Christian Muthspiel – trombone, piano, electronics
Franck Tortiller – vibraphone
Georg Breinschmid – bass
Vibraphon – Posaune – E-Bass.
Werner Pirchner – Albert Mangelsdorff – Robert Riegler.
So lautete am Jazzfest Frankfurt 1988 die Besetzung des letzten Konzertes, welches Pirchner als Vibraphonist spielte. Diese Hommage an ihn, der 2005 65 Jahre alt geworden wäre und dessen Todestag sich 2006 zum fünften Mal jährt, ist zwar bewusst in der selben Besetzung gehalten, versteht sich aber nicht als historisches Nachstellen jenes Konzertes. Wir interpretieren auf unsere Art und Weise Pirchners Stücke, die allesamt in ihrer Anlage bereits den Impuls für interaktive Improvisationen beinhalten, und auf deren Basis wir unsere musikalischen Reisen antreten. Der französische Vibraphon-Virtuose Franck Tortiller schlüpft zwar nicht in Pirchners Rolle, wird aber in dessen Geist das Vibraphon als melodisch-harmonisch-percussives Chamäleon in allen erdenklichen Facetten erklingen lassen.
Als ich 1985 im Duo mit meinem Bruder Wolfgang unsere erste LP „Schneetanz“ veröffentlichte, erreichte uns kurz darauf eine Postkarte, auf welcher uns „Pirchi“ zu diesem Wurf gratulierte und uns Mut machte für das weitere, was noch kommen sollte. Albert Mangelsdorff wiederum war mein großes Vorbild als Posaunist und ist quasi dafür verantwortlich, dass ich den Jazz suchte (und fand). Und mein freundschaftlicher und für mich außerordentlich inspirierender Kontakt zu Werner Pirchner als Komponistenkollege bestand viele Jahre. So schließen sich mit diesem Projekt mehrere jener unzähligen Kreise, deren Ausbreitung in konzentrischen Wellen von Werners Impulsen ausgingen.
Untrennbar mit Pirchner verbunden bleibt der Gitarrist Harry Pepl, zweite Hälfte des legendären „jazzzwio“, das von Mitte der 70er bis Anfang der 80er Jahre international Furore machte und legendäre Konzerte und Platteneinspielungen bestritt. Pepl starb im Dezember 2005: Aus der Hommage an Werner Pirchner wurde so eine doppelte Würdigung zweier bedeutender österreichischer Künstler.
Zusätzlich wird Pirchners legendärer Film „Der Untergang des Alpenlandes“, quasi die Verfilmung der Platte „Ein halbes Doppelalbum“, gezeigt. Ein Heimatfilm der ganz besonderen Art, der in den 70er Jahren für Sendeverbote, aufgestochene Autoreifen und äußerst hitzige Debatten sorgte.
(Christian Muthspiel)
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Die Grabrede von Felix Mitterer
an Werner Pirchner
Es ist mir heute ähnlich schwer ums Herz wie vor drei Jahren, als Hans Brenner gestorben ist. Der Hansl und der Werner waren sich in vielem sehr ähnlich. Beide sind sie aus dem Volk gekommen, beide sind sie – in jeder Hinsicht – mit ihrem Dialekt, mit ihren Absichten, auch politischen und moralischen Absichten, beim Volk geblieben, ganz ohne Wollen, ganz selbstverständlich.
Sie kannten keine Entfremdung in unserer fremden Welt. Und beide sollten Kunst nicht im luftleeren Raum machen, nicht nur Kunst um der Kunst willen, sondern Kunst gegen schlimme gesellschaftliche Zustände, Kunst für eine bessere Welt, in der wir uns nicht mehr umbringen und gegenseitig knechten und den Nächsten ausbeuten und den Fremden – wer immer das ist – außer Landes oder umbringen. Beide haben immer Position bezogen, Hansl mit dem Theater, Werner mit der Musik.
»Pfeifen, singen oder trommeln Sie«, hat Werner auf seinem Anrufbeantworter gesagt. Die Freude an der Musik steht an erster Stelle, ganz legitim. Es ist schön, zu pfeifen, zu singen und zu trommeln. Es ist schön, mit Musik den Menschen Freude zu bereiten. Das hat Werner immer getan, besonders auch als Jazzmusiker, zusammen mit Harry Pepl als legendäres Jazz-Zwio.
Aber es hat ihm nicht genügt. 1973, mit dem »halben doppelalbum« hat er zum ersten Mal auf satirische Weise Stellung bezogen zur Tiroler, zur österreichischen Wirklichkeit, auf eine derart unverblümt witzige Weise, dass viele das nicht ertragen haben.
