Ihren Erfolgen könnten Sie bei den besten Italienern Wiens essen, wann Sie wollen.
Hader: Ich würd" öfter hingehen, wenn nicht bei allen wirklich guten Italienern Wiens so viele unlockere Menschen sitzen würden. Man könnte auch sagen: neureiche Arschlöcher.
SZ: Warum sind Sie als Jugendlicher weg von den Eltern ins Internat?
Hader: Ich wollte nicht primär weg von den Eltern, ich wollte weg von den Kindern in der Grundschule. Die haben mich geschlagen.
SZ: Wurde es im Internat besser?
Hader: Nein. Die Kinder dort haben mich auch geschlagen. Ich dachte bei meinem Wechsel, es würde besser. Das war einfach ein Irrtum.
SZ: Warum schlugen die Sie?
Hader: Ich war sozial unterentwickelt. Ich war so ein Erwachsenen- und Großelternkind, das mit Gleichaltrigen nichts anfangen konnte.
SZ: Klingt schwierig.
Hader: Ich bin zu freundlich, zu nett, ich sag" immer das, was die Leute hören wollen. Seit meiner Kindheit kämpfe ich damit, dass ich mich nicht abgrenzen kann von der Umgebung. Wenn jemand mich richtig manipuliert, mach" ich alles.
SZ: Hm.
Hader: Die Pfarrer im Internat waren aber nicht so schlimm, im Stift Melk waren sie nahezu links. Ich glaube, ich habe die beste Zeit in 2000 Jahren erwischt, um katholisch erzogen zu werden. Damals war die Kirche viel lockerer.
SZ: Wie bitte?
Hader: Als Papst Johannes XXIII. gewählt war, erklärte er den Journalisten: "Ich bin jetzt unfehlbar, aber ich gedenke, keinen Gebrauch davon zu machen." Und alle lachten. Können Sie sich das vom Ratzinger vorstellen?
SZ: Wollten Ihre Eltern verhindern, dass Sie Kabarettist werden?
Hader: Die haben es erst spät erfahren, offiziell studierte ich ja. Dann kam ich ins Fernsehen. Wenn man im Fernsehen ist, bedeutet das nichts. Aber für meine Eltern war es was Großes. Da haben sie leichter geschluckt, dass ich Kabarettist werde. Auch wenn sie zweifelten, dass ich davon leben kann.
SZ: Was bringt ein Auftritt?
Hader: Kleinere Auftritte 600 bis 800 Euro, größere bis 4000, wenn 1000 Leute da sind. Ich spiel" nicht das ganze Jahr.
SZ: Lehnen Sie Auftritte ab?
Hader: Wenn ein mir unbekannter Veranstalter mit einem kleinen Veranstaltungskeller aus der Mitte Deutschlands anruft, lehne ich manchmal ab. Erstens wegen der vielen Kilometer und zweitens: wenn der erst jetzt draufkommt, dass es mich gibt . . . Dann hab" ich schon gehört, ich sei ein etabliertes Arschloch.
SZ: Sind das so Altlinke mit langen Haaren, die Ihnen vorwerfen, ein Kapitalistenschwein zu sein?Hader: Nein. Die Alt-68er, die nicht korrupt geworden sind, die sind so selten, die trifft man kaum. (lacht)
SZ: Sie sagten mal über 68er: Menschen, die ständig Leuten mit dem Megafon ins Ohr geschrien haben, die einen Meter neben ihnen standen, das können keine guten Menschen geworden sein. Sind die 68er ein Fehlschlag?
Hader: Ich würde es gerne anhand meines Berufes beschreiben: Dieter Hildebrandt ist für mich glaubwürdiger als viele danach. Ihn und Gerhard Polt finde ich auch glaubwürdiger als mich selber.
SZ: Und glaubwürdiger als die Joschka-Fischer-Generation?
Hader: Ja, wobei ich bei Fischer immer Respekt davor hatte, wie kaltschnäuzig er sich verteidigt. Ich hab" ihn im Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre gesehen. Das war eine großartige Show. Da muss man als Kollege sagen: Hut ab.
SZ: Schauspieler Fischer.
