treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

MARiUS NESET

Ein junger Saxophonist aus dem Land der stillen Fjorde betätigt sich als Sprengmeister: Sein bereits 2011 erschienenes Album „Golden Xplosion“ hieß nicht nur so, sondern war auch die Einlösung des im Titel Proklamierten. Das Saxophon machte ein paar überraschende Grenzerfahrungen. Marius Neset hat einige physikalische Probleme, die das goldene Instrument jedem seiner Herausforderer in den Weg stellt, geradezu spielend überwunden. Eine geradezu stupende klangliche Varianz in der Tongebung, verbunden mit einer wirklich überbordenden Intensität; man ist versucht zu sagen: Das hat es so noch nicht gegeben.
Kaum ein junger europäischer Jazzmusiker sorgte in den letzten Jahren international für mehr Aufsehen und schier ungläubiges Staunen bei Presse und Publikum, als der 1986 geborene norwegische Saxofonist Marius Neset. Wer seine gefeierten Auftritten auf dem Jazzfest Berlin, der Jazzwoche Burghausen, dem JazzBaltica Festival (im Duo mit Michael Wollny) und zuletzt in der Kölner Philharmonie erlebte, stellte erstaunt fest: „Was Marius Neset am Saxofon macht, ist nichts anderes als der Schritt in eine neue Dimension dieses Instruments“ (Süddeutsche Zeitung). Davon sind auch britische Medien überzeugt. Der Telegraph spricht von einem „Wunder“. Der Guardian zählt Neset zu den aktuell größten Entdeckungen des Jazz, mit „der Kraft eines Michael Breckers und der Raffinesse eines Jan Garbarek“.

Marius Neset: tenor, soprano saxophone
Jim Hart: vibraphone
Ivo Neame: piano, hammond organ
Michael Janisch: bass
Anton Eger: drums, percussion

Selten war sich die europäische Jazzkritik in den letzten Jahren so einig wie bei dem 30-jährigen Norweger, der in Kopenhagen bei Django Bates studierte.
Mit seinen erst 30 Jahren ist Marius Neset einer der führenden Protagonisten einer Musikergeneration, die dem europäischen Jazz neue Impulse geben und Perspektiven aufzeigen, ein „Young European Lions“, der mit seiner Klangsprache einen ganz eigenen Weg gefunden hat. So wie ein Vincent Peirani am Akkordeon, ein Emile Parisien am Sopransaxofon oder ein Adam Baldych an der Geige die Grenzen ihrer Instrumente neu definieren, oder so wie ein Michael Wollny die Freiheit des Klavierspiels und den Klang des traditionellen Klaviertrios erweitert, so führt auch Marius Neset die Technik des Saxofonspiels in eine neue Dimension: „Neset verliert sich nicht im Überschwang der Experimentierlaune, auch nicht im modischen Liebäugeln mit dem Pop. In jedem Moment ist ein Plan dahinter zu erkennen. Es ist ein Zipfel von der Zukunft des Jazz.“ (Frankfurter Rundschau)
 


