treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

RALPH TOWNER l PAOLO FRESU

Ralph Towner und Paolo Fresu:  Chiaroscuro. Schöner und lyrischer geht es nicht

Schöner und lyrischer geht es kaum. Hier haben sich zwei ganz stark verwandte Stimmen gefunden. Die eine: Gitarrist Ralph Towner, US-Amerikaner vom Jahrgang 1940; die andere: Trompeter Paolo Fresu, Sarde, Jahrgang 1961. Bei diesen beiden Musikern fallen die Grenzen. Jazz? Ungewöhnlich besetzte Kammermusik? Es ist beides.
Und doch noch viel mehr: Hinreißend intensive und feine Dialoge zwischen akustischer Gitarre und Trompete oder wahlweise Flügelhorn kann man hier hören. "Chiaroscuro", helldunkel, heißt ihre jetzt erschienene gemeinsame CD – und erinnert nicht umsonst an die in der Malerei der Renaissance und des Barock entwickelte hohe Kunst des Spiels mit Licht und Schatten, die den Ausdruck steigerte und die Räume tiefer erscheinen ließ.

Meisterwerke der Stimmführung
Da haben sich aber zwei gefunden: Ralph Towner, der 2010 immerhin auch schon 70 Jahre alt wird und seit langem ein Meister (vor allem) der Nylonseiten ist, und Paolo Fresu, der 21 Jahre jüngere Ausnahmetrompeter. Wobei Towner sinnigerweise ursprünglich klassische Trompete gelernt hat - er dürfte also schon deshalb ein offenes Ohr für Fresus Spiel gehabt haben, der sich hier als Towners kongenialer Duopartner erweist. Gemeinsam legen die beiden mit dieser kammermusikalischen Helldunkelmalerei (Chiaroscuro) ein wunderschön intim anmutendes, konzentriert interagierendes und höchst inspirierendes Werk vor, das zu den schönsten Veröffentlichungen dieses Jahres gehört.

Sie spielen fast ausschließlich Kompositionen von Ralph Towner - bis  auf den Miles-Davis-Bill-Evans-Klassiker "Blue in Green" und zwei freie Improvisationen. Lauter Meisterwerke der Stimmführung – oder besser: der Stimmen-Aufeinanderzu-Bewegung, -Verschränkung und kunstvollen Auflösung sind dabei herausgekommen. Vor 15 Jahren lernten sich Towner und Fresu kennen – auf Sardinien bei einem Festival, für das Towner eine Auftragskomposition schrieb, die von lokalen Musikern gespielt wurde. Fresu war der Trompeter dieses Ensembles. Und Towner schildert seine Eindrücke von damals wie folgt: "Von seiner ersten Phrase an dachte ich: Dieser Bursche hat einen Sinn für Melodien!" Dass beide Musiker diesen Sinn ganz besonders haben, prägt diese Aufnahmen. Überall hört man, dass Ralph Towner einer jener Jazzgitarristen ist, die eine klassische Ausbildung haben – er spielt meist auf einer Konzertgitarre, in klassischer Anschlagtechnik, sein Klang ist enorm transparent, und er beherrscht es wie nur wenige, Themen zu entwickeln - als Improvisator wie als Komponist. Dazu passt der Stil des jüngeren Kollegen hervorragend: Auch Fresu ist ein Musiker, der wunderbar stimmige Tongebilde aus vorgegebenen Motiven entwickeln kann, auch er ist stark von einem klassischen Klang-Ideal geprägt; und selbst bei noch so quirligen Jazz-Improvisationen ist sein Ton auf der Trompete und dem Flügelhorn auffällig rein.

Innige Musik zum Hineinversenken
Nie ist das Spiel dieser beiden Musiker kalt. Immer spürt man Herzblut – oder mindestens: große Indivdualität, die lustvoll zur Geltung kommt. Eine Begegnung, in der beide viel Platz zur Entfaltung haben und ihn nutzen. Und in der beide starkes Profil zeigen. Nie hat man das Gefühl, einer wolle den anderen übertrumpfen. Ganz im Gegenteil: ein Aufeinandertreffen mit besonders offenen Ohren füreinander. Das fasziniert beim Hören – und je öfter man diese CD hört, desto mehr. Selten treffen Klarheit des Klangs und Tiefgründigkeit des Spiels so stimmig aufeinander wie bei Towner und Fresu. Der Titel trifft hier bestens zu: Chiaroscuro. Ein Highlight für Hörer, die feine, uneitle, innige Musik zum Hineinversenken mögen. So was also kann passieren, wenn zwei sich kennenlernen und fünfzehn Jahre warten, bis sie was miteinander anfangen. Was lange währt.