Hader: Er trägt zwei Stunden vor, dann fragt der Vorsitzende, wie lange es noch dauert. Darauf Fischer: "Weiß ich doch nicht. Glauben Sie, ich habe den Text vorher meiner Frau zum Frühstück vorgelesen?" Gescheite Menschen dürfen ruhig ein bissl arrogant sein. Drum ist Helmut Schmidt ja auch so beliebt.
SZ: Wofür ist denn der ganze Ingwer, der da auf dem Tisch liegt?
Hader: Für die Stimme. Das hab" ich vom Sting. Ein Konzertveranstalter in Lienz bekam vom Sting eine 20-seitige Cateringliste. Ganz zum Schluss stand: frischer Ingwer. Er dachte, das zum Schluss wird nicht so wichtig sein und hat getrockneten Ingwer besorgt. Da erklärte der Manager von Sting: Wir sagen den Auftritt ab! Der Veranstalter musste die ganzen 180 Kilometer von Lienz nach Innsbruck, um frischen Ingwer zu holen.
SZ: Und, hilft"s?
Hader: Der Ingwer hilft sehr. Mit meinem Programm "Hader muss weg", wo ich sieben Figuren mit unterschiedlichen Stimmen spiele, fahre ich übers Land wie ein alternder Tenor. Ah, wird die Stimme heute reichen? Allerdings hauen sich die richtigen alternden Tenöre ja Cortisonspritzen in die Oberschenkel.
SZ: In Ihrem Programm machen Sie sich über linksliberale Städter lustig. Also über Ihr eigenes Publikum. Warum?
Hader: Beim Kabarett sollte über die gelacht werden, die im Raum sitzen. Im klassischen Politkabarett wird zu oft über Menschen gelacht, die nicht im Raum sitzen. Meist über Minderheiten wie Politiker, Kardinäle, Faschisten . . .
SZ: Zu Unrecht verfolgte Minderheiten?
Hader: Nein. Aber was bringt so ein Kabarett? Zuschauer und Künstler bestätigen sich gegenseitig und kommen sich dabei unglaublich mutig vor.
SZ: Im Programm "Bunter Abend" qualifizierten Sie diese Politikerschelte mit dem Satz ab: "Lang schlafen, gut essen, spät sterben - des san Themen."
Hader: Oft dreschen diese Kabarettisten auf alle Politiker ein. Alle sind dumm, alle sind korrupt. Was ist das Ziel von so einem Kabarett? Eine Demokratie ohne Politiker? Computer übernehmen die Macht? Das erinnert mich daran, wie in der Weimarer Republik über Politik geredet wurde, "Quasselbude" und so.
SZ: Sind Sie ein unpolitischer Komödiant, müsste man sagen: Comedyant?
Hader: Gar ned. Mich interessieren gesellschaftliche Stimmungen. Im aktuellen Programm die Entwicklung zur Ich-AG, die Auflösung der Gemeinschaften. Die Menschen arbeiten nicht miteinander, sie verfolgen nur eigenes Interesse.
SZ: Welche Rolle spielen Politiker?
Hader: Populistische Politiker reden einer Gruppe ein, die andere wäre schuld. Den Jungen sagen sie, die Alten sind schuld. Den Alten sagen sie, die Ausländer sind schuld. Schließlich bekämpfen sich alle Gruppen gegenseitig, statt nach gemeinsamen Interessen zu suchen.
SZ: Woher kommt diese Entwicklung?
Hader: Aus der Wirtschaft. Als ich ein Jugendlicher war in den 70er Jahren, stand in der Zeitung, dass Europa den Amerikanern überlegen sei, auch weil es bei uns weniger Gegensätze zwischen Arm und Reich gab. Dann kam Ronald Reagan und deregulierte, es begann die Verherrlichung des Egoismus, eine Dynamik auf Kosten der Schwachen.
SZ: War es vorher besser?
Hader: Früher hieß es, Europas Stärke sind ein solider Mittelstand und eine breite Mittelschicht, wobei man die Begriffe nicht benutzte. Die Mitte war einfach da, unterhalb schien es wenige Menschen zu geben, um die sich der Staat kümmern musste. Heute wird ständig über die Mittelschicht geredet und an Definitionen gefeilt, weil sie immer kleiner wird.