Witz ist eine unglaublich wirksame Waffe gegen die Mächtigen. Werner beherrschte das, was vielen Musikern versagt ist – das Wort nämlich; er war ein unglaublich begabter Verfasser von lakonischen, ins Schwarze treffenden Texten. Er hätte uns, die Autoren, gar nicht gebraucht. Aber wir brauchten ihn, den Komponisten, wir brauchten ihn dringend. Niemand, der es gehört hat, wird Werners Musik zu »Stigma« vergessen, 1982 in Telfs bei den Volksschauspielen. Da stand ein leeres Bett auf der Bühne, die Musik von Werner setzte ein, und die Zuschauer, Zuhörer brachen in Tränen aus, bevor ein Mensch auf der Bühne erschien, bevor ein Wort gefallen war.
Und im gleichen Sommer die Musik zur Komödie»Kaiser Josef und die Bahnwärterstochter« von Herzmanovsky-Orlando, »Do You Know Emperor Joe«, Witz auf dem höchsten Niveau, ein Jubel ohnegleichen, einer der Songs wurde in diesem Sommer zum Schlager, den die Telfer auf der Straße pfiffen, wie weiland bei Verdi in Mailand.
Werner hat mich durch mein ganzes literarisches Leben begleitet, er hat meine Stücke und Filme veredelt, in die Höhe gehoben und vertieft zugleich. Wir haben das Leben des Arbeiterdichters Alfons Petzold zusammen verfilmt, die »Sonate vom rauen Leben« wird als eine der berührendsten Kompositionen der Musikweltliteratur für immer Bestand haben; wir haben Südtirols Geschichte aufgearbeitet, wieder gibt es da in diesem Film Momente, wo nichts passiert, als dass ein verzweifelter Mensch durch eine Bauernstube geht, um den aufgebahrten toten Sohn herum, schweigend, versteinert, und es ist ganz still, und plötzlich setzt ein Musikakzent von Werner ein, und es dreht uns allen das Herz um vor Weh.
1988 »Kein schöner Land« am Wiener Volkstheater, wir erzählen die Geschichte eines Tiroler Juden, der im Stich gelassen, ausgeliefert, umgebracht wird – »Kann die Geige weinen? Sing! Tanz! Shalom« heißen die Sätze. Da gingen manche Abonnenten hinein, um das Abonnement abzusitzen, und sie kamen verwandelt heraus, durch Werners Musik.
Dasselbe bei »Ein Jedermann« in der Josefstadt, dasselbe bei der »Wilden Frau« im Ensembletheater am Petersplatz. Theater ist langweilig und nutzlos, wenn es nicht verändert, zumindest einen Menschen unter den zweihundert oder siebenhundert Besuchern verändert. Werner hat geglaubt an die Veränderung des Menschen, so wie auch ich, viele halten uns deshalb für naiv. Das sind wir auch. Nur in seiner Musik, da war Werner nie naiv, da war er groß, gescheit, gebildet, ein unglaublicher Könner, einer der Begabtesten unserer Zeit.
Und ein gnadenloser Perfektionist dazu. Suchte jahrelang nach dem richtigen Geiger, vorher nahm er das Stück nicht auf, warf alle miserablen Tonanlagen aus sämtlichen Wiener Theatern, in denen er arbeitete, und er arbeitete in beinah allen, war lästig bei Tonaufnahmen bis zum Gehtnichtmehr; das »halbe doppelalbum«, 1996 auf CD überspielt, musste natürlich klingen wie das Original-38er-Band, seinen Leib-Tontechniker Hanno Ströher schleppte er deshalb durch die Gegend, von Innsbruck bis Bratislava; und er liebte seine Musiker, verehrte sie, die Philharmoniker, mit denen er arbeitete, die Symphoniker, die Leute von den Kontrapunkten, die Jedermann-Bläser, die Stadtpfeifer, den Siggi Haider, alle. Und die Musiker lieben ihn, auch wegen seines Witzes, denn die auffallendste Eigenschaft aller Musiker ist ihr Humor; aber natürlich lieben sie ihn hauptsächlich wegen seiner Begabung.
Nie zuvor – finde ich – hat ein Komponist alles so fulminant unter einen Hut gebracht, hat gepfiffen auf E und U, hat den Jazz, die Volksmusik, die Klassik, die Moderne so unter einen Hut gebracht, aber auf ganz neue, unverwechselbare Weise, immer aber ohne akademische Hochnäsigkeit, denn sich erheben über die Menschen, das wollte Werner nie; Musik für Hirn, Herz und Bauch hat er uns geschenkt, der Einzige unter den Modernen, der keine Schwellenangst hervorrief, wo kein Bruch da war, sondern einfach ein Fließen; das alles kam aus dem Thaurer Fuchsloch heraus, und der Mensch in Tirol, und der in Wien, und der in NewYork hört zu und denkt und fühlt und pfeift mit Werner auf E und U, denn es gibt nur eines: gute oder schlechte Musik.
Zu sagen ist noch, dass Werner – genau wie Hans Brenner – gern gelebt hat, – »Let`s have a smoke, let`s have an Obstler« –, gern sehr intensiv gelebt hat, und sich die Nächte um die Ohren schlug, komponierend oder im Gespräch mit Freunden und Musikern und Regisseuren, und so ist Werner eigentlich nicht mit 61 Jahren gestorben, sondern mit 122, und das ist gar kein so schlechtes Alter.
