BOMBINO. Goumar Almoctar. vom Tuareg-Stamm der Ifoghas - NIGER
Der in Niger geborene Sänger und Gitarrist Omara „Bombino“ Moctar hat über die letzten Jahre große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nicht zuletzt durch phänomenale Konzerte auf mehreren Kontinenten und jüngst auch durch die Zusammenarbeit mit Dan Auerbach (Black Keys), der Bombino in sein Studio in Nashville einlud, um das neue Album „Nomad“ (Nonesuch) aufzunehmen. Auerbach, der gerade den Grammy in der Kategorie „Produzent des Jahres“ erhielt, war auf Anhieb großer Fan von BOMBINO, da ihn dessen einzigartiger Desert-Blues tief berührt hat, was wieder einmal beweist, dass zwei Musiker vollkommen unterschiedlicher Herkunft eine gemeinsame Heimat in der Musik herauskristallisieren können. Bombino beweist mit seiner Musik großen Respekt vor den älteren Generationen und baut seine Stücke auf alten Tuareg-Rythmen auf, dem Puls der Wüste, aber seine Musik trägt ebenso den Sound der Stadt und die Klänge von heute in sich. „Wenn man seine Anfänge vergisst, wird man zu einem Baum ohne Wurzeln. Instabil.“
Der Sand der Sahara durchweht die raue und unverfälschte Musik
Der muslimisch erzogene Bombino kommt am 1. Januar unter dem Namen Omara Moctar in Tidéne, heute Dabaga, in Niger als Sohn eines Automechanikers und einer Hausfrau zur Welt.
Anfang der 1990er muss die Familie für drei Jahre auf Grund der Tuareg-Rebellion zu Verwandten ins algerische Tamanrasset fliehen. Nach den ersten demokratischen Wahlen in Niger kehrt sie aber wieder in ihre Heimat zurück.
Noch im Exil verschlingt der junge Omara mit seinen Freunden Videos von Jimi Hendrix und Mark Knopfler. Als sein Onkel von der Rebellions-Front kommt, leiht er dem Jungen für einige Monate seine Gitarre. Bombino beginnt Ishoumar-Songs zu spielen, nimmt gegen den Willen seines Vaters Unterricht. Dieser möchte Omara lieber zuerst im Schulunterricht sehen. Doch dieser widmet sich lieber seiner neuen Liebe, der Musik.
Um dem Druck seines Vater zu entfliehen, reist Omara nach Algerien und Libyen. In den langen Stunden, die er als Hirte in der Wüste verbringt, verfeinert er sein Gitarrespiel.
Zurück von der Reise fragt ihn die ansässige Gitarren-Legende Haja Bebe, ob er nicht in seiner Band mitspielen möchte. Als Nesthäkchen erhältt Omara von seinen Mitmusikern den Spitznamen Bombino (der kleine Junge), den er fortan trägt.
2004 veröffentlicht der Songwriter aus der Sahara sein erstes Album "Agamgam", das er regional auf Kassette anbietet. Als Mitglied der Gruppe Tidawt gibt er 2007 Konzerte in Kalifornien. Diese verhelfen ihm überraschend, an den Aufnahmen von Tim Ries "Stones World: The Rolling Stones Project, Vol. 2" teilzunehmen. An der Seite von Keith Richards und Charlie Watts spielt er den Stones-Klassiker "Hey Negrita" neu ein.
Ein weiterer Auftritt in Agadez aus dem selben Jahr schneidet ein Mitarbeiter von Sublime Frequencies mit. Die Veröffentlichung von "Guitars From Agadez, Vol. 2" zögert sich jedoch bis 2009 hinaus. Neue Unruhen der Tuareg erschüttern 2007 Niger. Dies zieht harte und wahllose Gegenmaßnahmen der Regierung nach sich. Zuerst schlägt sich Bombino auf die Seite der Rebellen. Nach dem Tot zweier Mitmusikern zieht er sich ins Exil nach Burkina Faso zurück.
Nachdem der Filmproduzent Ron Wyman auf einer Tour durch Agadez ein Tape von Bombino hört, macht er sich auf die langwierige und beschwerliche Suche nach dem Musiker. Kaum hat er ihn gefunden, nimmt er ihn in seinem Dokumetarfilm "Agadez, The Music And The Rebellion" auf. Dieser Auftritt macht den Gitarristen und Sänger endgültig über die Grenzen seiner Heimat bekannt und ermöglicht ihm die Arbeit an seinem weltweit beachtetem Album "Agadez" in den Vereinigten Staaten.
Um das Ende des Konflikts und die Rückkehr in seine Heimat im Jahr 2010 zu feiern, organisiert er mit Segen des Sultans ein Konzert vor der großen Moschee in Agadez. Bombino spielt mit seiner Band vor tausenden von Menschen. Gemeinsam tanzen sie, feiern das Ende der blutigen Fehde.
Zwischenzeitig, im weit entfernten Amerika, empfiehlt ein guter Freund dem Black Keys-Gitarristen und Sänger Dan Auerbach die Aufnahmen von Bombino. Sofort Feuer und Flamme, nimmt Auerbach den Nigrer unter seine Fittiche. Als Produzent zeigt er sich für die Aufnahmen von "Nomad" im Jahr 2013 verantwortlich, führt den afrikanischen Musiker zum amerikanischen Record-Label Nonesuch Records.