SZ: Hat die Finanzbranche die Dynamik der Ich-AG auf die Spitze getrieben?
Hader: Ja. Wobei mich der Crash an die Geschichte erinnert. 1929 nahmen die Leute Kredite auf, um an der Börse zu spekulieren. Diesmal spekulierten die Anleger und die Banken wieder stark auf Kredit. Trotzdem fiel die Parallele niemandem auf, auch nicht den 90-jährigen Medizinmännern der Finanzwirtschaft wie Alan Greenspan. Das war eh irrational. Immer wenn der hustete oder ein Komma falsch setzte, stürzte eine Kurve ab. Wie bei einem Indianerstamm.
SZ: Was kostet Sie die Finanzkrise?
Hader: Ich habe einen Freund, der macht so ethisch einwandfreie Fonds, dem habe ich Geld gegeben.
SZ: Wie viel haben Sie verloren?
Hader: Weiß ich nicht genau. Ich hatte ihm ein paar Gagen in die Hand gedrückt.
SZ: Haben Sie Angst vor dem großen Kollaps?
Hader: Mir kann nichts passieren. Ich habe ein Wohnrecht auf dem alten Hof meiner Eltern. Falls alles zusammenkracht, geh" ich zu meinem Bruder, arbeite dort ein bisschen und bekomme Essen.
SZ: Woran arbeiten Sie gerade?
Hader: Im März kommt "Der Knochenmann" in die Kinos, das ist die nächste Wolf-Haas-Verfilmung mit dem Sepp Bierbichler in der zweiten Hauptrolle. Und wir machen gerade eine kleine Fernsehserie über zwei Pathologen im Keller eines Krankenhauses. Mit Verwesungsprozessen kenne ich mich aus. Da bin ich wirklich Fachmann.
SZ: Oh Gott.
Hader: Pathologie, Leichenschauhäuser, wo sich Leben und Tod vermischen, das hat mich stets interessiert. Denken Sie sich einen jungen Mann, der die Frau seines Lebens kennenlernt, und die ist ein bisschen scheu. Sagt er gleich, dass er Pathologe ist? Geht da die Beziehung kaputt? Sagt er daher lieber, er ist Arzt?
SZ: Sie spielen lauter hoffnungsfrohe Figuren: Einen drogensüchtigen Rettungssanitäter, einen Restauranttester, dessen Kollege an Krebs stirbt, jetzt einen Pathologen.
Hader: Sie werden in den großen Theaterstücken der Welt nur Versager und leidende Menschen sehen, nie glückliche. Kunst geht immer darum, mit der Realität fertig zu werden. Wenn man glücklich ist, macht man nichts. Glück ist ja ein unnatürlicher Zustand, den gibt es ja nicht lang. Ich erinner" mich noch, als ich verliebt war, da bin ich wochenlang nicht ins Kino gekommen. Mei, als ich verliebt war, das weiß ich noch.

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FALTER: HADER UNSER
die erstaunliche Geschichte eines Kabarettisten, der sein Publikum immer wieder vor den Kopf stößt und dafür geliebt wird. WOLFGANG KRALICEK

Originaltext aus Falter 49/04 vom 01.12.2004

Der Kabarettist schlendert auf die Bühne und sagt: „Gibt’s Fragen?“ So beginnt Josef Haders Programm „Privat“, und eigentlich könnte es damit auch schon wieder vorbei sein – im Grunde ist alles gesagt. Hader macht natürlich trotzdem weiter, zweieinhalb Stunden dauert das Programm, rund 800-mal (genaue Zahlen weiß keiner mehr) hat er „Privat“ in den vergangenen zehn Jahren gespielt.
  Premiere hatte das Rekordprogramm, das über 450.000 Zuschauer besuchten, am 1. März 1994 im Vindobona. Schon ein Jahr danach erwähnte Hader in einem Spiegel-Interview ein Projekt, von dem er noch nicht wisse, ob daraus ein neues Kabarettprogramm oder ein Filmdrehbuch werde. Das Drehbuch, an dem Hader tatsächlich arbeitet, ist bis heute nicht fertig. Aber genau zehn Jahre, neun Monate und sieben Tage nach der „Privat“-Premiere liegt nun ein neues Programm vor: „Hader muss weg“ hat am 8. Dezember Premiere, und in diesem Fall ist es ausnahmsweise nicht übertrieben, von einem Jahrzehntereignis zu sprechen.
