VON SEITEN DER GEMEINDE
„Von Seiten der Gemeinde“ - eine musikalische Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat erblickt das Licht der Welt und wartet gespannt darauf verstanden, oder zumindest gehört zu werden.
„Von Seiten der Gemeinde“ - eine musikalische Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat erblickt das Licht der Welt und wartet gespannt darauf verstanden, oder zumindest gehört zu werden.
CHRISFADER & TESTA (Turntables) / YO!ZEPP (Vox)
10 Jahre ist es her, als sich drei junge, von Hip Hop Musik besessene Landeier entschlossen, ihrer provinziellen Herkunft musikalisch zu entfliehen. Man gründete die Hip Hop Formation LA Splisz und sorgte relativ rasch für erstaunte Blicke in den Niederungen des Tiroler Oberlandes und erspielte sich auch langsam die Aufmerksamkeit der heimischen Szene. Im Laufe der nächsten Jahre entfloh man der Tiroler Heimat nicht nur musikalisch. Mittlerweile in Wien angesiedelt, wurden verschiedenste Projekte angegangen und realisiert. Seit dieser Zeit verfolgte man zu dritt die Idee, ein ganzes Album mit Sprachsamples und Raps aus dem Tiroler Oberland zu realisieren.
Jahrelang durchforstete man die Archive heimischer Regionalsender nach verwertbaren Sprachsamples. In mühevoller Kleinarbeit entstanden nun die Einzelteile des Konzeptalbums, die vereint mit den Raptracks, ein in dieser Art und Weise wohl einzigartiges Gesamtwerk ergaben.
„Von Seiten der Gemeinde“ - eine musikalische Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat erblickt das Licht der Welt und wartet gespannt darauf verstanden, oder zumindest gehört zu werden.
Interview auf CULTSHARE.AT:
Wo lag der Ursprung der Idee für „Von Seiten der Gemeinde“? Kann man sich das so vorstellen wie bei „Wetten dass…?“ – „in einer alkoholgetränkten Runde kamen wir da mal auf so eine Idee….“
Yo!Zepp: So ungefähr, ja…entstanden ist es eigentlich aus Jux und Tollerei und aus Spaß an der Sache. Wir haben Kabel TV Imst und Landeck.tv oft und gern zusammen geschaut und das auch mehrmals im angeheiterten Zustand. Es war auch ein Sender, der ganz viel ungeschnittenes Material sendete und in dessen Programm dann auch ganz viele Oberländer Originale zu Wort kommen. Teilweise mit absurden Themen, wir haben das halt ziemlich lustig gefunden, mit unserem Humor…haben uns aber damals noch nicht gedacht, dass das andere genauso amüsant finden wie wir selber. Wir haben dann 2009 eine erste Dialekt EP rausgebracht, auf der ich das erste Mal als Yo!Zepp in Mundart rappe. Auf der CD ist dann auch eine Nummer mit Fernsehschnipseln aus Kabel TV Imst und so hat sich das dann auch weiterentwickelt.
Chrisfader: Ja das war die Initialzündung sozusagen, die erste Nummer da drauf, das Interlude, also eigentlich nur Beats mit total aus dem Zusammenhang gerissenen Originalzitaten von Kabel TV, die wir halt lustig fanden.
Yo!Zepp: Auf dem Interlude hat das auch noch keinen Sinn ergeben. Alles, was lustig war, wurde wild hintereinandergestückelt…“104 Jåhr voll“ war, wenn ich mich richtig erinnere, die zweite Nummer…
Chrisfader: Stimmt, das war dann 2009… „104 Jåhr voll“ hab ich zu Weihnachten 2009 aus Langeweile in Tirol angefangen und zu Silvester 2009 in Wien dann fertig gemacht. Seitdem gibt´s diese Nummer, so wie sie jetzt ist.
Yo!Zepp: Es war auch nie geplant, dass diese Nummer rauskommt…zu dieser Zeit sind mehrere Tracks entstanden. Wir haben uns dann zu dritt zusammengesetzt, Chrisfader und Testa wollten ihre Tracks als Free Download zur Verfügung stellen, und ich wollte weiter in Mundart rappen, also haben wir dann beschlossen, das zusammen zu machen. Also Rap und dieses Kabel TV – Ding zusammenzubringen. Dann haben wir „Von Seiten der Gemeinde“ im Prinzip in einem halben Jahr realisiert.
Chrisfader: Wir hatten da mehrere angefangene Baustellen und Grundideen, die wir erst zusammenbringen mussten.
Wann war die Scheibe dann endgültig fertig?
Chrisfader: Anfang 2014. Wir hatten da im Januar und Februar die Schlussphase.
Testa: Wenn man bedenkt, dass das als reines Spaßprojekt angefangen hat und bis jetzt das Erfolgreichste ist, das wir rausgebracht haben…
Woher kennt ihr euch eigentlich?
