treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

JASON MORAN

der neue  BLUE NOTE SUPERSTAR  »finest in jazz since 1939«

sowohl als Pianist wie auch als Bandleader setzt er neue Massstäbe. Selbst der altgediente Kritker Gary Giddins meint: 'He's good news for the jazz's future.' (hf)
Manche sehen in Jason Moran die Zukunft des Jazz. Jason Moran hat einen individuellen Kurs zwischen Neo-Traditionalismus und Zeitgeist entwickelt. Seine Vorgänger am Piano hat er gewissenhaft studiert - von Art Tatum bis Thelonious Monk und McCoy Tyner - doch ist die Jazztradition für ihn nicht denkbar ohne revolutionäre Musiker wie Muhal Richard Abrams, Jaki Byard oder Andrew Hill, die er zu seinen Lehrern wählte. Heute beherrscht er alle Stile vom Stride Piano bis zum Free Jazz. Mit seinem Quartet  "The Bandwagon" stellt er seit einigen Jahren eigene Kompositionen überzeugend und selbstverständlich neben Ellington, Brahms oder die Musik seiner Generation, den Hiphop.

Jason Moran – Designer der Zukunft
HAZZTHETIK


Die Anzahl der Definitionen des Jazz erreicht mittlerweile gigantische Ausmaße. Dabei hat man niemals den Eindruck, dass auch nur eine dieser Begriffsbestimmungen den Kern treffen würde. Jazz ist als künstlerische Gattung viel zu sehr in beständiger Veränderung begriffen, als dass man ihn für länger als nur einen Augenblick an bestimmten Merkmalen festmachen könnte. Doch was für die ganze Gattung zutrifft, lässt sich auch auf den einzelnen Musiker übertragen.


Von Wolf Kampmann

Jazz ist ein Entwicklungsprozess. Als die Musik noch weniger formatiert war als heute, hatten junge Jazz-Musiker ausreichend Zeit und Raum, sich im Sammeln von Erfahrungen zu entwickeln und entfalten, als Künstler zu reifen. Mit dem Mythos der Young Lions setzte in dieser Hinsicht eine Zäsur ein. Plötzlich galt Jugend als Tugend. Jungen Jazz-Musikern wurde der Anlauf abgeschnitten. Noch bevor sie überhaupt die Chance hatten, ihren individuellen künstlerischen Pfad zu finden, hatten sie sich oft leer gespielt. Nur die stärksten überlebten.

Gegenwärtig wächst jedoch eine neue Generation von Jazz-Musikern heran, die aus den Fehlern der Young Lions lernt. Zu diesen gehört der Pianist Jason Moran. Ihn in seiner Entwicklung zu beobachten gehörte zu den spannendsten Prozessen der jüngeren Jazz-Rezeption. Ein Musiker, der von frühester Jugend an der Herausbildung einer eigenen Sprache arbeitete und damit konsequent allen kommerziellen Verlockungen aus dem Weg ging. Nun wollen wir nicht so tun, als wäre Morans Label Blue Note ein unbedeutender Jazz-Indie, der aus reinem Idealismus junges Talent nach dessen eigenen Maßstäben fördert. Und doch erwies sich Jason Moran allen Vermarktungsmechanismen gegenüber als erstaunlich resistent. Er machte seinen Weg in der Band Greg Osbys und wartete bereits, von allen Seiten ob seiner spielerischen Übersicht bejubelt, verhältnismäßig lange, bis er 1999 mit seinem Plattendebüt Soundtrack To Human Motian rausrückte. Das Album wirkte alles andere als unentschieden, und doch bestand Moran seinerzeit darauf, einen Zustand der Unfertigkeit dokumentiert zu haben. Mit Facing Left und Black Stars folgten zwei weitere Combo-Alben, bevor Moran mit Modernistic heuer sein erstes Piano-Solo-Album aufnahm.