  Die Spannung wird zusätzlich dadurch gesteigert, dass der Künstler vorab nicht über sein neues Werk reden möchte und deshalb bis zur Premiere keine Interviews gibt. Im offiziellen Pressetext lässt Hader nur wissen, dass in dem Programm „eine nachtschwarze Vorstadtstraße voller Gebrauchtwarenhändler, eine heruntergekommene Tankstelle, ein grindiges Lokal, ein Kuvert mit 10.000 Euro, eine Schusswaffe und circa sieben verpfuschte Leben“ vorkommen werden. Nachsatz: „Nicht vorkommen werden Prominente und Bundeskanzler. Es wird also wieder total unpolitisch.“
  Der Kabarettist stürzt auf die Bühne und sagt atemlos: „Es kommt gleich der erste Witz!“ So begann Josef Haders fünftes Solo „Biagn oder Brechn“ von 1988. Hader war deshalb so außer Atem, weil er zu spät gekommen war – auf dem Weg ins Kabarett hatte er einen Zusammenbruch erlitten. Wie er so auf der Straße lag, da dachte er: „In fünf Minuten soll i Kabarett spielen. Is des wirklich wichtig? Betrifft mi des? Des betrifft uns doch ned! Gut leben, lang schlafen, spät sterben – des san Themen!“
  „Biagn oder Brechn“ gilt als erstes „richtiges“ Hader-Programm. Hader verweigert darin konsequent die obligatorischen Politikerwitze und etablierte die Kunstfigur eines kaputten Komikers, die er in den nächsten Programmen noch weiterentwickeln wird. Zwei Jahre später – damals hielt er noch die branchenüblichen Abstände zwischen den Premieren ein – kommt Hader als schmieriger Entertainer mit Oberlippenbart und halbseidenem Dinnerjacket auf die Bühne. „Bunter Abend“ (1990) beginnt mit tiefen Herrenwitzen und entwickelt sich zu einer verzweifelten Publikumsbeschimpfung, vor der die Zuschauer nicht einmal in der Pause verschont werden: „Des is interessant! Des hoiten Sie für a Lösung: a Pause!“
  Früh hat Hader in seinen Programmen auch das Kabarett selbst reflektiert; der Bruch mit Genrekonventionen gehört zu den Stilmerkmalen seiner Arbeit. Zum Dank wurde ihm von Kritikern immer wieder bescheinigt, eigentlich gar kein Kabarett mehr zu machen. Das ist erstens Definitionsfrage (was ist Kabarett?) und zweitens insofern falsch, als Hader ja bewusst mit der Kabarettform spielt. „Andere zerhau’n Fensterscheiben, i zerhau mei Kabarettprogramm“, hat Hader einmal gesagt. Die Trümmer aber bewahrt der Dekonstruktivist des Kabaretts stets fein säuberlich auf – um sie fürs nächste Stück dann wieder anders zusammenbauen zu können.
