wolfgang muthspiel & die Pichler-Brothers
Nach menschlichem Ermessen müsste Wolfgang Muthspiel ein Weltstar sein. Dass ihm dieses Schicksal erspart geblieben ist, hat vor allem zwei Gründe: Muthspiel legt keinen Wert darauf. Und selbst wenn er sich verbissen darum bemühte, bliebe es wahrscheinlich folgenlos, denn die musikalische Lieblichkeit, die erforderlich ist, um es im Jazz von heute zu massiver Breitenwirksamkeit zu bringen (siehe Norah Jones, siehe Jamie Cullumm), geht Muthspiel vollkommen ab. Deshalb ist er „nur" ein Weltmeister.
Der 1965 in Judenburg geborene Gitarrist hat in den vergangenen zehn Jahren neben schlafwandlerischer Musikalität und virtuoser Technik eine schwindelerregende stilistische Bandbreite demonstriert - von akademischen Exerzitien bis hin zu lustvollen Experimenten im Elektronik- und Club-Genre. „Bright Side" ist das erste Album seines neuen Trio-Projekts. Mit den Tiroler Zwillingsbrüdern Matthias und Andreas Pichler (Bass und Schlagzeug) gibt sich Muthspiel dem introvertierten, kammermusikalischen Geist des Jazz hin, frei von jeder geschmäcklerischen Crossover-Tauglichkeit. Hier musiziert einer ganz auf der Höher seiner Weltmeisterschaft.
Wolfgang Muthspiel: guitar, violin
Matthias Pichler: bass
Andreas Pichler: drums
Für sein neues Trio hat Wolfgang Muthspiel zwei junge Musiker aus Tirol engagiert: die Zwillingsbrüder Matthias und Andreas Pichler, die an Bass und Schlagzeug den Kontrapunkt zu seinen Improvisationen an der Gitarre entwickeln. Das neue Trio steht unter dem Leitstern (eines gemeinsamen Bandsounds, der Möglichkeit einer langen Entwicklungsarbeit mit längeren Probephasen und spezifisch für diese Besetzung geschriebenen Stücken Muthspiels. Eine „working-band“ also, die nicht nur für eine Tour zusammengestellt wird. Eine, deren individuelle Komponenten unaustauschbar werden, unabhängig vom „name value“ der Protagonisten. Die hochtalentierten Zwillinge haben sich im Treibhaus in den diversesten Formationen und Sessions hinauf und hinuntergespielt - mittlerweile sind ein Geheimtip in der Jazzwelt. Ihre stilistische Offenheit und die Hingabe an den Moment, das wesentliche Merkmal improvisierter Musik, und ihr bereits hoch entwickeltes rhythmisches Verständnis des Jazz haben Wolfgang Muthspiel überzeugt, mit ihnen langfristig arbeiten zu wollen. Dabei ist er, eindeutiger als bei vielen anderen seiner Projekte, die richtunggebende Kraft des Ensembles.
Muthspiels stetig wachsende Qualität der musikalischen Weite und Ruhe (auch inmitten des Sturmes), wie die fertig gestellte Solo-CD zeigt, verleiht dem JazzTrio eine besondere Klangschönheit und schafft einen direkten, emotionalen Zugang zur Musik. Sein Ziel, voll und ganz sein eigener musikalischer Ausdruck zu sein, wird sozusagen dem langfristigen Pichler-Brothers Test unterzogen.
Ansätze dazu gibt es bereits auf vorhandenen Tonträgern im Trio mit Brian Blade und Marc Johnson (Real Book Stories / Air, Love & Vitamins) oder im Trio mit Paul Motian und Marc Johnson (Perspective). Das neue Trio wird jedoch seinen eigenen Weg bestreiten und nicht die berühmten Vorgänger zu kopieren versuchen.
Der Gitarrist Wolfgang Muthspiel, "Europäischer Jazzmusiker des Jahres 2003", hat mit seinen Trios mit den Spitzen-Jazzern Marc Johnson am Bass und Paul Motian bzw. Brian Blade am Schlagzeug großes Aufsehen erregt. Nun setzt er voll auf seine neue Working-Band mit den Tiroler Zwillingsbrüdern Matthias und Andreas Pichler an Bass und Drums. Einmal, weil die amerikanischen Stars ziemlich ausgebucht sind und deshalb eine kontinuierliche Arbeit nur schwer möglich ist, und zum zweiten, weil die beiden 25-jährigen Innsbrucker hochtalentierte Musiker sind, denen nach Meinung der Fachleute der Weg in die Jazzwelt weit offen steht. Das Trio überzeugt durch seine virtuose Leichtigkeit, mit der die atmosphärisch dichten, wunderschönen Eigenkompositionen auf höchstem musikalischem Level interpretiert werden. Angesichts den jetzt schon unverkennbaren Trio-Sounds und der musikalischen Raffinessen, darf man darauf wetten, dass die Langzeit-Zusammenarbeit dieser erstklassigen Improvisatoren international Furore machen wird.