JAZZTHETIK

Marius Neset: Qualität setzt sich durch - Von Rolf Thomasneset
Geboren wurde Marius Neset 1986 in einem kleinen Nest namens Os, aufgewachsen ist er in Bergen, der zweitgrößten Stadt Norwegens. 2003 ging er ans Konservatorium in Kopenhagen und studierte dort sieben Jahre lang, ab 2005 unter anderem bei Django Bates. In diesem Jahr gründete Neset auch die Band JazzKamikaze, von der bislang vier Alben erschienen sind. In Quartettstärke hat Neset dann sein Debüt-Album Suite For the Seven Mountains eingespielt, allerdings um ein eigenhändig orchestriertes Jazz-Ensemble und ein Streichquartett verstärkt. Nach Golden Xplosion erschien im letzten Jahr Birds. Mit Lion gibt Marius Neset nun sein Debüt auf dem deutschen Label ACT. Zuvor war er bereits am ACT-Debüt des polnischen Geigers Adam Bałdych beteiligt.
Man muss nicht gleich von einer „neuen Dimension“ des Saxofonspiels sprechen, wie es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG getan hat, aber die erfinderische Kraft und der kompositorische Elan des nicht mal Dreißigjährigen sind in der Tat beeindruckend. Auch mit dem zehnköpfigen Trondheim Jazz Orchestra geht Neset kein bisschen auf Nummer sicher: Allein der Opener und Titeltrack ist ein Bravourstück. Wie Neset dem Tubisten Daniel Herskedal – mit dem er 2012 bereits das Duo-Album Neck of the Woods aufgenommen hat – die Bassfunktion zuweist und gleichzeitig alle sieben Bläser songdienlich ins Geschehen einbindet, ist vorzüglich. „Zu Beginn ist ,Lion‘ in der Tat eine Art Tuba-Feature“, fühlt sich Neset ein wenig ertappt. „Ich mag die Tuba einfach sehr. Aber der Bass ist generell sehr wichtig. Petter Eldh ist ein sehr kreativer Bassist, was mir sehr gut gefällt. Er gibt etwas mehr als einfach nur einen Groove. Petter gibt sehr viel von sich selbst, aber das gilt eigentlich für alle Musiker. Sie drücken der Musik durch ihre Persönlichkeit ihren Stempel auf. Es sind mehr elf Individualisten als eine normale Big Band.“
Manche, die den Saxofonisten bislang nicht wahrgenommen haben, werden vielleicht enttäuscht sein, dass Marius Neset auf seinem Debüt für ACT so wenig zu hören ist. „Für mich fühlt es sich nicht wie ein Debüt an, weil ich ja erst im letzten Jahr Birds gemacht habe“, erläutert er. „Insofern war es eine ganz natürliche Entscheidung, diesmal etwas mit dem Trondheim Jazz Orchestra zu machen. Es ist eben nur das erste ACT-Album. Ich werde auf der Platte nicht mehr gefeaturt als die anderen – es geht wirklich um eine Band, die zusammenspielt.“
Elvis Costello hat vor kurzem in einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift ESQUIRE darüber räsoniert, wie er seinen eigenen Durchbruch Ende der 70er Jahre erlebt hat. Dabei betonte er, wie schwierig das Musikgeschäft damals noch gewesen sei – man hätte großes Augenmerk darauf richten müssen, von der Musikpresse überhaupt wahrgenommen zu werden, und das sei in den heutigen Internet-Zeiten ja alles viel einfacher. Wie hat Marius Neset seinen eigenen Durchbruch, der ähnlich schnell wie der von Costello vor 35 Jahren erfolgte, erlebt und worauf führt er ihn zurück? „Ich weiß es nicht“, sagt der Saxofonist. „Meine letzten beiden Platten sind wirklich sehr gut aufgenommen worden. Das Publikum mochte sie, die Journalisten mochten sie. Vielleicht war es einfach wichtig, dass ich genau das gemacht habe, was ich machen wollte. Ich habe mich nicht darum gekümmert, was andere gesagt haben. Das ist mir sehr wichtig, und vielleicht spüren die Leute das. Aber in Wirklichkeit habe ich keine richtige Erklärung, vielleicht hatte ich einfach nur Glück.“
Bei seinem Auftritt beim Berliner JazzFest 2012 wurde das Quasimodo schon vor Konzertbeginn von aufgeregten Gerüchten aufgeladen – normalerweise dienen die Quasimodo-Konzerte als spätabendliche Journalisten-Tränke, bei der man sich endlich mal unterhalten kann. Bei Nesets Gig aber herrschte gespannte Aufmerksamkeit. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so voll sein würde“, erinnert sich Marius Neset noch gut an den denkwürdigen Gig. „Für uns war das sehr seltsam, denn wir konnten nicht einmal mit unserem regulären Bassisten spielen. Der Auftritt war sehr chaotisch und nach dem ersten Set war ich nicht glücklich. Aber während des zweiten Sets konnten wir spüren, dass etwas passiert – wir wurden immer lockerer und vielleicht auch besser. Das Publikum war unglaublich enthusiastisch, und damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.“
Die unausgesprochene Costello-Unterstellung, dass durch das Internet jedermann berühmt werden könne, teilt Marius Neset überhaupt nicht. Für ihn ist auch Myspace, das bis vor fünf, sechs Jahren für Musiker quasi ein Muss war, längst wieder erledigt. „Ich bin bei Facebook“, sagt der Saxofonist etwas gequält. „Myspace hatte seine Zeit schon hinter sich, als meine Karriere Fahrt aufnahm. Aber ich glaube nicht, dass das Internet für meine Karriere wichtig war – es war wirklich Golden Xplosion, das einen unglaublichen Hype ausgelöst hat. Es gab einen Haufen großartige Rezensionen. Das hat dazu geführt, dass viele sich das Album angehört haben und anscheinend gut fanden.“ Und wann hat ACT-Chef Siggi Loch Witterung aufgenommen? „Ich habe keine Ahnung, wie Siggi Loch auf mich aufmerksam wurde“, zeigt Marius Neset sich ehrlich erstaunt.