die spinnen die finnen: der pianist, für den das klavier erfunden wurde.
LOST HEROES.
Die Einspielung wurde als eine der besten Pianosolo-Aufnahmen der letzten Jahre begeistert gefeiert. Die Süddeutsche Zeitung sprach von einem „Meisterstück“, die Deutsche Schallplattenkritik kürte Lost Heroes zum Jazzalbum des Jahres und Rantala wurde im Juni 2012 mit dem ECHO Jazz als bester internationaler Pianist geehrt.Der finnische Pianist Iiro Rantala ist ohne Zweifel der international erfolgreichste Jazzmusiker seines Heimatlandes. Bekannt wird er durch sein „Trio Töykeät“ einem der wildesten, witzigsten und visionärsten Klaviertrios der internationalen Jazzszene, welches sich nach tausenden von Konzerten und 18 Jahren Zusammenarbeit im Jahr 2006 in Freundschaft trennte. Was folgte ist Iiro Rantalas bisher größer Erfolg: Sei Piano-Solo Album „Lost Heroes“, welches im Februar 2011 erschienen ist. Von Deutschlands Musikjournalisten wurde dieses mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik zum besten Jazzalbum des Jahres 2011 gekürt. Der Echo Jazz 2012 in der Kategorie „Bester Pianist international“ für „Lost Heroes“ ist der bisherige Höhepunkt in Iiro Rantalas Karriere. Auf dem Album verbeugt sich Rantala vor seinen großen, verstorbenen Helden, von Esbjörn Svensson bis Luciano Pavarotti: „Ein Meisterstück musikalischer Heldenverehrung“ titelt der Stern. Mit seinem 2. ACT-Album „My History of Jazz“ gelingt Rantala eine einzigartige, ganz auf Melodien konzentrierte Mischung voller verschiedener Stimmungen: Mit Bach als Klammer wirft er mit der ihm typischen Kombination aus Witz, Intelligenz und schier grenzenloser Technik einen ganz eigenen Blick auf die Jazzgeschichte
Iiro Rantala - Noch ein Held
Von Tobias Richtsteig
„Ich bin nicht so der typische skandinavische Künstler, der im Wald lebt, nur von Stille umgeben.“ Iiro Rantala lässt die liebgewordenen Klischees platzen wie eine Kaugummiblase. Eigentlich ist er ja Finne, also für Kaurismäki-sozialisierte Deutsche ein schwermütiger Tango-Bohemien, der große Mengen Wodka zu sich nimmt. So weit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Der strohblonde Pianist mit dem umwerfenden Lachen beschreibt sich eher als hibbeligen Hansdampf. „Ich kann mich auf nichts lange konzentrieren“, gesteht er. „Außer aufs Klavierspielen. Und wenn ich komponiere, kann ich schon mal 20 Minuten bei einer Sache bleiben.“ Aber Rantala leidet nicht unter seinem Aufmerksamkeitsdefizit, er hat einfach schon früh den passenden Beruf gefunden: Als kleiner Junge steckte seine Mutter ihn in den Knabenchor Cantores Minores, dessen Name eine dreiste Untertreibung war, denn die Sänger waren immerhin so großartig, dass sie auf Tourneen durch die ganze Welt zogen. „Wir sangen im Weißen Haus für Ronald Reagan. Hey, es waren die späten 70er!“ Der junge Iiro lernte nicht nur Vom-Blatt-Singen und Musiktheorie – er bekam auch den ersten Eindruck vom Musikerleben auf Tournee. „Das Touren war immer das Beste. Das passt zu mir und meiner Ruhelosigkeit.“ Bingo.