Wenn ein Mann allein an seinem Klavier sitzt und seinen Fantasien nachgeht, wirkt das in unseren Tagen immer öfter wie eine Botschaft aus einer anderen Welt, wie der Jazz als ganzer in seiner Wahrnehmung immer mehr zum Anachronismus zu verkommen droht. Doch wenn man Morans Spuren auf Modernistic folgt, wird man schnell gewahr, dass da ein Pianist ist, der einen völlig anderen Zugang zum Jazz hat, als man das selbst von seinen Vorbildern Andrew Hill, Thelonious Monk und Don Pullen gewöhnt ist. »Wir müssen unsere Musik nicht Jazz nennen. Vielleicht sollten wir sie einfach als Fusion begreifen. Nicht, dass wir den landläufigen Fusion-Begriff der Siebziger annehmen wollen, aber unsre Musik klingt nie wie ein japanischer Folk-Song oder ein Stück europäischer Klassik, selbst wenn dies die Hauptelemente in einem jeweiligen Kontext sind. Es könnte eine dieser Musikformen sein, erreicht diesen Zustand aber nie hundertprozentig. Insofern ist unsere Musik auch nicht wirklich Jazz, denn sie umfasst bestimmte Elemente des Jazz, ohne jedoch strikt den Jazz-Regeln zu folgen. Wir improvisieren, aber unsere Improvisationen basieren auf genau vorgegebenen Formen. Ich versuche mich der Musik aus so vielen Blickwinkeln wie möglich zu nähern. Das Leben ist kein Fernseher, den man nur von einer Seite betrachten kann. Wenn ich in eine Rodin-Ausstellung gehe, gucke ich mir seine Plastiken nicht nur von vorn an, sondern drehe Runden um jedes einzelne Exponat, um es von allen Seiten betrachten zu können. Rodin brachte einem Nackenwirbel oder Ohrläppchen dieselbe Aufmerksamkeit entgegen wie Nase und Augen. So wollen auch wir in unseren Stücken das ganze Spektrum dessen ausdrücken, was uns Musik bedeutet.«

Der Bezug zur visuellen Kunst tritt bei Jason Moran in vielfacher Hinsicht immer wieder zu Tage. Offener als irgendein anderer Musiker der Jazz-Geschichte bekennt er sich zu den Prinzipien des Designs. Im Umgang mit Formen findet Moran eine Antwort auf die Frage nach der musikalischen Relevanz eines Stückes oder einer Platte. »Ich finde es faszinierend, dass Designer wie Walter Gropius, Mies van der Rohe oder andere Bauhaus-Künstler im Vergleich zu ihren Zeitgenossen eine wesentlich größere Überlebenschance hatten. Vielleicht liegt es an der Klarheit und Übersichtlichkeit ihrer Formen und Entwürfe, dass sie auch heute nach fast hundert Jahren immer noch Gültigkeit haben. Ich versuche das Element des Designs, also klare Linien, Kontraste und Raum, ebenso in meiner Musik wirken zu lassen. An bestimmten Punkten kann die Musik ungeheuer dicht sein, um nur wenige Augenblicke später der größten Sparsamkeit verpflichtet zu sein. Die Kunst des Designs besteht darin, die richtige Balance zwischen verschiedenen Elementen zu finden. Selbst wenn genannte Designer sich als künstlerische Avantgardisten verstanden, mussten sie doch immer noch einen Weg finden, ihre Entwürfe der Realität anzupassen, denn ein Stuhl, auf dem niemand sitzen kann oder will, hat keinen Platz auf dieser Welt. Ich will mit meiner Musik bestimmte ästhetische Aussagen über Konturen und Flächen vermitteln, aber sie soll doch auch stets Spaß machen.«

