In "bisjetzt" blickt der Dorfer zurück, nicht nur auf die eigene Biographie, nach dem Motto „Meine besten Jahre“, das wäre nicht abendfüllend. Zeitgeschichte passiert Revue, Vergessenes, Verdrängtes, Erinnerliches, aber auch Neues. Ein Mix aus seinem reichhaltigen Schaffen, jeder Abend unvergleichlich, stets in etwas anderer Zusammenstellung.
Er kombiniert, kontrastiert, collagiert Ausschnitte und Bruchstücke aus seinen Anfängen in der Kabarettgruppe Schlabarett, seinen Koproduktionen mit Josef Hader ("Freizeitmesse", "Indien") bis zum preisgekrönten "fremd". "bisjetzt" ist deshalb kein handelsübliches Best of, sondern, wie bei Dorfer üblich, ein eigenständiges Stück. Es ist die zielstrebige Spurensuche eines leidenschaftlichen Vordenkers und Nachfragers, eines engagierten Wurzelbehandlers und Fassadenabklopfers, eines geistreichen Gesellschafts-Satirikers und scharfsinnigen Polit-Kabarettisten. Kurz: eine Werkschau Dorfers, über den die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Er ist der vielfältigst Begabteste unter seinen deutschsprachigen Kollegen“.
WÖRTLICH
Als gelernter Österreicher kannte man die Deutschen ja nur als Touristen. In Zeiten des Wirtschaftswunders und danach waren sie – sagen wir einmal – etwas übermotivierte Gäste und machten nicht den Eindruck, als ob sie neue Freunde bräuchten. Die Zeiten ändern sich, die deutsche Wiedervereinigung kam ins Land, mit kurzer Euphorie und langer Ernüchterung. Deutschland begann zu straucheln, und wann immer man nun deutsche Urlauber in unseren Bergen sieht, stellt man sich die bange Frage, wie die sich das wohl leisten können.“
Ist es noch Kabarett oder schon Theater? Die Frage erübrigt sich. Es ist Alfred Dorfer. Der wie immer gekonnt zwischen Satire, Theater und schräger Philosophie balanciert. Man kennt den unverwechselbaren Sprach- und Spielartisten mittlerweile im gesamten Sprachraum.
Alfred Dorfer, österreichischer Satiriker, balanciert gekonnt zwischen Theater, Kabarett und schräger Philosophie. Auch in »Wörtlich«, seinem ersten Buch, zeigt sich die beeindruckende Vielseitigkeit des Autors: Kluge Kommentare zu politischen Vorgängen in Deutschland und Österreich, treffende Glossen, aber auch die Texte zu seinen Stücken »Indien« oder »Fremd« sind in dieser brillanten Sammlung zum ersten Mal abgedruckt. Ein höchst anregendes Lesebuch für alle Dorfer-Fans!
Anfang der 90er Jahre galt der Wiener Alfred Dorfer zusammen mit seinem Freund und Kollegen Josef Hader als Neuerfinder des österreichischen Kabaretts. Seither zeigt Dorfer sein Können in unzähligen Projekten. Das z. B. gemeinsam mit Hader realisierte und später verfilmte Theaterstück "Indien" ist längst Kult. Seine wöchentliche Satire-Sendung "Dorfers Donnerstalk" (ORF), in der er einen Blick auf die Tagespolitik wirft, ist preisgekrönt.
Nicht zuletzt sind es aber auch seine zahlreichen Soloprogramme, mit denen er seit Jahren maßgebliche Akzente setzt und die ihn zu einem "Topstar", nicht nur in der österreichischen Kabarettszene, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum gemacht haben.