Aber der Ex-Sängerknabe geht noch einen Schritt weiter. Als man ihn beim Montreux Jazz Festival fragte, welche Superkraft er sich wünschen würde, sagte er, am liebsten würde er die Hälfte aller Sänger und Sängerinnen zum Schweigen bringen. Und er wiederholt dieses Statement nur zu gerne. „Ich finde einfach, die Leute verpassen so viel, weil sie fast nie Instrumentalmusik hören. Dabei kannst du doch mit einem Instrument so viel erzählen, richtig reden! Keith Jarrett, Miles Davis, Eddie Gomez oder Michael Brecker – die reden mit mir. Vielleicht bin ich ja nicht gesund. Aber die sagen mir viel mehr als so ein Justin Bieber.“
Sein neues Album hat er trotzdem einem populären Sänger gewidmet: Die 12 Songs auf My Working Class Hero hat alle John Lennon geschrieben, der vielleicht einflussreichste Songwriter des 20. Jahrhunderts. „Mein Leben ist voller Widersprüche“, lacht Rantala jeden Einwand beiseite. Außerdem seien es für ihn die Melodien, die die Faszination ausmachen, nicht die Texte, die für die meisten Leute im Vordergrund stehen. „Ich habe jetzt auch seine Biografie gelesen, um mich auf die Platte vorzubereiten. Lennon hatte ja einen ganz entspannten Umgang mit seinen gefeierten Liedern. In einem der letzten Interviews sagte er, das seien halt so Popsongs, die er rausbringe, und dann gehe es schon wieder an das Nächste. Keine große Sache. Deshalb hieß die Band mit Yoko Ono ja auch Plastic Ono. Industrieware. So sieht das aus, wenn ein Genie arbeitet. Wenn ich nur höre, wie Leute erzählen: ‚Wir waren sieben Jahre im Studio! Es ist jetzt perfekt!’ Dann denke ich mir nur: Bullshit! Für Lennon waren die Songs Alltagsgegenstände wie Brot. Jeden Tag frisch.“
Kennengelernt hat er Lennons Musik schon, als seine Verzweiflung über die unselige Weltherrschaft des oberflächlichen Gesangs noch nicht voll ausgebildet war. Das war 1982 in der Weihnachtszeit, und der Musiklehrer schlug Lennons Mitsingschlager „Happy Xmas (War Is Over)“ vor; Iiro begleitete die Klasse am Klavier. Noch heute erinnert er sich genau. „Und dann geht dieser Song los: ‚Now it’s Christmas, what have you done?’ Das hat mich umgehauen, so ein starker Einstieg: ‚Was hast du dieses Jahr gemacht? Der Krieg ist vorbei – wenn du es willst!’“ Immerhin hatte Lennon den Weihnachts-Schunkel-Hit 1971 geschrieben, gegen den Vietnamkrieg, der noch lange nicht zu Ende war. Wenn Rantala diesen Protestsong im Schafspelz auf dem Klavier intoniert, ist seine Begeisterung zu hören, vom zarten Einstieg in höchster Lage bis zum jubilierenden Gospel, in den man einfach einstimmen muss. Der Pianist freut sich, wenn er vom Instrument aus auch die Texte in den Köpfen der Zuhörer zum Mitschwingen bringt. Gerade auch bei pazifistischen Liedern wie „Imagine“. „,Stell dir vor, da sind keine Grenzen, keine Religion und auch kein Besitz‘ – das sind schon Botschaften, fast ein bisschen kommunistisch“, schmunzelt er. „Lennon fragte ‚Why can‘t we live in peace?’, und ich stimme ihm zu: Einerseits bauen wir Handys und entwickeln immer bessere Technologien, aber wir können immer noch nicht unseren Hass kontrollieren.“
Vom Singen zum Instrument