Testa: Also 2002 haben Chrisfader und ich uns auf der HAK Imst kennengelernt. Wir waren zwar in verschiedenen Klassen, hatten aber gemeinsamen Turnunterricht. Und dann haben wir rausgefunden, das der eine das macht, was auch der andere in seiner Freizeit macht, was damals relativ selten war…eigentlich hat das niemand gemacht. Und von da an hat es sich verselbstständigt. An Wochenenden haben wir oft zwei oder drei Tage durch mit unseren Turntables „Lärm“ gemacht. So haben wir uns auch unsere Fähigkeiten angelernt, wir waren da eine Zeit lang auch extrem ehrgeizig, haben auch an DJ-Wettbewerben teilgenommen. Es hat dann so einen kleinen Freestyle-Battle gegeben, auf dem wir hinter den Turntables standen, und Yo!Zepp hat dran teilgenommen. Wir haben uns gleich gedacht „Ok, das ist der Einzige, der rappen kann“ – und uns dann mit ihm angefreundet.
Yo!Zepp: Wir haben dann auch gleich unsere erste Crew gegründet, mit der wir dann nur wenige Wochen später auf Festivals unterwegs waren. Da war das Ganze allerdings noch auf Hochdeutsch. Also noch sehr lasch, aber wir haben auf jeden Fall mit wenig Aufwand viel erreicht, waren da in der Szene gleich bekannt.
Habt ihr eine besondere Genehmigung gebraucht, um diese Schnipsel verwenden zu dürfen?
Yo!Zepp: Wir haben nicht gefragt.
Chrisfader: Man kann sich nach wie vor alles, was wir fürs Album verwendet haben, im Archiv von Kabel TV Imst und Landeck.tv anschauen.
Yo!Zepp: Die Protagonisten sind demgegenüber eigentlich ziemlich cool eingestellt.
Manche Personen hört man ja auch öfter…ein gewisser Bürgermeister kommt mehrmals vor…
Testa: Der Bürgermeister von Tarrenz. Den haben wir leider nicht getroffen, wir haben ja auch in Tarrenz gespielt. Dafür konnten wir ihn ein paar Wochen später kennenlernen und es ist wirklich erstaunlich, wie cool und offen er dem Projekt gegenüber eingestellt ist. Er sieht das ein bisschen als Werbung für sich selber.
Yo!Zepp: Er hat auch erzählt, dass er von Parteikollegen aus Oberösterreich und aus dem Burgenland Emails bekommen hat, weil sie auf Ö1 die Nummer gehört haben. Jetzt hat er in der Partei anscheinend ein eigenes Standing. Zu uns hat er wortwörtlich gesagt „ I mecht eich fördern wo´s geat“.
Die Rosa wird wahrscheinlich nicht mehr wissen, dass sie auf FM4 gespielt wird…
Chrisfader: Die Nummern „104 Jåhr voll“ und „105 Jåhr voll“ hat sie leider nicht mehr mitbekommen, sie ist dann 2010 106-jährig gestorben. Aber ihre Familie war auch auf dem Konzert in Tarrenz. Ein Mitglied der Familie ist dann noch zu mir gekommen und gesagt, dass es die ganze Familie super findet.
Yo!Zepp: Das war uns auch persönlich sehr wichtig. Wir wussten am Anfang nicht, ob wir die Nummer mir rauf nehmen sollen, da die Rosa nicht mehr lebt und das manche Personen vielleicht in den falschen Hals bekommen.
Chrisfader: So richtig aktiv hab ich jetzt auch noch kein negatives Feedback bekommen, man hört halt immer wieder hinterm Rücken gewisse Dinge, aber wer sollte deswegen denn wirklich eingeschnappt sein? Von uns aus ist es als Kompliment gemeint.
Ich habe ja nicht gewusst, was der „Kassunti“ ist und ein wirklich gutes Rezept für „Kaskiachla“ kennt ja auch nicht jeder… geht´s da im weiteren Sinne auch um die Bewahrung von oberländischem Kulturgut?
Testa: Wir haben da an und für sich gar keine Hintergedanken gehabt, wir haben die Nummern aus Spaß gemacht und es gibt dann Leute, die anfangen das reininterpretieren. Kulturförderung…ist eh ein Kompliment für uns, aber es war nicht die Intention.2015-06-12 20.47.25
Yo!Zepp: Ich hab aber auch schon von älteren Leuten gehört, da wir jetzt nicht mehr ausschließlich das Hip-Hop Publikum anziehen, sondern auch Leute aus dem Kulturbereich…
Chrisfader und Testa fallen in schallendes Gelächter
Testa: Ausm richtigen Kulturbereich!!!
Yo!Zepp: Ja, halt nicht mehr nur aus dem Hip-Hop-Kulturbereich…für die war das schon sehr prägnant, dass man Bräuche thematisiert. Wir haben kurz vor Ostersonntag in Landeck ein Konzert vor knapp 400 jungen Leuten gespielt. Der „Kaskiachla“- Spruch ist ein uralter Spruch und für viele bedeutet es halt was, dass die jungen Leute den wiedergeben oder wieder was anfangen können damit. Vielleicht haben wir´s unterbewusst gemacht.
Testa: Im Grunde hängt´s ja auch viel damit zusammen, was auf Landeck.tv und Kabel TV Imst berichtet wird, also Musikkonzerte, Heimatabende und so politische Geschichten.