Bombinos Stil bricht mit der Vergangenheit, hinterlässt aber keine brennenden Brücken. "Ich habe großen Respekt vor den älteren Generationen", stellt der Sänger fest. "Ich bin ein großer Fan von Ibrahim Ag Alhabib der Band Tinariwien und baue all meine Stücke auf alten Tuareg-Rythmen auf. Dem Puls der Wüste. Aber wir können nicht immer weiter so tun, als hätten wir 1963, das Jahr des ersten Tuareg-Aufstands. Auch 1990 liegt weit zurück. Meine Musik trägt ebenso den Sound der Stadt in sich. Aber darunter findet sich immer die offene Wüste wieder. Wenn man seine Anfänge vergisst, wird man zu einem Baum ohne Wurzeln. Instabil."
Wer Tuareg ist, kennt keine Grenzen
Der Gitarrist Omar "Bombino" Moctar hat das Zeug zum internationalen Star.
Ein DIE ZEIT Gespräch VON JONATHAN FISCHER
Der Tuareg-Gitarrist und Sänger Omar "Bombino" Moctar gilt seit Langem als Idol der Jugend in seiner Heimat Niger und den Nachbarländern. Seitdem ihn westliche Fans den "nigrischen Jimi Hendrix" tauften, hat sich der aus Agadez am Südrand der Sahara stammende Musiker mit seiner Band auch ein Publikum in Europa und Amerika erspielt und das Interesse an der Tuareg-Kultur weltweit befördert. Für sein neues Album "Nomad" ist er mit Dan Auerbach, dem Kopf der enorm erfolgreichen Rockband Black Keys, ins Studio gegangen.
DIE ZEIT: Sie repräsentieren mit Ihrer Tuareg-Musik eine der ältesten Lebensgemeinschaften der Welt. Ihr amerikanischer Produzent Dan Auerbach dagegen gilt als moderner Bluesrock-Hipster. Wie fanden Sie bei den Aufnahmen in seinem Studio in Nashville zusammen?
Omar "Bombino" Moctar: Dan Auerbach spricht nicht Französisch und ich spreche kein Englisch, also haben wir uns manchmal mit Händen und Füßen verständigen müssen. Dennoch habe ich mich bei ihm gleich wie daheim gefühlt. Weil er sich erst einmal die Zeit nahm, uns zuzuhören, und uns nicht unter Druck gesetzt hat. Das gefiel mir sehr. Erst nachdem Dan unsere Musik wirklich verstand, kam er mit ein paar Vorschlägen: Wie man hier einen Keyboarder, da einen Lap-Steel-Gitarristen oder einen zusätzlichen Schlagzeuger einbauen könnte. Aber die Songauswahl und wie wir spielen: Das überließ er vollkommen mir und meiner Band.
ZEIT: Ihr Tuareg-Rock wird wie die verwandte Musik von Tinariwen oder Tamikrest in Europa und Amerika gerade als große Entdeckung gefeiert. Wie erklären Sie sich den Enthusiasmus des Westens für die Nomadenmusik Westafrikas?
Bombino: Wir Nomaden haben in der Wüste sehr viel Platz, um unsere Musik zu spielen. Das hört man unserer Musik an: diese Weite, diese Stille, diesen schier unendlichen Raum. Möglicherweise ist es das, was die Europäer fasziniert. Sie fühlen sich von unserer Musik in die Wüste versetzt.
ZEIT: Ihre Gitarrenspielweise wird oft mit archaischem Blues verglichen.
Bombino: Ich kann nicht beurteilen, ob das stimmt, aber wenn es zutrifft, dann ist unsere Musik vor langer Zeit dank der Sklaven in den amerikanischen Blues eingeflossen. Wir spielen schon seit vielen Jahrhunderten auf diese Weise. Mich hat unter anderem der malische Gitarrist Ali Farka Touré inspiriert. Westliche Musik – wie etwa die Dire Straits, Carlos Santana oder Jimi Hendrix – habe ich erst später in den Tuareg-Flüchtlingslagern gehört.
ZEIT: Heute pilgern viele westliche Musiker auf der Suche nach Inspiration bis nach Agadez und Bamako. Selbst Keith Richards und Charlie Watts von den Rolling Stones wollten unbedingt mit Ihnen jammen. Können Sie das verstehen?
Bombino: Wir spielen eben die Gitarre ganz anders als die meisten Rock-’n’-Roll-Musiker. Sie haben alle Kombinationen schon einmal durchprobiert und dürsten nun nach etwas Neuem.
ZEIT: Im Westen gehören Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll als Ausdruck jugendlicher Rebellion zusammen. Gilt das auch für Ihre Musik?
Bombino: Alkohol und Drogen gehören bei uns definitiv nicht dazu. Tuareg-Bands spielen vor allem auf Hochzeiten und Taufen. Da geht es um den Zusammenhalt aller Generationen, um die Erinnerung an unsere Herkunft. Sonst verlieren wir unseren Halt. Wie Bäume ohne Wurzeln.