Ausgezeichnet u.a. mit dem Salzburger Stier, dem Österreichischen Kleinkunstpreis, dem als ersten Österreicher verliehene Hauptpreis zum Bayerischen Kabarettpreis 2009 und sozusagen als "Krönung" dem Deutschen Kleinkunstpreis 2002 in der Sparte Kabarett - nachfolgend die Begründung der Jury:
"In seinem Programm „heimat.at“ gelingt dem leidenschaftlichen Unruhestifter, Vor- und Weiterdenker – abermals im Wechsel- und Zusammenspiel mit seiner dreiköpfigen Band – eine geistesgegenwärtige, scharf- und hintersinnige Analyse jener gestrigen und heutigen Saat, die uns morgen schon blühen könnte: Eine pointierte und bisweilen schmerzhafte politische Wurzelbehandlung und eine genaue Durchleuchtung des zugrundeliegenden Geistes."
Anders als in seinem aktuellen Programm „fremd“, das er wieder mit seinen drei Musikern absolviert, kommt der sich allen Etiketten entziehende Satiriker allein zu uns, um gewohnt gekonnt zwischen Kabarett, Theater und schräger Philosophie zu balancieren. Anhand seines ersten Buches „wörtlich“, das die beeindruckende Vielseitigkeit des Künstlers und sein breites Oeuvre repräsentiert, dürfen wir gespannt sein auf Texte seiner Programme, Theaterstücke und Filme, kluge Kommentare zu politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in Österreich und Deutschland sowie Journalistisches, das Dorfer in der „Süddeutschen Zeitung“, der „Zeit“ oder in „profil“ veröffentlicht hat.
„Kollege Dorfer – ein genialer Satiriker, bissig und unterhaltsam.“ (Bruno Jonas)
„Er ist ein Big Shot. (...) Ein bisschen hat das von einem Rockkonzert, und so ist Dorfer vielleicht manchmal unsicher, ob die Begeisterung seinem jüngsten Stück ‚fremd’ gilt oder der Tatsache, dass die Leute Karten beim Super-Dorfer gekriegt haben.“ (taz).
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Alfred Dorfer (geb. 1961) enterte bereits 1984 nach erfolgreichem Abschluss des Schauspielstudiums die Kabarettbühne. Mit der Kabarettgruppe "Schlabarett" tourte er bis 1992 erfolgreich durch die Lande. 1993 folgt das erste Soloprogramm "Alles Gute", das von den Kritikern gefeiert wird. Mit "Ohne Netz" und "Badeschluß" geht er auf ausgedehnte Bundesländertouren. Außerdem ist Alfred Dorfer als Theater- und Filmschauspieler ebenso erfolgreich (u.a. in "Eis", "Indien", "Freispiel" und "Wanted"), sowie als Drehbuchautor und Regisseur. Die Sitcom "MA 2412" nach dem Schlabarett-Stück "Mahlzeit" wird 1999 mit Triple Platin ausgezeichnet. Mit seinem Programm "heim.at" erobert er seit 2000 die Bühnen der Republiken, Dann Kam der Dorfers Donnerstalk im ORF dazu und seit dem Frühling 2006 das langerwartete neue Kabarettprogramm: FREMD.