Chrisfader: Ich glaub, wir haben da eher nach Originalen gesucht und aussondiert…wenn irgendwer im Interview den Mund aufmacht, ist dir in den ersten fünf Sekunden klar, ob das ein Original ist oder nicht. Und auch nur die haben es aufs Album geschafft…die sich auch vor der Kamera nichts scheißen und so reden, wie ihnen die Goschen gwachsen ist. Genau das haben wir auch am Coolsten gefunden daran.
Yo!Zepp: Für uns ist Dialektbewahrung, also nicht nur unser Dialekt, sondern allgemein, ein Thema. Wir sind Dialektfans und schätzen die Verschiedenheit von Sprache. Ich glaube, es ist ein wichtiges Dokument…in 50 Jahren wird wahrscheinlich schon nicht mehr so gesprochen. Sprachwissenschaftlich ändert sich ja die ganze Zeit was. Wahrscheinlich wird man in 50 Jahren erkennen…
Chrisfader: Do miassma wieder zruck!
(Allgemeines Gelächter)
Testa: Es ist tatsächlich in Schulen im Oberland schon im Deutschunterricht vorgespielt worden.
Yo!Zepp: Ich bin auch schon ein paar Mal zu einem Mundart-Tag eingeladen worden, es wird also wirklich gehört und als wichtig empfunden…also die Sprache.
Bezüglich Tracks: Versucht ihr, Soundgerüste zu bauen, die die „Lyrics“ unterstützen und ihnen gerecht werden – oder macht man da was ganz Konträres, um ein komisches Element zu entwickeln?
Chrisfader: Es ist wirklich nicht so einfach. Es ist uns ja auch nicht komplett scheißegal, welcher Beat da jetzt darunter liegt…aber es ist schwierig zu erklären…
Gibt da die Sprache irgendwie den „Flow“ vor?
Chrisfader: Oft ist es schon auch so. Da sagt einer einen Satz und da wir jahrelang Hip-Hop gehört haben, hören wir das irgendwie schon gerappt…da brauchst du dann nur noch ein Schlagzeug darunter programmieren. So fängt´s dann halt mal an und dann arbeitet man sich weiter.
Testa: Es gibt halt auch so Leute wie den Bürgermeister von Tarrenz: wenn der redet, wissen wir, wir müssen nur irgendetwas darunter legen und das flowt, das ist dann immer irgendwie cool…es gibt da eindeutig ein paar Naturtalente.
Chrisfader: Obwohl wir dann schon noch viel dran rumbasteln und viel Arbeit damit haben…nur mit darunter legen ist´s halt dann auch nicht getan…wir versuchen dann den perfekten Takt zu finden, damit´s „flowt“. Man könnte das auch eindeutig liebloser angehen, aber damit wären wir nicht zufrieden. Es gibt dafür, glaube ich, auch keine pauschale Antwort. Ich hab sicher schon 15 Nummern angefangen, die ich dann wieder verworfen habe, weil´s dann doch nicht gepasst hat. Weil auch die Stimmung nicht gepasst hat. Aber ich glaube, das ist mit vielen Dingen so. Aber grade beim „Krampalartata“ zum Beispiel ist es wichtig zu unterstreichen, dass es was Böses ist.
Testa: Im weitesten Sinn kann man sagen, dass Hip-Hop ja auf Sampling basiert, also dass man Samples nimmt und die in einen anderen Kontext setzt. Wir verwenden die Samples von Kabel TV musikalisch zu einem Beat, sowie das andere Leute zu Soul-Samples oder Jazz-Samples machen.
Chrisfader: Es kommt auch einfach von da, es ist schon immer so gewesen…Hip-Hop hat so angefangen und wir sind durch diese Schule gegangen. Du hörst irgendwas Altes, ziehst dir was raus, schnipselst daran herum und machst was Neues draus. Wir haben auf der Platte ja auch nichts anderes gemacht, außer neues Material zu verwenden. Es war daher für uns sehr naheliegend, die Samples von Kabel TV zu verwenden.
Gibt´s irgendeinen Song, den ihr gerne geschrieben hättet?
Yo!Zepp: Irgendwann schreiben wir einen Song, nachdem jeder der ihn gehört hat, gescheiter ist! Oder wie war die Frage gemeint?
War ja eh schon eine coole Antwort…aber ich hab´s eher allgemein gemeint.
Yo!Zepp: Ja dann hätt ich gern „Last Christmas“ geschrieben…dann hätte ich ausgesorgt!
Testa: Oder „Rise like a Phoenix“!
Was steht heuer noch so an?
Yo!Zepp: Also wir hätten mal geplant, an einem zweiten Album zu arbeiten. Es läuft zwar schleppend, aber ich bin guter Dinge dass da bald mal was passiert.
Testa: Chrisfader und ich wohnen ja in Wien, da ist es eher schwierig, sich regelmäßig zu treffen und Sounds zu kreiren.
Chrisfader: Das letzte Mal haben wir uns vor fünf Wochen gesehen.
Yo!Zepp: Also das Album wird unser neues Projekt für dieses Jahr…und Konzerte spielen.
Autor: Victoria Strallhofer