  In dem frühen Programmtitel „Tausche Witze gegen Geld“ steckt schon die ganze Schizophrenie des Künstlers, der die Hand beißt, die ihn füttert. Auch abseits der Bühne legt Hader Wert darauf, Distanz zum Kabarettbetrieb zu signalisieren. In der Autorevue ist voriges Jahr eine Auf-Tour-mit-Hader-Reportage erschienen (das Foto auf dem Plakat zum neuen Programm wurde übrigens bei dieser Gelegenheit geschossen), in der Hader über die Margithalle von Heidenreichstein ins Schwärmen gerät: „Des mog i, da spü i vü lieber als in so einer g’schleckten Kabarett-Location, wo die Leute hingehen, damit sie was zum Essen und Trinken kriegen, und dazwischen klatschen sie dem vorn auf der Bühne zu. I würd ja nie ins Kabarett gehen.“
  „Ich bin wahrscheinlich der einzige Künstler in Mitteleuropa, der halbseitige Besprechungen in der Zeit hat und gleichzeitig in der Mehrzweckhalle Attnang-Puchheim spielt“, hat Hader bei anderer Gelegenheit einmal bemerkt. Und was schreibt sie so, die Zeit?„Haders Soli sind dramaturgisch raffiniert vorbereitete Zusammenstöße von Kollaps und Raserei“; oder: „Irgendetwas, wahrscheinlich diese gnadenlose Mischung aus Genie und Eitelkeit, treibt ihn immer ganz hoch hinauf, auf die Spitzen der Gipfel seiner Kunst, die als Kabarett begann.“
  Da haben wir’s wieder: der Kabarettist, der das Kabarett hinter sich gelassen hat. Tatsächlich hat Hader den Begriff Kabarett erweitert und damit auch für andere Künstler Räume aufgemacht: Grenzgänger wie Karl Ferdinand Kratzl oder Martin Puntigam hätten es ohne Hader wahrscheinlich noch schwerer gehabt. Von einem Vorbild namens Hader möchte Thomas Maurer, dessen Debütprogramm im selben Jahr wie „Biagn oder Brechn“ Premiere hatte, nicht sprechen. „Aber ich hab das immer spannend gefunden, was er macht. Und seine Versuche, mit jedem Programm was Neues hinzustellen, waren schon ermutigend für mich.“

Nach „Bunter Abend“ hätte Hader eigentlich zurücktreten müssen: Mehr Kabarettzertrümmerung geht nicht. Weil er aber erst 28 Jahre alt ist, macht er natürlich weiter – aber ganz anders. Zuerst schreibt und spielt er gemeinsam mit Alfred Dorfer die Wirtshaustragikomödie „Indien“. Die Qualität des später auch erfolgreich verfilmten Stücks zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es auch außerhalb Österreichs und ohne Hader und Dorfer funktioniert und an zahlreichen deutschen Bühnen nachgespielt wird. Ein Jahr später, wir schreiben 1992, hat „Im Keller“ Premiere. Das Monodram ist Haders „Herr Karl“ und sein erklärtes Lieblingsprogramm.
  In einem knallbunten Hemd und mit Designerbrille spielt er einen Werbefritzen, der den Katastrophenschutzkeller des elterlichen Hauses in einen Fitnessbereich umbauen lassen will. Im Gespräch mit einem (nur imaginär anwesenden) Maurermeister redet er im selben Atemzug über Innovationen auf dem Pkw-Markt („Der neue Audi hat jetzt dieses Sicherheitslenkrad“) und aktuelle Kriegsschauplätze („Was sagen S’ zu Jugoslawien“), aber der oberflächliche, halbgebildete Schnösel entpuppt sich nach und nach als armes Würschtel.
  „Es ist alles so enttäuschend: die Kinder, die Liebe, die Akropolis. Das Leben verliert so dadurch, dass man’s kennen lernt. Finden S’ ned?“ Die Werbeagentur gehört seiner Frau, sein junger Arbeitskollege ist wahrscheinlich ihr Liebhaber, entsprechend trist gestaltet sich das Eheleben: „Du brauchst mi ned streicheln!“, sagt er im Bett zu ihr. „Es genügt, wenn wir uns dort berühren, wo’s notwendig ist.“

Der Mann ist, wie alle Hader-Helden, ein sentimentaler Hypochonder, der unter eingeschlafenen Füßen und empfindlichen Haarwurzeln leidet wie unter Phantomschmerzen und sich am meisten vor sich selbst ekelt: „In letzter Zeit schwitz i so! I mog des ned, wenn des so pickt!“ Seinen absurd-virtuosen Höhepunkt erreicht der Abend, wenn Hader die Worte durch kunstvoll moduliertes Rotzaufziehen ersetzt: „Soll ich Ihnen sagen, wie das Leben ist? Rotz – rotz – schlatz.“
  Auch in „Privat“ kommen Haders Schleimhäute zu ihrem Recht, den Rotzaufziehzwang erklärt er mit einer verkrümmten Nasenscheidewand. Später verrät Hader noch eine andere, deutlich unangenehmere Anomalie: Im Zuge einer missglückten Wanderhodenoperation wurden ihm irrtümlich die Nieren in den Hodensack verpflanzt. Ein Kunstfehler, der ihm erst in der Pubertät aufgefallen ist: „Beim Onanieren hab ich immer so einen Durst gekriegt!“
  „Privat“ ist eine kunstvolle Verquickung von Fakten und Fiktion. Zum Beispiel stimmt es, dass Josef Hader am 14.2.1962 in Waldhausen (OÖ) geboren und auf einem Bauernhof in Nöchling (NÖ) aufgewachsen ist. Unwahr hingegen ist, dass Hader mit einer schwarzen Hornbrille zur Welt kam und ihn seine Eltern später gezwungen haben, Künstler zu werden. Es stimmt auch, dass Hader in seinen ersten Kabarettprogrammen von einem blinden Pianisten (Otto Lechner) begleitet wurde; dieser hatte in Wirklichkeit aber keinen Blindenhund bei sich und dämpfte auf diesem auch keine Zigaretten aus.