Hier die JUBELKRIIKEN zu FREMD:
Der Standard, 06.04.2006
Der Kasperl und die Echse des Bösen
Alfred Dorfer brilliert
und befremdet sein Publikum mit dem philosophischen Programm "fremd"
Alfred Dorfer ist seiner Zeit voraus. Wir hätten nun die Regierung, die wir immer wollten: Rot-Grün. Eine Regierung, der man die Unfähigkeit ansehe. Das sei wenigstens ehrliche Politik. Und dann weint er der Regierung Schüssel nach. Aber es ist nicht Dorfer, der da räsoniert: Der Mann auf der Bühne des Grazer Orpheums stellt sich als ein von Raiffeisen unterstützter ÖVP-Kabarettist vor. Gusi, Grasser, Gehrer und "Prinz Valium" Van der Bellen: Alle bekommen en passant ihr Fett ab. Und das Publikum: Es kann endlich herzhaft lachen in Dorfers neuem Programm "fremd". Aber nur kurz. Denn der grau gewandete Akteur, der in mehrere Rollen schlüpft, hat keine Lust auf billige Schmähs. Obwohl er weiß, dass sich beim Kasperltheater sogar Tierschützer freuen, wenn das Krokodil eine über die Rübe kriegt. Aber: "Ist der Kasperl wirklich der Gute? Und das Krokodil wirklich die Echse des Bösen?" Dorfer riskiert ungemein viel: Er befriedigt – wie vor Kurzem sein langjähriger Mitstreiter in "Düringer um 4.99" – die Bedürfnisse der Zuhörer nach Unterhaltung nur sporadisch, stellt vielmehr alles infrage und begreift das Theater als moralische Anstalt. Immer wieder ruft er dezent zur Mündigkeit auf: Man möge sich zum Beispiel nicht vom eingespielten Lachen beeinflussen lassen. Oder in der Demokratie: Da entscheide doch das Volk. Und wenn das Volk will, dass Richard III. gespielt wird, dann spielt er, Dorfer, eben einen Dialog zwischen Richard III. und Hastings. Oder eben etwas, das nach Shakespeare klingt. Zumindest a bissl. Ist eh wurscht. Das Publikum bekommt also eine über die Rübe. Und Dorfer, ziemlich hinterfotzig, lässt es schließlich allein mit der überbordenden Fülle seiner kritischen Anmerkungen zur Sklaverei, zum Traum von der Freiheit in neoliberalen Zeiten und dem Sieg des Bildes über die Schrift: Nach dem Insert "Fine" (Dorfer zeigt zum Schluss ein sentimentales Video von sich am Meer) macht sich fast so etwas wie eine kollektive Depression breit. Im Gegensatz zu Düringer hat sich Dorfer aber nicht heillos verzettelt: Trotz grotesker Mäander und Abschweifungen bleibt er bei seinem Thema, den vier grundlegenden Sehnsüchten des Menschen. Wenn es ums Faustische Prinzip geht, darf zudem Günther "Gunkl" Paal glänzen: Der Bassist in Dorfers druckvoller Begleitband steuert analytisch Verqueres zu Seelenwanderung, Selbstfindung und Gurkenkrümmung bei. Dennoch: "fremd" ist eine hoch konzentrierte Herausforderung.
Thomas Trenkler
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Kurier, 06.04.2006
Abschied vom Kabarett
Am schwierigsten ist es, zu sagen, worum es in Alfred Dorfers neuem Programm "fremd", seinem ersten seit 2000 ("heim.at"), konkret geht. Im Grunde genommen ist der Künstler ja selbst in Interviews vorab an dieser Aufgabe gescheitert. Versuchen wir also eine Annäherung. Es geht um . . . . . . einen Mann, nennen wir ihn der Einfachheit halber Dorfer, obwohl er ebenso gut anders heißen könnte, der stundenlang am Häusl sitzt und dabei stets die Arie "Casta Diva" aus Bellinis "Norma", gesungen von Maria Callas, hört; . . . vier Persönlichkeiten innerhalb einer einzigen, also um Schizophrenie zur Potenz. "Irgendwann muss man sich aber für eine Biografie entscheiden", sagt Dorfer und wird "Witzeproduzent"; . . . um die Macht der Bilder, etwa am Beispiel von CNN und El-Dschazira, die als Nachrichtensender gelten, obwohl sie sich "kaum von Confetti-TV unterscheiden"; . . . um