treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

BUGGE WESSELTOFT

nach NEW CONCEPTION OF JAZZ zurück zu den wurzeln: PLAYING. Piano & more.

Er ist zweifelsfrei das Zentrum der kreativen nordischen Jazz-Bewegung und ganz nebenbei sogar der Nachbar von Nils Petter Molvaer, der nicht minder die Musik Norwegens revolutioniert hat. Beiden gelingt es, den Jazz mit anderen Arten von Musik zu kreuzen. Bugge schreckt dabei vor keinem Soundexperiment zurück, um den Puls der Zeit mitzugestalten.
Unlängst kündigte er an, dass er sich wieder verstärkt dem Piano zuwenden wolle. Das Ergebnis ist sein zweites Soloalbum „IM“, auf dem Bugge Wesseltoft fast ausschließlich am (und im) akustischen Flügel zu hören ist. Die Grundstimmung ist klar: mit einfühlsamen Melodien und melancholischen Akkordfolgen dringt er tief in die Herzen ein. Das macht er live hierzulande ziemlich selten und so ist sein Gastspiel im Treibhaus mit Sicherheit eine Rarität.

Das letzte Mal, als von Norwegen entscheidende Impulse für die Jazz-Welt ausgingen, waren Musiker wie Jan Garbarek oder Terje Rypdal beteiligt. Das war Anfang der 70er. 30 Jahre später hat eine Generation das Zepter übernommen, die mit Funk, Fusion, Rock'n'Roll und ethnischer Musik aufgewachsen ist. Die Erneuerer heißen heute Nils Petter Molvaer, Rebekka Bakken, Sidsel Endresen und Bugge Wesseltoft. Ihr Verständnis von Musik hat keinen Respekt vor der Zukunft. Sie setzen sich mit Coltrane-Transkriptionen ebenso auseinander, wie mit der Gebrauchsanleitung für Sampler.


Einer der führenden Köpfe im Vorder- wie im Hintergrund ist Bugge Wesseltoft. Auf seinem Label Jazzland hat er für die Szene eine Plattform geschaffen, die künstlerische Freiheit als Arbeitsbasis voraussetzt. Aber auch an der Front kämpft Bugge mit. Außergewöhnlich authentisch, individuell und intim präsentiert er sich im Duo mit Sidsel Endresen. Ihre filigranen Kompositionen überzeugen auf CD ebenso wie live.
Sein Projekt "New Conception Of Jazz" kümmert sich darum, den musikalischen Stumpfsinn aus den Clubs zu verbannen. Mit 4-To-The-floor-Beats, Improvisationen, DJs und Jazz-Changes überzeugt er die Generation X. "Meine Generation und die jüngeren Musiker haben erkannt, dass es möglich ist, künstlerische Eigenständigkeit zu bewahren und trotzdem Anerkennung zu finden. Diese Einstellung ist vielleicht in Norwegen stärker ausgeprägt als anderswo. Man braucht nur nach Dänemark zu gehen, dort sind 95% aller Musiker stark an dem orientiert, was in Amerika passiert."
Drehscheibe für die Aktivitäten bildet der Club Bla in Oslo, das norwegische Äquivalent zur Knitting Factory in New York. Hier treffen sich die Protagonisten der Dance-, Elektronik- und Jazzszene um ihre Erfahrungen und Visionen auszutauschen. "Die hiesige Szene ist sehr offen. Schon in den 80ern gab es starke Verbindungen zwischen der Folk-Szene und dem Jazz. Heute findet ein größerer Austausch zwischen der elektronischen und der Jazz-Szene statt, was ich persönlich viel interessanter finde."
Was ihn in seiner künstlerischen Arbeit vorantreibt, ist die Neugier. Jazzthing bringt es auf den Punkt: "An Wesseltoft beweist sich einmal mehr, dass Neugier der beste Motor für kontinuierliche künstlerische Äußerungen ist, alle Virtuosität jedoch nicht mehr als ein Werkzeug, dessen Handhabung sich für einen Musiker von selbst versteht."
Mit dem Album "Film'ing" schließt Bugge Wesseltoft 2004 die Akte 'New Conception Of Jazz', um seiner Neugier neue Befriedigung zu verschaffen. "Es ist das letzte Studioalbum, das ich mit diesem Projekt mache", sagt Bugge, der im selben Atemzug eingesteht, dass sich die Elektro-Jazz-Bewegung mittlerweile ein wenig totgelaufen hat.
"Im Moment denke ich, dass dies das Beste ist, was ich mit diesem Konzept erreichen kann. Ich muss mich erneuern." Für die Zukunft schwärmt er von arabischer, persischer und türkischer Musik, die seine Vorlieben für Jazz und Laptops in neue Dimensionen geleiten sollen. Erste Anzeichen davon sind in "Film'ing" zu hören, etwa wenn der tunesische Gastmusiker Dhafer Youssef seine Stimme erhebt.
Doch Bugge Wesseltoft verfolgt viele Konzepte, um den Puls der Zeit mit zu gestalten. "Ich wollte die Schönheit des Pianos herausstellen. Vor ein paar Jahren habe ich mir einen Steinway-Flügel gekauft, der einfach so unfassbar schon und warm und gut klingt", kommentiert er sein 2007er Soloalbum "IM". Darauf lotet er gekonnt die gültigen Ambientgrenzen mit seinem Steinway aus und verpflichtet für zwei Songs die samische Sängerin Mari Boine als Vokalistin.