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(das war der pressetext zu beginn der Zusammenarbeit 2005.
im Frühjahr 2006 erschien BRIGHT SIGHT - die erste CD des Trios. mit fulminanten Kritiken:
Wolfgang Muthspiel Trio
Mit Muskeln protzen kann jeder, der einigermaßen ansehnliche hat; sie sinnvoll zu benutzen, ist die höhere Kunst. Diese Feststellung hat durchaus mit Musik zu tun - und speziell mit der auf der neuen CD des Gitarristen Wolfgang Muthspiel. Muthspiel, Jahrgang 1965, gehört zu den derzeit besten Jazzgitarristen der Welt. Bereits in den 1990er-Jahren erspielte er sich in New York diesen Ruf, seit 2002 lebt der Österreicher wieder in Wien - und löst sein Renommee bisher jedes Jahr aufs Neue ein. 2003 etwa wurde er zum europäischen Jazzmusiker des Jahres gekürt. Er beherrscht die klassische Spielweise und Rock-Stilistik genau so eindrucksvoll wie die höhere Mathematik des Jazz - könnte also musikalisch die Muskeln spielen lassen wie nur ganz wenige. Doch die ganz große Qualität dieses Musikers besteht darin, dass er genau das nicht tut. Er verfügt beiläufig-gelassen über seine Virtuosität, zeigt sie nicht vor. Und wohl noch radikaler als bisher ist er in dieser Hinsicht auf seiner hervorragenden, am 17. Februar erscheinenden CD "Bright Side", auf der er sein neues Trio präsentiert.
Mit dem aus Tirol stammenden Zwillingsbrüder-Paar Andreas Pichler, Schlagzeug, und Matthias Pichler, Bass, spielt der Gitarrist jetzt seit über einem Jahr zusammen. Es ist eine Band, die Muthspiel als ständiges Ensemble gegründet hat: eines, das also über längere Zeiträume ein Repertoire erarbeitet. Und das so aufeinander eingestellt ist, dass jeder die feinsten Nuancen des anderen kennt. Genau das spürt man in den Stücken dieses Albums durchgehend. Die Pichler-Brüder sind optimale Partner für Muthspiel, absolut zuverlässige Techniker. Und damit entsteht eine Homogenität, eine Geschlossenheit des Klangs, die auch bei Spitzen-Jazzgruppen selten so ausgeprägt ist.
Nicht Konkurrenz, sondern Verschmelzungskunst findet hier statt. Und das klingt nicht nach braver, sondern nach äußerst vielgestaltiger, immer überraschender Dreieinigkeit. Da fliegen etwa die Töne in unglaublich elegantem Filigran über ein ungerades Metrum hinweg, lassen in einem anderen Stück ein immer in neuen Lagen wiederkehrendes Motiv aus zwei Tönen enorm viele Farben annehmen, oder wecken mit einem chromatischen Bass-Thema Assoziationen an eine James-Bond-Filmmelodie, von der aus freilich schnell wieder ganz andere Klangwelten aufgesucht werden. Gitarre, Bass und Schlagzeug wirken auf weite Strecken sozusagen wie ein einziges Instrument - und ob bei scheinbar einfachen oder offen vertrackten Passagen, immer klingt das alles, als sei keine Kraftanstrengung vonnöten. Am radikalsten ist das Trio in einem Stück namens "Shanghai", das sich ganz langsam über ganz einfachen Harmonien entfaltet und nicht das kleinste virtuose Einsprengsel enthält. Doch so virtuos unvirtuos wie hier können nur wirkliche Meister spielen.
Einfach seinem inneren Ohr wolle Muthspiel folgen, schreibt er im Booklet, und weder ein Konzept noch eine Ambition sollten dem im Wege stehen. Vielleicht kann man es auch so formulieren: Wir zeigen nicht, wie toll wir sind, wir machen Musik. Natürlich ist es in diesem Fall vor allem die Musik des Bandleaders und nicht - was auch möglich wäre - diejenige dreier Persönlichkeiten, die jeder ihre eigene Welt auch mit jeweils eigenen Kompositionen mitbringen. Aber das enorm organische Ergebnis spricht für sich. Kein Muskel-Spiel. Aber ein Jazz-Spiel mit enormer Kraft.
Roland Spiegel, Bayern 4 Klassik