Christian Scott: trumpet
Matthew Stevens: guitar
Joe Saunders: bass
David Bryant: piano
Jamire Williams: drums
Wächst hier ein neuer Miles Davis heran? Diese Frage muss man sich ganz einfach stellen, wenn man die Musik von Christian Scott hört und ihn live erlebt. Der gerade einmal 21-jährige Jazztrompeter zeigt sich als "Black Man" mit all der Verachtung, die Miles Davis der Welt entgegenschleuderte und mit all der Verletzlichkeit einer fühlenden Seele. Es wirkt bei Christian Scott aber nicht aufgesetzt sondern natürlich – so natürlich wie sein Spiel klingt. Er begeistert mit einem eminent eindrucksvollen Klang auf der Trompete und dem Kornett, er verknüpft "alte" Klänge mit neuen Inspirationen und zeigt sich offen für alle Einflüsse, absolut alle Einflüsse. In seiner Musik lauert zwischen dem Ruhigen und Tradierten immer auch das Unberechenbare. Christian Scott, der mit HipHop, Prince und Michael Jackson aufwuchs, dringt in die tiefsten Tiefen der Seele vor und hält den Spiegel der Selbstbetrachtung stets in der ausgestreckten Hand. Sein Solodebüt „Rewind That“ wurde mit einem Grammy nominiert, mit seinem zweiten Album „Anthem“ möchte er die musikalische Freiheit, die er verspürt, zum Ausdruck bringen.
JAZZECHO:
Junge Talente vom Schlage eines Christian Scott sind genau das, was der Jazz heutzutage braucht. Der 22jährige Trompeter präsentiert beim Label Concord Jazz mit "Rewind That" ein Debütalbum, das die ganze Szene - von Musikerkollegen über Journalisten bis hin zu den Jazzfans - aufhorchen lassen wird. Anstatt, wie es so viele sogenannte "junge Löwen" seit den frühen 90er Jahren tun, die Spielweisen des Bebop neu aufzuwärmen, überrascht Scott auf seinem ersten Album unter eigenem Namen mit einem smarten und fantastisch groovenden Repertoire, das bis auf zwei Ausnahmen (den bluesigen Miles-Davis-Klassiker "So What" und Donald Harrisons "Paradise Found") aus selbstkomponierten Stücken besteht, und einem elektrischen und zugleich elektrisierenden Sextett, zu dem sich bei vier Stücken als Gast außerdem der Altsaxophist Donald Harrison gesellt. Den mittlerweile in New York lebenden Berklee-Absolventen darf man getrost als das größte Trompetentalent seit Roy Hargrove bezeichnen.
Christian Scott scheint ein geborener Musiker zu sein. Obwohl er erst 22 Jahre alt ist, verfügt er bereits über den Ton und das musikalische Selbstbewußtsein eines wirklich großen Trompeters. Er meidet Clichés und Effekthascherei und gibt stattdessen ausdrucksvoller Sensibilität den Vorzug. Und er ist bereit mit den Regeln zu brechen, wenn es in seinen Augen musikalisch sinnvoll ist. Als gebürtiger New Orleanser repräsentiert Scott die jüngste Generation der Trompetentradition der Crescent City, die einst durch die Legenden King Oliver und Louis Armstrong begründet wurde und für die heute u.a. die Namen von Wynton Marsalis, Terence Blanchard und Nicholas Payton bürgen.
"Ich habe mir vorgenommen, meinen eigenen Stil zu finden, um das, was mich in meinem Inneren bewegt, ausdrücken zu können. Ich mache mir keine Gedanken darüber, wieviele Bebop-Licks ich spielen kann", sagt Scott mit Überzeugung. Den Rücken stärkt ihm dabei sein Onkel, der exzellente Altsaxophonist Donald Harrison, in dessen Band Christian erstmals mit 16 Jahren spielte. "Donald hat mir klargemacht, wie wichtig es ist, einen eigenen, unverkennbaren Ton zu entwickeln. Er gab mir auch den Tip, nicht zuviele Aufnahmen anderer zeitgenössischer Trompeter anzuhören, um gar nicht erst in die Versuchung zu geraten, so wie diese klingen zu wollen."
So bemühte sich Christian Scott also zu einer eigenen bestechenden Stimme auf der Trompete zu finden: Er verfügt über einen rauchigen Ton, der sehr viel mehr mit der Art, wie Ben Webster Tenorsax spielte, gemein hat, als mit dem schneidenden, fanfarenartigen Ton, den die Trompete üblicherweise hervorbringt. "An diesem Ton habe ich zwei Jahre lang konzentriert gearbeitet", gesteht Scott, der von dem Trompetenveteranen Clark Terry in einige technische Geheimnisse eingeweiht wurde. "Offensichtlich hatte Clifford Brown es geschafft, einen solchen Ton auf seiner Trompete zu spielen. Leider gibt es davon keine Aufnahmen. Statt kalte Luft in das Instrument zu blasen, preßte Clifford warme Luft aus seinem Zwerchfell hinein, um einen rauchigeren Ton zu erzeugen. Mir gefällt das, weil die Trompete so eher wie eine menschliche Stimme klingt."
Obwohl Scott nahezu alle großartigen Trompeter der Jazzgeschichte als seine Vorbilder bezeichnet, hebt er Miles Davis als seinen Haupteinfluß hervor. "Miles begann als Bebopper, entschied sich eines Tages aber, eine andere musikalische Richtung einzuschlagen und sich bei seinem Spiel nicht so zu exponieren", meint Scott. "Er beschloß, sein eigenes Spiel zu edieren, um nur die Essenz seiner Gedanken mitzuteilen. Das, was er nicht spielte, war genauso großartig wie das, was er spielte. Ich sah kürzlich ein Video von ihm, und man konnte es in seinem Gesicht ablesen, daß er jede Note, die er spielte, abwog."