Ein Kennzeichen funktionierender Designs ist stets die Effizienz. Jason Moran ist ein Meister der künstlerischen Effizienz. Er würde nie einen Ton verschwenden, ist stets hochkonzentriert, spielt nicht einfach vor sich hin, um irgendwann seinen Punkt zu finden. Nein, er setzt mit jedem Ton, den er spielt, Punkte und lässt zuweilen auch Flächen frei, indem er einfach innehält. Wie er auf Modernistic innerhalb einer Stunde ein ganzes Jahrhundert zusammenfasst und sogar noch darüber hinausgeht, ist gerade von einem 27-Jährigen ungeheuer beeindruckend. »Effizienz ist ein Weg, künstlerische Belange in Beziehung zu seinem eigenen Leben zu stellen. Wenn man stirbt, so heißt es, zieht das ganze Leben noch einmal in zwei Minuten vorüber. Vielleicht sind es auch nur 15 Sekunden. Auf welche Momente würde man sein Leben reduzieren? Wenn ich eine Platte mache, kommt es mir darauf an, die musikalischen Aussagen auf den Punkt zu reduzieren, an dem ich mich gerade befinde. Für diese Platte waren das Robert Schumann, Muhal Richard Abrams, James P. Johnson, meine eigene Musik. Wenn ich meine eigene musikalische Geschichte fokussieren will, muss ich ein klassisches Stück spielen, denn mit Klassik kam ich überhaupt zum Piano. Technisch ist dieses Stück von Schumann sehr einfach, aber emotional ist es eins der schwersten Stücke, die ich je gespielt habe. Ich sehe die Platte als Retrospektive dessen, was Musik uns heute bedeuten sollte.«

Dabei ist Moran der vorläufige Endpunkt einer Metamorphose, die sich über Generationen von Pianisten erstreckt. Er nimmt sich die Freiheit, von den Meistern der Vergangenheit zu lernen, um ein Design für die Zukunft zu entwerfen. Es geht darum, eine eigene Sprache zu finden und bereits vorhandene Idiome in diese Sprache zu übersetzen. Das geht jedoch nur, wenn man sich intensiv mit den innovativen Expressionen der Vergangenheit und ihren Metamorphosen auseinander setzt. Letztlich ist auch Sprache nichts anderes als ein Design der Seele. »Musiker wie Thelonious Monk, Charlie Parker oder Ron Carter waren stets in der Lage, alle nur denkbaren musikalischen Einflüsse in ihre eigene Sprache zu übersetzen. Selbst Art Tatum spielte in ganz normalen Jazz-Standards mit Zitaten von Prokofjev oder Rachmaninov. Auch Jacky Byars oder Andrew Hill beherrschten diese Kunst. Sie schrieben Stücke fast wie Fugen und doch klingen sie ganz anders als Bach. Sie beachteten dieselben Regeln, passten sie aber ihren Bedürfnissen an. Von diesen Meistern lernend, versuche ich selbst in einem völlig ausgeschriebenen Stück wie der Schumann-Komposition immer meinen Standpunkt einfließen zu lassen. Spiele ich Schumann, kommt es nicht darauf an, was der Komponist dachte, sondern was ich über das Stück denke. Wenn ich mit einem präparierten Klavier arbeite, muss ich nicht klingen wie John Cage, sondern kann viel leichter zugängliche Wege zu diesem Instrument finden.«

Der Albumtitel Modernistic klingt bewusst konstruktivistisch. Moran will an die Ästhetik des Bauhauses anschließen, die er bis heute für wegweisend hält. Etwas zeitloses schaffen, das doch absolut für den Augenblick steht. »Der Titel bezieht sich auf James P. Johnsons Stück ›You Got To Be Modernistic‹, mit dem das Album beginnt. Als er dieses Stück schrieb, war es sehr ungewöhnlich. Ich machte mir dieses Motto zu Eigen, und fand heraus, dass es auch die Maxime vieler anderer Künstler war, die ich respektiere. Meine Pflicht als Künstler besteht darin, die Kunstform nach vorn zu tragen. Es ist auch wichtig, die Vergangenheit am Leben zu erhalten, aber meine Pflicht als Musiker besteht darin, modernistisch zu sein. Dabei kann man durchaus mit traditionellen Formen arbeiten. Was Le Corbusier oder Mies van der Rohe mit dem uralten Konzept des Stuhls machten, war trotzdem völlig neu. Auch ich versuche nicht alles über den Haufen zu werfen, was auf dem Solo-Piano im Jazz geschaffen wurde. Aber ich will ein neues Licht auf das Solo-Piano in unserer Zeit werfen und mich nicht am Repertoire festhalten.«