Iiro Rantala freut sich, dass es ihm gelingt, mit einem Soloklavieralbum so große Themen anzusprechen. Doch der Albumstitel My Working Class Hero bedeutet noch viel mehr. Rantala stammt eben nicht aus dem gern zitierten „musikalischen Elternhaus“. „Wir haben keine Künstler oder Musiker in der Familie. Meine Eltern hatten ein Fahrradgeschäft. Aber ich sang immer zum Radio, und meine Mutter meinte, ich sei begabt. Also fuhr sie mich zu diesem Knabenchor. Und nach ein paar Monaten sang ich Bachs Johannespassion und so weiter! Wenn du ein musikalisches Kind hast, ist ein Chor tatsächlich der beste Ort, wo es sein Gehör trainieren kann, Noten lernt und alles. Das ist wirklich magisch.“
Doch Lennon, der als Sohn eines Matrosen der Handelsmarine geboren wurde, ist eben nicht nur „working class“ für Rantala. Er stellt ihn ausdrücklich in die Reihe seiner musikalischen „Heroes“. Denen hat er schon vor Jahren das Album Lost Heroes gewidmet. Damals reichte die illustre Galerie von Art Tatum und Bill Evans über Esbjörn Svensson und Jaco Pastorius bis zu Luciano Pavarotti. Im Jahr darauf legte er im Quartett-Format My History of Jazz vor, die sich von Gershwin über Ellington und Monk zu Lars Gullin entwickelte, immer kontrastiert mit Johann Sebastian Bach und sogenannten „Goldberg Improvisations“. Der Finne pflegt einen sehr weit gefassten Jazzbegriff. „Ich habe ein Problem mit dem, was man vielleicht Jazz-Jazz nennen könnte“ gibt Rantala zu. „Wenn ein Walking Bass anfängt und ein swingendes Drumset setzt ein – dann bin ich wie gelähmt. Selbst wenn da Herbie Hancock auf der Bühne steht! Das ist doch alles schon Millionen Mal gehört worden!“
Für Iiro Rantala gibt es also gute Gründe, den Popmusiker Lennon in den Jazzkanon einzuführen. Denn bei diesen Standards werden die Maßstäbe neu gesetzt. Etwa bei „Help“, bei dem sich das Thema aus einer fast pointilistischen Einleitung herausschält, um dann im robusten Rockpiano-Groove vorgestellt zu werden, gefolgt von einem Refrain, der auch Satie oder seinen Freunden so hätte einfallen können, bis zum pastoralen Finale von Keith-Jarrett-Format. All das passt auf kleinsten Raum, Rantala ist ein Meister der Stilbrüche. Die dazu erforderliche Abgeklärtheit hat er sich beim Studium in New York angeeignet: „Eine gewisse Lockerheit ist überhaupt das Wichtigste. Da müssen wir uns ewig vor den Amerikanern verneigen. Hier in Europa haben wir die Bürde der klassischen Musik: zu viel Information! Jeder will immer das Richtige tun und bleibt dabei so verkniffen.“ Auch in dieser Hinsicht leistet Rantala Pionierarbeit. Ganz praktisch, wenn er etwa im Titelsong „My Working Class Hero“ die Melodie auf präparierten Saiten anschlägt oder im Finale von „All You Need Is Love“ geradezu anarchisch die satten Bässe des Flügels ins Fortissimo treibt. Der macht das ohne Probleme mit: ein Steinway-D-Instrument, Zierde seiner Art – der Brendel-Flügel aus dem früheren Besitz der Berliner Philharmonie, der heute in Diensten des Jazzlabels ACT steht. Iiro Rantala zeigt, dass auch Protestsongs, Rock ‘n‘Roll, Gospel und europäischer Jazz in dieser Wunderkiste stecken. Und was alles in ihm, dem Improvisator mit der Angst vor der Langeweile, und nicht zuletzt in den Songs von John Lennon steckt.