William Shakespeares "Richard III.", aus dem Dorfer in Originalsprache und seiner eigenen hinzugefügten rezitiert; . . . um Tsunamis, die nie da sind, wenn man sie einmal braucht; . . . ganz kurz um Flüchtlingszüge, bei denen sich die Frage stellt, ob ihnen nicht die ÖBB zu dreckig seien; . . . ums Flüchten vor sich selbst, woraus sich eventuell der Titel "fremd" erklären könnte. Darum geht’s. Oder auch nicht. Ende Begibt man sich aber auf die Meta-Ebene und sucht nach dem großen Ganzen, das diese vordergründig wilden Gedankensprünge eint, die Dorfer mühelos von Galilei über den deutschen Papst bis zum österreichischen Doping-Skandal führen, lehnt man sich also gegen den Trend zu schnellen Antworten und Klarheiten etwas zurück, kann man irgendwann erkennen, dass es diesmal vor allem um das Ende des Kabaretts geht. Dorfers "fremd" beginnt mit Lachern aus dem Off, die dem Meister des subtilen Humors mit Ausritten an die Grenzen des Sagbaren zur Distanzierung vom Bruhaha-Witz und dem Schenkelklopfer-Publikum dienen. Dorfers "fremd" ist Theater, obwohl es mit einem traurigen Film – der Künstler als Schnulzensänger in Italien – ganz sentimental endet. Dorfers "fremd" ist Philosophie und Weltgeschichte, diese aber so vermittelt, dass man selbstverständlich trotzdem lachen kann. Dorfers "fremd" ist Sozialkritik, die umso glaubwürdiger wird, wenn sie auch jene für Pointen heranzieht, die man auf Grund des Guten-Geschmack-Diktats eigentlich nicht ironisiert, etwa die Öko-Fritzen, Behinderte oder Ausländer. Zauberflöte Dorfers "fremd" ist Musik, wenn Günther Paal mit seiner Band die E-Gitarre zupft oder die Klarinette bläst oder umgekehrt und Dorfer den Monostatos aus der "Zauberflöte" singt. Nur einmal, ganz kurz nach der Pause, ist Dorfers "fremd" klassisches Polit-Kabarett mit (gar nicht üblen) Schmähs, die ihm dann aber doch zu billig werden, weshalb er sie als untauglich entlarvt und zu seiner Reise durch die Zeit zurückkehrt. Nach der Premiere im Grazer Orpheum gab es zum Glück keine Zugabe – jeder banale Gag des Witzeproduzenten wäre abgestunken. Der neue Dorfer ist vor allem eines: Ein Pflichttermin!
Gert Korentschnig
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Die Presse, 10.04.2006
Alles verkehrt sich.
Alfred Dorfer gibt im Audimax Nachhilfe im Fach Selbstreflexion.
Wo is' eigentlich der Tsunami, wenn man ihn braucht?"
Auf politisch korrekten Schmäh hat man am Samstag Abend bei Alfred Dorfer vergeblich gewartet. "Schade um die Regierung Schüssel", ätzt er und denkt sich ein rot-grünes Österreich aus. Wer sich im Publikum voreilig über die plötzliche Wende gefreut hatte, ahnte nicht, wie schrecklich die Kehrseite sein könnte. Ein Lüfterl aus "Fadesse und Unbeholfenheit" regiere dann: "Prinz Valium Sascha Van Der Bellen" und "die österreichische Angela Merkel Gusenbauer" seien direkte Folge einer peinlichen österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Als Symbol dafür sang Dorfer die Kurt-Sowinetz-Interpretation der Europa-Hymne. Im kleinen Rahmen ist der Kabarettist noch immer wagemutiger, bissiger, besser als auf der ORF-Bühne seines "Donnerstalks", der den Ruf eines Feigenblatts für den Öffentlich-Rechtlichen nach wie vor nicht abwetzen kann. Das erleichtert, bedenkt man, dass es Dorfer seit 2003 nur mehr im Fernsehen gab. Vor sechs Jahren begann sein letztes Bühnenprogramm "heim.at", und auch wenn Dorfer einmal pro Woche im ORF zu sehen ist, ein bisschen "fremd" ist er uns in der Zwischenzeit schon geworden. Denn dem Vergleich hält der "Donnerstalk", dieses dahinplätschernde Geplauder, trotz der sensationellen Entdeckung