ZEIT: Dennoch haben Ihnen die Autoritäten im Niger zeitweise verboten, aufzutreten. Was ist so gefährlich an Ihrer Gitarrenmusik?
Bombino: Ich durfte während der Tuareg-Aufstände der Jahre 2006 und Anfang 2007 nicht spielen – die Behörden hatten Angst, dass wir mit unserer Musik zu den Waffen rufen würden.
ZEIT: Den Tuareg-Kriegern mit ihren blauen Roben haftet im Westen – ähnlich wie Bob Marley und Ché Guevara – ein Rebellen-Image an. Fühlen Sie sich als musikalischer Flügel eines Kampfes um Freiheit und Selbstbestimmung?
Bombino: Es stimmt, dass wir Gitarrenmusiker von den Machthabern gefürchtet werden – auch wenn meine Songs nicht zur Gewalt aufrufen, sondern Gemeinschaft, Selbstrespekt und die Liebe zu unserer Wüstenheimat predigen. Die Gitarre stellt eines der wichtigsten Musikinstrumente der Tuareg dar. Mit ihrer Hilfe singen wir in den Flüchtlingslagern in Algerien und Libyen vom Exil oder rufen im Niger und in Mali dazu auf, für unsere Rechte aufzustehen. So wurden viele junge Menschen für den Kampf mobilisiert. Wer die Tuareg unterdrücken will, der muss erst einmal ihre Musiker kaltstellen. Deswegen habe ich 2007 zwei Bandmitglieder verloren, sie wurden auf dem Weg zu einem Auftritt von Soldaten erschossen. Ich bin anschließend nach Burkina Faso geflohen.
ZEIT: Regelmäßig erschüttern Tuareg-Rebellionen die Länder der Sahelzone. Zuletzt in Mali, wo schließlich Islamisten auf den Zug aufsprangen und die Intervention der Franzosen provozierten. Gegen oder für was kämpfen denn die Tuareg?
Bombino: Das Hauptproblem entstand nach der Kolonisation, als die Kolonialmächte willkürlich mit dem Lineal neue Staatsgrenzen quer durch die Sahara zogen: Sie trennten Libyen, Algerien, Mali, Burkina Faso und Niger. Wir Tuareg sind schon immer durch die Territorien dieser fünf Länder gezogen, nun aber erregten wir überall Misstrauen. Weil wir nicht ortsansässig sind, verdächtigt man uns, Schmuggler und Banditen zu sein und die staatlichen Kontrollen zu unterlaufen. Inzwischen sind wir etwa von unseren Verwandten in Libyen und Algerien so gut wie abgeschnitten. Für uns aber gibt es keine Grenzen in der Wüste.
ZEIT: Eine Splittergruppe von Tuareg wollte im vergangenen Jahr einen eigenen Staat Azawad im Norden Malis ausrufen. Haben Sie mit dieser Idee sympathisiert?
Bombino: Einen Tuareg-Staat halte ich für eine gute, wenn auch kaum umsetzbare Idee. Aber man müsste gar nicht mal so weit gehen: Warum wollen Menschen, die weit weg in Bamako oder Niamey in ihren klimatisierten Büros sitzen, uns ihre Gesetze aufdrücken? Die könnten bei uns in der Wüste sowieso nicht überleben. Es geht uns um Toleranz unserer Kultur gegenüber. Dass wir so leben dürfen, wie wir es immer getan haben.
ZEIT: Sie selbst mussten schon einmal Mitte der achtziger Jahre mit Ihrer Familie aus Agadez ins algerische Exil fliehen, schlugen sich später als Musiker, Koch und Fahrer durch. Haben Sie jemals damit geliebäugelt, sich den bewaffneten Kämpfern anzuschließen?
Bombino: Nein, man kann alles im Gespräch lösen, ohne dass man eine Waffe in die Hand nimmt. Den letzten Tuareg-Aufständen in Agadez hatte sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr angeschlossen: Schließlich florierten Geschäfte und Tourismus, und es gab viel zu verlieren. Auch die Mehrheit der Tuareg in Mali wollte keinen Krieg. Da steckt eher eine Mafia von Drogenhändlern dahinter. Trotzdem steht wegen dieses Kriegs nun unser ganzes Volk am Pranger, wir werden oft mit Islamisten und Drogenhändlern in einen Topf geworfen. Dabei passen religiöser Extremismus, Musikverbote und die Entrechtung der Frauen überhaupt nicht zur toleranten Form unseres Islams.
ZEIT: Tuareg-Musik ist ein Exportschlager, in Europa und Amerika war das Interesse an Ihrem Volk nie so groß wie heute. Was erwarten Sie vom Westen?
Bombino: Wir hören gern westliche Rockmusik, aber ansonsten wollen wir keine Einmischung in unsere Kultur. Mit den Kolonialmächten fing das Unglück für uns an. Es wäre fatal, wenn der Westen versuchen würde, unsere Probleme von außen zu lösen. Ich singe davon auch in meinen Songs: Alles, was wir brauchen, ist Respekt.