IiRO RANTALA
STRING TRIO:
Als der Pianist Iiro Rantala mit seinem Solo- und ACTDebüt „Lost Heroes“ vor drei Jahren erst den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik, dann den ECHO Jazz bekam und so schlagartig in die Riege der führenden europäischen Jazzer aufstieg, hätte er es sich einfach machen und das nächste Soloalbum nachschieben können. Doch der Finne wollte den Schnitt in seiner Karriere lieber konsequent weiterführen. War es doch auch eine Rückbesinnung auf seine klassischen Wurzeln: Rantala hatte ja nicht nur an der Jazzabteilung der Sibelius-Akademie in Helsinki studiert, sondern auch klassisches Klavier an der Manhattan School of Music in New York. Und mit Johann Sebastian Bach begann nicht nur im zarten Alter von sechs Jahren seine Leidenschaft für Musik, ihm blieb er bis heute verbunden: „Ich muss Bach jeden Tag spielen, ich brauche mein tägliches Quantum von seiner Musik.“ Folgerichtig dienten die Goldberg-Variationen auch als Klammer für „My History Of Jazz“, das Ende 2012 erschienene, im Quartett mit Lars Danielsson, Morten Lund und Adam Bałdych eingespielte nächste Album auf Rantalas Weg zur musikalischen Identitätsfindung.
Diesen geht er jetzt mit „Anyone With A Heart“ zu Ende. Endgültig zeigt sich Iiro Rantala als großer Neo- Romantiker jenseits aller Stil-Beschränkungen: „Ich habe Melodien schon immer geliebt“, erklärt er, „aber im aktuellen Jazz versuchen die meisten, ohne sie auszukommen. Und wenn, dann spielen sie Standards.“ „Anyone With A Heart“ schwelgt nun förmlich in Melodien, und anders als noch auf dem von großen Vorbildern inspirierten und an sie adressierten „My History Of Jazz“ hat Rantala diesmal alle Stücke - bis auf die Verbeugung vor dem Great American Songbook mit „Somewhere Over The Rainbow“ - selbst komponiert. Und er hat sie von vorneherein für die Form des klassischen Klaviertrios konzipiert: Klavier, Geige und Cello.
Eine Besetzung, die im Jazz ziemlich einmalig und dementsprechend nicht einfach zu finden ist. Der Geigenpart war indes klar. Den Polen Adam Bałdych hatte Rantala bereits für „My History of Jazz“ entdeckt, es gibt wohl
derzeit keinen anderen Violinisten, der ihm so ähnlich ist: Wie Rantala überzeugt Bałdych als vollendet virtuoser Alleskönner mit einer ausgeprägten lyrischen Ader, wie bei ihm geht es mit Bałdychs Karriere gerade steil aufwärts. Blieb das Cello: „Ich hatte zwei Namen“, berichtet Rantala, „einen Dänen, der aber bereits selbst Bandleader ist, und Asja Valcic
Ich kam zu einem ihrer Auftritte im Wiener Club Porgy & Bess, wir sprachen danach über das Projekt und begannen noch an diesem Abend, zusammen zu spielen und zu üben. Ich habe alle Cello-Partien genau für ihr Cello geschrieben, ich liebe ihren Ton.“ Auch dies also eine ideale Kombination, schließlich kommt die Österreicherin ebenfalls von der Klassik, hat aber mit dem radio.string.quartet.vienna und im Duo mit Klaus Paier zur Genüge ihre Offenheit und ihren völlig eigenständigen spieltechnischen Ansatz nachgewiesen.
Zu dritt geht es bei „Anyone With A Heart“ auf eine überwältigende Reise durch die menschliche Gefühlswelt. Von heiter-selbstbewussten Pizzicato-Träumereien wie bei „Karma“ oder „A Gift“ über tiefe, fast wütend werdende Melancholie wie bei „Alone“ oder spirituelle Erhebung („Prayer“, in dem sich auch Rantalas Bach-Verehrung wiederfindet) bis zu dramatisch-rasanten Aufwallungen („Hard Score“) oder kindlicher Lust am Spiel („Happy Hippo“, für das eine Szene der Ben-Stiller-Komödie „When Polly Came Along“ Pate stand) – alles zusammengefasst im Titeltrack „Anyone With A Heart“. Das Wesen von Rantalas neuer Musik erfasst vielleicht „Freedom“ am besten, ein von Jonathan Franzens gleichnamigem Roman inspiriertes Stück: Eingebettet in eine bezwingende Melodie kann sich jeder der drei solistisch entfalten, und auch im Gruppenklang bleibt Raum für alle möglichen Variationen und Freiheiten, von Tempo- und Harmoniewechseln bis zu den Klangfarben, wie sie Rantala hier mit einem gedämpften Flügel erzeugt.