des "Moltofons" nicht Stand. Der eine oder andere Satz kommt einem zwar selbst in "fremd" irgendwie bekannt vor - aber auf vertraute Art, vielleicht wie ein Déjà-vu und nicht wie ein alter Bekannter, den man in der Straßenbahn partout nicht kennen will. Viel freier, freizügiger ist Dorfer, der hier im Gegensatz zum TV keinen monothematischen Vorgaben folgen oder fixen Rubriken Platz einräumen muss. In "fremd" ist Dorfer - ganz bei sich. Das Programm folgt einer ausgefuchsten Struktur, spielt in Episoden, verweist kreuz und quer. Und kehrt doch immer wieder - wie im Kreis - an seinen Beginn zurück. Alles verkehrt sich, der Anfang betrachtet sich von hinten. Die einzelnen Strophen des Programms werden durch musikalische Intermezzi (Günther Paal, Lothar Scherpe, Peter Herrmann sind eine in allen Belangen konzentrierte Band) voneinander getrennt. Inhaltlich hantelt Dorfer sich durch die Weltgeschichte (Homer, Richard III.) wie durch Top-News (Hochwasser, "Germany's Next Top Model", Vogelgrippe). Günther "Gunkl" Paal steht - wie immer - mit lieb gemeinten Klugscheißer-Tiraden bei Seite. Und trotzdem bleibt Zeit für spontane Selbstreflexion: Versprecher sind da keine Schande, sondern eine zusätzliche Pointe. Der Dorfersche Humor ist auch diesmal zeitlos. Zeitlos - und nunmehr taktlos, wie man es nur von der verehrten deutschen TV-Grimasse des Harald Schmidt kennt: Einen "Flüchtlingszug" stellt Dorfer sich vor, der durch Europa fährt, damit kein Nationalstaat sich um eine erhöhte Anzahl an Migranten Sorgen machen muss. Weil der Zug niemals hält. Und die Schweizerinnen sollen sich glücklich schätzen, der "Luxus des Frauenwahlrechts" ist dort schließlich noch nicht so alt und gefestigt. Dennoch - "oder gerade deshalb?" fragt Dorfer unter die Gürtellinie - haben die Eidgenossen uns einiges voraus. Österreich ist und bleibt bloß "Reserveschweiz". Dass auf die Deutschen hingepeckt wird, verkraftet das Wiener Publikum da besser: "Wer soll die Jobs machen, die unsere türkischen Mitbürger nicht mehr machen wollen?" Die Deutschen, aus dem bemitleidenswerten Entwicklungs-Nachbarland. Aber auch der österreichische Nationalstolz muss schwimmen in Selbstironie. Zu recht. Klischees gehören dazu, Dorfer benutzt sie im Ansatz, macht die Erwartungshaltung dann aber zunichte. Ist die "Echse des Bösen" im Kasperltheater wirklich die negative Kraft? Ist das nicht eigentlich der Kasperl selbst? Für Kabarett verlangt Dorfer ganz schön viel: "Schreiben Sie uns einen Text zu diesem Lied und schicken Sie ihn uns per SMS", fordert er das Publikum gleich zu Beginn nach einem Instrumental-Stück auf. Als Mitte der zweiten Hälfte noch keine Vorschläge eingegangen sind, führt er uns vor Augen: Die Stimme des Volkes ist verstummt. Schließlich weiß man mittlerweile, auch Revolutionen sind bloß Geschäftemacherei. Dem Publikum hängt er die Selbstironie also um. Und wird noch frecher: Gemeinsam mit seiner Band führt er vor, wie Musik basisdemokratisch klingt. Und wie undemokratisch. Der Unterschied ist schon wieder empörend "political incorrect" - wenn auch kaum frappant: Ohne Demokratie klingt's viel besser. "Österreich, diese ehemalige Weltmacht!" Dem Lachen des Publikums begegnet er mit seinem breiten, durch die Gesichtsanatomie begünstigten Grinsen, das ist nicht zu überbieten: "Das kann man schon sagen!" Da hat er dann mit Fleiß etwas zwischen den Zeilen versteckt, das nur der erkennt, der über sich selbst lachen kann. Schließt das den Österreicher von vornherein aus? Selbstbetrachtungen die dringend nötig sind, Dorfer führt sie mustergültig vor. Kabarett, wie es sich eben gehört.