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PLAY'ING

Als Bugge Wesseltoft 2004 nach der Veröffentlichung von "Film'ing" bekanntgab, daß er sein populäres Projekt New Conception Of Jazz auf Eis legen wolle, war das Bedauern in der Szene groß. Sieben Jahre lang hatte der norwegische Keyboarder, Komponist und Produzent mit NCOJ jede Menge frischen Wind in die internationale Jazzszene gebracht. Doch nun sei das Konzept ausgereizt und er wolle sich verstärkt dem Spiel auf dem akustischen Piano zuwenden, ließ der mit allen möglichen stilistischen Wassern gewaschene Musiker wissen. Und so legte er nach einer kurzen kreativen Auszeit 2007 unter dem Titel "IM" das zweite Soloalbum seiner Karriere vor. Es war, wie Kritiker meinten, ein Album mit "verhalten schönen Klanginstallationen", ein "anspruchsvoller und anregender Chill-Out für die ruhigen Momente des Lebens". Danach bereiste Bugge mit seinem Soloprogramm ein ganzes Jahr lang die Welt, bevor er wieder ins Studio zurückkehrte, um sein nächstes Solowerk "Playing" einzuspielen Darauf präsentiert sich der Pianist genauso experimentierfreudig wie auf "IM", aber zugleich wesentlich verspielter, melodienseliger und leichtfüßiger.

Kontemplative Pianosolostücke wie die hymnische Titelnummer, mit der das Album beginnt, und "Talking To Myself" wechseln sich ab mit gewitzten Wesseltoft-Originalen wie "Singing" und "Hands", bei denen Bugge auch seine Stimmbänder einsetzt - ganz in der Tradition von früheren Aufnahmen wie "Somewhere In Between" und "Come On, Buddy (You Got Green Light)". In dem von einem bluesigen Groove angetriebenen Stück "Hands" schlägt Bugge beispielsweise einen ebenso humorvollen wie faszinierenden Bogen von avantgardistischen Klangspielereien à la John Cage hin zum New-Orleans-Rhythm'n'Blues eines Professor Longhair.

Und wenngleich "Playing" in erster Linie ein akustisches Pianosoloalbum geworden ist, scheut sich Bugge Wesseltoft doch nicht, gelegentlich auf elektronische Hilfsmittel zurückzugreifen, um sein Ausdrucksspektrum zu erweitern: Ein Paradebeispiel dafür ist seine Interpretation des durch das Dave Brubeck Quartet weltbekannt gewordenen (aber von Paul Desmond geschriebenen) Klassikers "Take Five", den Bugge zunächst rein akustisch vorstellt und danach in eine psychedelische Dub-Nummer verwandelt.

Das zentrale Stück des Albums ist aber das zweiteilige "Talking To Myself", ein ausgesprochen elegischer und wunderschöner Pianomonolog, der sich über insgesamt zwanzig Minuten erstreckt und eine gewisse geistige Verwandschaft Bugge Wesseltofts mit impressionistischen Klangpoeten wie Bill Evans, Keith Jarrett und Ketil Bjørnstad verrät. Ganz sicher ist es auch eines der schönsten Stücke Musik, die der Norweger bisher geschaffen hat.
Sein Faible für perkussives Spiel lebt Bugge wiederum in Stücken wie "My House" aus: dabei bedient er sich allerdings keiner konventionellen Perkussionsinstrumente, sondern funktioniert sein Klavier kurzerhand zu einem solchen um.
Das Album beendet Bugge Wesseltoft mit einer wirklich unter die Haut gehenden Interpretation von Jimmy Cliffs Klassiker "Many Rivers To Cross", der seine Wurzeln eher im Gospel als im Ska oder Reggae hat.