Fehlen tust du uns allen trotzdem ganz furchtbar, Werner, wir werden aber weiter pfeifen, singen oder trommeln, in deinem Sinne, das versprechen wir dir. Sing, tanz, pfiat di, Shalom, lieber Werner Preisegott Pirchner!
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der nachruf der Uni Graz
an Harry PEPL
Harald Pepl ist tot
Das Institut Jazz trauert um einen ganz großen Musiker und Künstler:
Meldung vom 06.12.2005
Harry Pepl wurde am 10. September 1945 in Wien geboren. Nach der Handelsschule war er 1963 als Beamter bei der Gemeinde Wien tätig, daneben studierte er klassische Gitarre bei Prof. Scheit. Ab 1965 Auftritte als Unterhaltungsmusiker in ganz Europa (Austrian Aces) sowie Show- und Fernsehauftritte (Josephine Baker). 1971 kehrte er zurück nach Wien. In diese Zeit fielen musikalische Tätigkeiten mit dem Harald Neuwirth Consort und mit dem eigenen Trio (Aufnahmen und Fernsehbauftritte für den ORF). Daneben Tätigkeit als Studiomusiker und im Wiener Volksoperntheater. 1973-77 war er Mitglied der ORF-Big Band und des Erich Kleinschuster Sextetts. Solo-LP "Leave me" (Harry Pepl & ORF Big Band). Ab 1976 wurde er mit der Leitung der Ausbildungsklasse Gitarre-Jazz an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz betraut. 1977 löste er seinen Vertrag mit der ORF Big Band, um sich voll und ganz seiner Tätigkeit als Hochschullehrer und Jazzmusiker widmen zu können. Die im laufe der Jahre erworbenen pädagogischen Erfahrungen ermöglichten es ihm, seine Kenntnisse als Jazz- und Studiomusiker in zunehmendem Maße an die Studierenden weiter zu geben. So finden sich heute eine nicht geringe Anzahl von Absolventen in der Ewigenliste des Jazzinstitutes (Gernot Wolfgang, Guido Jeszenszky, Martin Siewert, Karlheinz Hornung, Peter Havlicek, Fernando Correa, Dragan Tabakovic u.v.a.) Aufnahmen und Auftritte mit Musikern wie Fritz Pauer, Art Farmer, Astrud Gilberto, Stan Getz, Lee Konitz, Toots Tielemans, Charly Antonioli, Daniel Humair, Didier Lockwood, Adelhard Roidinger,Ack van Royen, John Surman, Wolfgang Dauner, Manfred Schoof.....Fernsehaufnahmen und Konzerte im Wiener Konzerthaus, in München, Salzburg, Graz. Englandtournee, u.a. Royal Festival Hall London, Festivals in Edingurgh, Oxford, Leeds,.. Plattenaufnahmen mit Charlie Mariano und Runo Erikson. LP "Oberlisx Dream". Er war Mitglied des "Wiener Art Orchesters" (LP "Tango from Obango"), er absolvierte eine Tournee mit "Austria Drei" und wirkte als Solist bei unzähligen Auftritten. 1978 gründete er mit seinem langjährigen Partner und Vibraphonisten Werner Pirchner das "Jazzzwio" (LP "Gegenwind"). Mit dieser Gruppe trat er bei den wichtigsten europäischen Jazzfestivals in Montreux, Ancona, Velden, Wien, Saalfelden, Münster, Zürich, Edingburgh, Koblenz, Berliner Jazztage, Frankfurt, Steirischer Herbst u.v.a. auf. Als Mitglied des Benny Goodman Quintetts bestritt er Auftritte in der Berliner Philharmonie beim Bundeskanzlerfest, in Kopenhagen bei der René Kollo Show; Filmmusik zu "Zwei Gesichter einer Frau" mit Romy Schneider & Marcello Mastroiani (auch gleichnamige LP). Es folgte die Einspielung der LP Adelhard Roidingers "Schattseite" auf ECM, Produktionen mit dem "Jazzzwio" mit Jack DeJohnette. Harry Pepl's künstlerische und pädagogische Tätigkeiten durch Workshops und Seminare ("Ars Electronica" in Linz, Dozent im Modellversuch der MHS Hamburg u.v.a.) gewannen immer mehr an Internationalität. 1983 wurde er zum Ordentlichen Hochschulprofessor berufen. Aus Krankheitsgründen musste er 1995 vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Wann immer Harry Pepl mit seiner Frau das Institut besucht hat, machte ihm seine Krankheit zu schaffen. "Ich würde gerne öfter nach Graz kommen, aber, wenn ich nur eine Gitarre sehe, steigt mein Blutdruck.., ich muss gehn!" Die Nachricht von seinem Tod hat uns zutiefst getroffen.