Patricia Käfer
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kabarett.at, 11.04.2006
Das Schweigen der Schäfchen
Mit einer Netto-Spielzeit von gerade einmal 80 Minuten liegt der zeitliche Rahmen von „fremd“ nur knapp über der Mindestanforderung für ein abendfüllendes Kabarett-Programm. Inhaltlich verbessert es dafür ein ums andere Mal die bisherige Bestmarke auf der beidseitig offenen Skala für intelligente Unterhaltung. „fremd“ ist ein assoziativer Slalom durch die Weltgeschichte. Vom Turmbau zu Babel über die historische Westerweiterung mit der Mayflower bis zu 9/11. Ein vorsätzliches Durcheinander der Geschehnisse und Gedankenausflüge. Denn das Chaos als Kulisse hat Prinzip. In ihm spiegelt sich die Realität schärfer und ehrlicher, als sie das beispielsweise in einem dramaturgisch stringenten Handlungsstrang könnte. Schließlich sind wir das ganze Leben lang damit beschäftigt, höchst inhomogen auf uns einprasselnde Sinneseindrücke zu ordnen und zu verarbeiten. Der wichtigste Unterschied zur Wirklichkeit besteht – zumindest für Agnostiker – darin, dass es Einen gibt, der zu jedem Zeitpunkt ganz genau weiß, wie es weiter geht – und wohin er mit uns will: Alfred Dorfer, scharfsinniger Satiriker und Philosoph im Gewand eines Kabarettisten.
Lustig – aber sinnlos
Um all jene Ansätze und Ansichten unterzubringen, die ihm wichtig sind, entwickelt er sich in der ersten Programmhälfte drei zusätzliche, fast schon allegorische Facetten seiner Selbst: die Aufklärung, die allen Fragen mit Wissen begegnen möchte, den Zwischenmenschen, der immer nur Verständnis statt Verstehen hat, und den gewissenlosen Macht- und Mammon-Maximierer, der die Wirtschaftskraft der Schweiz auf die verspätete Einführung des Frauenwahlrechts zurückführt. Eine funktionelle Konstruktion, die ihm abwechslungsreiche und ansatzlose, provokante und pointierte Perspektiv-Sprünge ermöglicht – und dem Publikum eine Fülle von wiedererkennungswertvollen Andock-Gelegenheiten eröffnet. Seine ureigene Funktion als Polit-Kabarettist karikiert er in der Figur des Raika-gesponserten ÖVP-Entertainers, der sich nach der bevorstehenden rot-grünen Wende über Gusenbauer und Van der Bellen lustig macht: „Endlich eine Regierung, der man die Unfähigkeit auf den ersten Blick ansieht.“ Damit ist für ihn das Thema Parteipolit-Kabarett abgehakt: „Es erleichtert – aber es ist komplett sinnlos.“
Kontrapunkte und Vorzeichenfehler
Das Wesen des Österreichers handelt er mit zwei zeitlos treffsicheren Rückgriffen auf die österreichische Kleinkunstgeschichte ab: „Bei mia sads olle im Oasch daham“ (Heller) und „Olle Menschen samma zwida“ (Sowinetz). Unterstützt wird er in „fremd“ in gewohnter Weise von seiner 4-köpfigen Band. Peter Herrmann, Lothar Scherpe und Günther Paal auf der Bühne – und Robert Peres an der Technik, ohne dessen Stimme die Chöre deutlich dünner klängen. Paal liefert überdies wieder einige seiner grandios verschraubten und oftmals in sich völlig schlüssigen, wissenschaftlichen Argumentationsketten – mit schweren Vorzeichenfehlern. Wirkten diese Paal’schen Perlen in „heim.at“ noch mehr wie Kontrapunkte oder vorsätzliche Fremdkörper, fügen sie sich in „fremd“ fast nahtlos ins Programm ein. Freiheit,
Demokratie und Bilderflut