Rantala ist sich des Risikos bewusst, dass er mit „Anyone With A Heart“ eingegangen ist: „Früher, etwa mit dem Trio Töykeät drehte sich vieles darum, zu zeigen: ‚Seht her, das können wir auch‘. Jetzt geht es mir ganz einfach um meine Melodien, das ist viel persönlicher. Aber das Einfache ist das Schwierige. Es ist ein schmaler Grat: Wird es zu einfach, dann geht das Richard Clayderman-Warnlicht an.“ Eine Gefahr, die Rantala, Bałdych und Valcic dank ihres Könnens, ihres Intellekts und ihres Geschmacks traumwandlerisch sicher umschiffen. „Anyone With A Heart“ – das ist Musik, wie sie vielleicht ein Franz Schubert oder ein Jan Sibelius auf dem heutigen Stand kreieren würden.
„Iiro Rantala besitzt so viel Energie im kleinen Finger, wie andere in zwei Händen." Stern
Rantala baut Brücken zwischen Tradition und Moderne, Ragtime und Bebop, amerikanischer Lässigkeit und skandinavischer Schwermut, Klassik und Jazz. Die Grenzen zwischen den Epochen lässt er mühelos verschwinden......
Iiro Rantala, der finnische Pianist, weiß wie kein anderer, virtuose Spannungsbögen am Flügel zu setzen. Geboren 1970 in Sipoo unweit von Helsinki, wurde Rantala als Siebenjähriger dank eines Kinderchores vom „Musikvirus infiziert“.
Wenig später begann er mit dem Klavierunterricht. Konsequent setzte er den einmal eingeschlagenen Weg fort: 1983 schrieb er sich am Pop- & Jazz-Konservatorium in Helsinki ein und nahm Privatstunden bei Seppo Kantonen. Rantala bekam Auftrittsmöglichkeiten bei verschiedenen Popgruppen. Seine ersten Gehversuche in Sachen Jazz unternahm er in den Reihen der „Big Bad Family“. 1988 begann er sein Studium an der Sibelius Akademie, im selben Jahr gründete er das Trio Töykeät.
Mit musikalischer Dynamik und Virtuosität hat Rantala mit seinem Trio das Publikum weltweit erobert – mehr als 2.500 Konzerte auf fünf Kontinenten sprechen eine deutliche Sprache. Doch auch als Solist weiß er zu begeistern, erforscht und überschreitet dabei musikalische Grenzen. So spielt er regelmäßig mit Symphonieorchestern in Finnland, wo er u. a. Mozarts Werk No. 23 piano concerto aufführte.
Iiro Rantala verbindet skurrilen Humor und einen kräftigen Schuss Selbstironie mit brillanter Technik. Was auf den ersten Blick wie eine Einschränkung aussieht, ermöglicht in Wirklichkeit die Freiheit für einen höchst originellen, großorchestralen Pianisten, der seinen Fats Waller mit groovendem Bop, finnischer Folklore, delikater Spätromantik und respektlosem Humor zu einer virtuosen Melange verbindet, die einen Moment lang so poetisch wie sein Name klingt und ein paar Takte weiter höllisch swingt.