  Das Programm, das ganz privat begonnen hat, entwickelt sich zu einer fantastischen Reise, die Hader um die halbe Welt und fast bis zum Mond führt. In Paris lernt er den Ast kennen, von dem auf den Champs-Elysées einst Ödön von Horváth erschlagen wurde; in Nairobi begegnet er dem „König von Afrika“, der dem zynischen Europäer die Leviten liest: „Machts weiter so. Aber sagts ned Demokratie!“ Nach der Pause hat sich Hader einmal mehr in ein emotionales Wrack verwandelt. Jahre vor Michel Houellebecq bekennt er sich zum Sextourismus als effektive Form von Entwicklungshilfe („Dadurch, dass man selber runterfliegt, weiß man, dass das Geld direkt ankommt!“), klagend singt er am E-Piano fatalistische Lieder. „So ist das Leben: Der eine kommt nach Paris, der andere kommt nicht nach Paris.“
  Josef Hader ist unbestritten einer der spannendsten Kabarettisten des deutschen Sprachraums. Das erklärt aber noch nicht, warum er auch einer der erfolgreichsten ist. Im Gegenteil: In einer Branche, in der das Publikum allen Experimenten eher skeptisch gegenübersteht, dürfte einer wie Hader eigentlich gar nicht so beliebt sein. Das Geheimnis seines Erfolgs ist schwer zu ergründen. „Er spielt nicht einfach ein Programm, er erlebt wirklich jeden Abend in der Begegnung mit dem Publikum neu“, meint Haders Manager Georg Hoanzl. „Da ist er neugierig wie ein Forscher. Das merken auch die Leut.“
  Haders Deutschprofessorin aus dem Melker Stiftgymnasium hat die Kunst ihres ehemaligen Schülers in einer TV-Dokumentation so analysiert: „Er lässt die Leute mit Unterhaltung auf einen Fehler aufmerksam werden. Und wenn er von der Bühne abtritt, hat man eigentlich das Gefühl, das ist nicht der Fehler der anderen, den er besprochen hat, sondern das ist mein eigener Fehler.“ So ließe sich auch die Wirkung einer guten Predigt beschreiben. „Mit zehn wollte ich Pfarrer werden“, hat Hader der Süddeutschen einmal verraten. „Und auf verschlungenen Wegen bin ich auch einer geworden.“ Als „Passionsgeschichte“ hat Zeit-Kritiker Helmut Schödel Haders Programme bezeichnet. Zu Recht: Der Kabarettist nimmt die Sünden der Welt auf sich, auf dass wir sie mit ihm auch uns vergeben.
  Hader selbst beschreibt seine Arbeit gern als eine Art Selbsttherapie: „Ich bin potenziell zu allem fähig, was ich auf der Bühne mache“, gestand er 1991 in einem Gespräch mit dem Fotografen Joseph Gallus Rittenberg. „Ich weiß genau, ich lebe da oben nicht die edelsten Triebe aus“, meinte er ein anderes Mal. „Aber es wäre schön in der Welt, wenn alle diese Triebe so auslebten wie ich.“ Wo die Religion und die Psychologie bemüht werden, ist das Theater nicht weit – und natürlich lässt sich das Phänomen Hader auch ganz einfach so erklären: Der Mann ist ein verdammt guter Performer, der sehr genau weiß, wie man das Publikum „kriegt“. Die intellektuelle Schärfe verpackt Hader in seinen weichen oberösterreichischen Dialekt, der immer etwas naiv wirkt; wenn er etwas Schlimmes gesagt hat, lässt er sein entwaffnendes Bubenlächeln aufblitzen; zwischendurch schenkt er seinen Figuren immer wieder besinnliche Momente, die sich in einer wohlgesetzten Pause entfalten können – um anschließend mit einer befreienden Pointe aufgelöst zu werden.