Zentraler Ankerpunkt für alle Exkurse ist der Begriff „Freiheit“. Unsere vermeintliche Meinungsfreiheit demonstriert er anschaulich am Prinzip der aus der Konserve zugespielten Lacher. Eine Bevormundung, die der Veranstaltung und vor allem dem Künstler Sicherheit gibt – und dem Einzelnen nur ein klein wenig Freiheit nimmt. Ganz so, wie bei Anti-Terror-Maßnahmen. Auch die Freiheiten, die uns die Demokratie einräumt, unterzieht Dorfer einer systemkritischen Analyse. Wer zur Wahl eines eigenen Publikumsvertreters zu langsam ist, bekommt einen Vertreter vorgesetzt. Wenn sich dieser „Richard III“ wünscht, spielt Dorfer eine Szene, die vielleicht ein wenig von Shakespeare sein könnte. Wer weiß das schon so genau. Aber wer würde es wagen, es in Frage zu stellen? So funktioniert Mitbestimmung. Das Schweigen der Schäfchen ist die Macht der Wölfe. Dass auch unsere Gedanken nicht so frei sind, wie wir oft glauben, belegt er mit ausgewählten Bildern, die er auf eine Leinwand projizieren lässt. Oft werden sie nur ein paar Sekunden lang eingeblendet. Lang genug, um ihre Wirkung zu entfalten. Denn ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte. Und ein einprägsames Bild beeinflusst unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit nachhaltig – und gemeinerweise zumeist unterbewusst. Diese verhängnisvolle Macht der Bilder führt poetisch in die Halbzeitpause: „Wenn es von allem ein Bild gibt, hat die Vorstellung Pause.“
Programm mit Bedienungsanleitung
Diese seine inhaltlichen Schwerpunkte und angepeilten Programmziele hat Alfred Dorfer im Vorfeld der Premiere in Dutzenden Interviews erläutert. Nachdem er noch nie etwas dem Zufall überlassen hat, steckt natürlich auch hinter dieser Auskunftsfreude ein gewisses Kalkül. Der Zuschauer (und der Kritiker) weiß schon vor Pogrammbeginn, worum es dem Künstler geht. Er sieht das Programm mit entsprechend voreingenommenen Augen und Ohren. Und er versteht mehr – oder er glaubt zumindest, mehr zu verstehen und mehr herauslesen zu können – als wenn er dem Programm völlig unvorbereitet begegnen würde. Dorfer hat dem Betrachter gewissermaßen den roten Faden in die Hand gedrückt, an dem er sich in seinem labyrinthischen Kleinkunstwerk orientieren soll. Ein kurzer Vergleich mit „Hader muss weg“. Außer eines stereotypen Trailer-Satzes ließ Josef Hader damals vorab nichts über sein neues Solo verlauten. Im Premieren-Publikum machte sich – neben der gebührenden Bewunderung – daher auch Ratlosigkeit breit. Ein „Was will er?“, das sich in fast allen Kritiken wieder fand. Hätte er seine inhaltlichen Motive vorab medial lanciert (und diesbezügliche Anfragen gab es gewiss Dutzende), wäre gewiss vielerorts von einer „höchst raffinierten Parabel“ die Rede gewesen. Aber das nur nebenbei.
Erheiternd und erhellend
Doch das soll die Qualität der Darbietung in keiner Weise schmälern. „fremd“ ist ein sehr unterhaltsames und verdammt kluges Programm, in dem Dorfer nur selten etwas selbstverliebt an der Grenze zur Obergscheitheit schrammt. Im Vordergrund steht seine unnachahmliche und mittlerweile wohl zur Perfektion gereifte Fähigkeit, komplexe Inhalte, die man nie auf einer Kabarettbühne vermutet hätte, so entspannt und amüsant zu präsentieren, dass das Zuhören zu keinem Zeitpunkt anstrengend oder gar ermüdend wird. Im Gegenteil. Sein fünftes Solo endet mit seiner Geburt – „Wer einmal im Kreis gegangen ist, sieht den Anfang von hinten“ (Paal) – und mit einem privaten, sonnenuntergangsstimmungsvollen Urlaubs-Video-Zusammenschnitt. Denn schlussendlich sind es ja nur die ganz persönlichen Bilder, die lebenssinnig zählen. Dass im Fall von Alfred Dorfer das eine oder andere schon im Kino („Freispiel“, „Ravioli“) zu sehen war, tut nichts zur Sache. Auf den ersten Blick kommt es an.