Was hier und über das ganze Album hinweg so mühelos klingt, ist das Ergebnis eines langen, fordernden Prozesses, in dem sich Rantala, im engen Austausch mit Produzent Siggi Loch, an dem Material regelrecht abgearbeitet hat. Die selbst gestellte Aufgabe: Weltberühmte, so einfache wie geniale Songs wie „Imagine“, „Woman“ oder „All You Need Is Love“ so zu bearbeiten, dass aus ihnen etwas Neues entsteht ohne dabei ihre Seele zu zerstören. Rantala gelingt dies auf immer wieder überraschende Weise: Mal, indem er sich sehr weit hinaus wagt und die Geschichte der Originale weitererzählt. Manchmal aber auch, indem er ganz nah an einem Thema, einer Melodie bleibt und diese nur in einem anderen harmonischen Kontext und in neuen Schattierungen leuchten lässt. Was entsteht ist Musik voller Herz und Seele, voller Groove und Melodie, Humor und Melancholie, Geist und Tiefe und doch immer irgendwie mit dem Schalk im Nacken.
Dass es Rantala so meisterhaft gelingt, die Klarheit und Eingängigkeit der Songs John Lennons mit den Ausdrucksmöglichkeiten des Jazz zu verbinden, liegt besonders an seiner musikalischen und persönlichen Sozialisation. Aufgewachsen ist er als Kind einer „Working Class Family“ im Umfeld des elterlichen Fahrrad-Reparaturgeschäfts in Helsinki. Mit dem berühmten Knabenchor „Cantores Minores“ kam er früh in Kontakt mit klassischer Musik und erlebte internationale Auftritte. Eine klassische Klavierausbildung folgt, später ein Studium an der Manhattan School of Music. Ein reiner Jazzmusiker ist er nie gewesen. Er spielt immer wieder klassische Musik von Bach über Mozart bis Sibelius. Über 18 Jahre tourte er mit dem irrwitzigen „Trio Töykeät“ durch die ganze Welt. Für seine Sendung „Iiro Irti“ im finnischen Fernsehen gab er Konzerte mit Popmusikern und Monster-Heavy Metal Bands, schreibt Musik für Film, Fernsehen und Theater. Für ihn keine Widersprüche, sondern ganz natürlich und einfach nur Musik.
Seit dem Ende der „wilden Zeiten“ von „Trio Töykeät“ und der Aufnahme von „Lost Heroes“ hat Rantalas Spiel einen großen Wandel erfahren. Virtuosität als solche spielt für ihn keine Rolle mehr. Virtuos ist sein Spiel immer noch, pianistisch spielt Rantala in der absoluten Oberliga. Nur ordnet sich das Klavierhandwerk ganz und gar dem musikalischen Ausdruck unter. Besonders markant ist sein persönlicher Sound, sein Anschlag, der die dynamischen Möglichkeiten des Konzertflügels voll und ganz ausschöpft. Es mag selbstverständlich klingen, doch dem Instrument selbst fällt in Rantalas Musik ein besonderer Stellenwert zu. Es ist für ihn ein musikalischer Partner und im Falle von „My Working Class Hero“ ein sehr vertrauter, mit jeder Menge Lebenserfahrung: Der Steinway D mit der Seriennummer 524780, auf dem Jahrzehnte lang Alfred Brendel spielte, wenn er in der Berliner Philharmonie gastierte und der heute in Siggi Lochs Berliner “ACT Art Collection“ eine neue Heimat gefunden hat. Ein Instrument, mit dem Rantala hörbar vertraut ist und von dem er sagt, es sei sein liebster Flügel überhaupt.
Und so klingt die Soloaufnahme „My Working Class Hero“ in mehrerlei Hinsicht wie ein Dialog:zwischen Rantala und dem Instrument, dem Raum, der Jazz- und Popgeschichte und natürlich zwischen ihm und dem Meister John Lennon. Dessen Musik ist für ihn so aktuell und wichtig wie eh und je. Er sagt: “Das Schlüsselwort heißt ‚Aufrichtigkeit‘. John Lennon glaubte an die Dinge, über die er sang. Daran, dass die Menschen in Frieden auf diesem wunderbaren Planeten leben. Leider sind wir von dieser Utopie weit entfernt. Deshalb wecken seine Songs in heutigen Generationen dieselben Emotionen, wie in mir, damals, in den 80ern bei meiner Schulaufführung. Lennons Stern wird für immer hell leuchten.“