  Dass seit „Privat“ mehr als zehn Jahre vergangen sind, war nicht geplant. „Ich habe mich da selber ein bissl einetheatert“, meinte Hader in einem Falter-Interview, das jetzt auch schon wieder vier Jahre her ist. Zuerst wollte er mit „Privat“ Deutschland erobern (was zumindest im Süden und Norden gelungen ist), dann arbeitete er an seiner Karriere als Filmschauspieler (ohne dabei je die Qualität seiner Kabarettprogramme zu erreichen), und irgendwann war so viel Zeit vergangen, dass das neue Programm zum Problem wurde. „Er war schon unter vierzig eine Legende zu Lebzeiten“, versucht sich Thomas Maurer in den Kollegen hineinzudenken. „Mit diesem Ausnahmezustand, der ihm auch diese besondere Aura verschafft hat, ist es jetzt vorbei.“

Aber wahrscheinlich ist es ja genau das, was er wollte: endlich wieder ein ganz normaler Kabarettist sein! Die endgültige Entscheidung dürfte im Sommer vergangenen Jahres gefallen sein, als Hader im Theater am Alsergrund Spieltermine reservieren ließ. Dass das neue Programm ausgerechnet auf der kleinsten Kabarettbühne Wiens (68 Plätze) Premiere hat, ist eine Hader-typische Mischung aus Koketterie und Solidarität: Für das kleine Kellertheater, in dem normalerweise hauptsächlich „No-Names“ auftreten, ist das unerwartete Hader-Gastspiel ein Segen. Die zehn Vorstellungen, die er dort spielt, waren binnen fünf Stunden ausverkauft.
  Wie Besucher der Testvorstellungen im Innsbrucker Treibhaus berichten, spielt Hader im neuen Programm viele verschiedene Charaktere – darunter ein zerstrittenes Liebespaar und einen heruntergekommenen Barpianisten. Hader selbst, nur so viel sei noch verraten, wird gleich am Anfang umgebracht: Der Titel „Hader muss weg“ ist also ziemlich wörtlich zu verstehen.
  Hader ist tot. Aber der Mann, der Pfarrer werden wollte und stattdessen eine Art Kabarettmessias geworden ist, weilt ab sofort wieder unter den Sterblichen: Hader unser ist wieder einer von uns.

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K R I T I K E N
H A D E R    M U S Z    W E G

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Es wurde bei der Premiere viel gelacht, obwohl es abgründig böse war. Prominente und Bundeskanzler, ließ Hader mitteilen, würden nicht vorkommen – politisches Kabarett ist nun mal nicht mehr opportun. Aber Hader wäre nicht Hader, würde er sich dem Trend fügen. Mit einem Trick bietet er noch vor dem offiziellen Beginn, übertragen aus der Garderobe, einen im Wiener Jargon bösartigen Exkurs über Gesellschaft und Politik. Dann stürzt er in den Zuschauerraum, im Mantel Kottans (den Lukas Resetarits einmal spielte, Haders Lehrmeister) und in der Haltung derer, die er in Filmen so fabelhaft spielt, die in sich völlig Eingeschlossenen, gekrümmt, immer auf Verteidigung eingestellt. Er telefoniert mit seiner Frau. Ein Gespräch über die Beziehung, die längst keine mehr ist. Das ist Haders Thema: die Missverständnisse zwischen den Geschlechtern, die Unmöglichkeit von Nähe.
Anders als noch in „Privat“, wo er mit seinen biografischen Bekenntnissen irritierte, ist „Hader muss weg“ nur noch ein Spiel, ein Schauspiel. Er spielt mit Hader, dem besten Kabarettisten,