Peter Blau
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Profil, 14.04.2006
Einer von mir vier
Alfred Dorfers neues Programm „fremd" ist möglicherweise auch deshalb so gut, weil es kein Kabarett ist. Man ahnt es gleich: Das wird kein völlig einserschmähfreier Abend: „Humor muss spontan sein!“, brüllt der Kabarettist Alfred Dörfer, während er zu vom Band eingespieltem Gelachter über die Bühne hampelt: eine Kreuzung aus amerikanischem Prediger, österreichischem Finanzminister während der Gehaltsaufbesserung und Michael Mittermeier für Alphabeten. Das ist insofern programmatisch, als der Abend laut, lehr-reich und bewegt wird, auch durch die tätige Hilfe der aus Dorfers „Donnerstalk“-Show bekannten Band mit Hobbybesserwisser Günter Paal: übergscheite Einwürfe inklusive. Ein paar Fragen zu diesem Abend sind leicht zu beantworten, ein paar nicht: War's lustig? Sehr. War's klug? Unbedingt. War was los? Aber wie. Kam Politik drin vor? Ja, aber kaum Politikerwitze, danket dem Herrn. War's manchmal platt? Auch. („Wir Männer wissen nichts, das aber besser.“ Sicherer Lacher, klar.) Wurde gekalauert? Meine Herren. („Nicht das Erreichte zahlt, sondern das Erzählte reicht.“) Worum ging's? Äh. Es ging um so viel, dass sich nicht so recht sagen lässt, wovon Alfred Dorfers neues Programm „fremd“ konkret eigentlich handelt. Es werden Themenfelder wie „Flüchtlingsproblematik“, „EU-Präsidentschaft“, „Medienlandschaft“ oder „Männer und Frauen“ betreten und spontan – manchmal unverrichteter Dinge – wieder verlassen. Es wird gesungen und getanzt, wobei Dorfer sich – im Gegensatz zu seiner kontrolliert und immer irgendwie feig wirkenden TV-Präsenz – als vielseitigen und extrovertierten Perfor-mer präsentiert, der von oft anarchistisch flottierenden Assoziationen über die Bühne gejagt wird. Die Abteilung „Politkabarett“ ist kurz und, für einen ehemaligen Politkabarettisten, überaus helle; nach ein paar vom Publikum dankbar belachten Politikerwitzen die nüchterne Erkenntnis: „Nutzt nix, hat kaan Sinn, bringt nix.“ Dann noch eine kleine Kasperl-und-Krokodil-Allegorie – und aus. So ist's brav. In „fremd“ sieht man einem beim Denken zu, der davon was versteht und trotzdem nie den nächstliegenden Witz übersieht (oder gar auslässt). Und der sich den Anforderungen der Realität an den Menschen zu stellen weiß: Es reicht einfach nicht mehr, nur einer zu sein. „Einer von mir vier neigt zur Aufklärersehnsucht“, witzelt Dorfer einmal. Aber einer ist vielleicht auch der Feind – und den zu verstehen, kann nichts schaden. Ist das noch Kabarett? Völlig egal. Dorfer sagt: „Ich erzähle von meinen Problemen, und Sie bezahlen: Es ist Kunst.“ Ja. Das Erzählte reicht. Gut so.
Doris Knecht
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zu HEIM.AT
Alfred Dorfer politisch: Sein neues Programm "heim.at" führt subtil und kämpferisch ins österreichische Unterbewusstsein.
Er schaute ins Publikum und fürchtete sich. Alfred. Dorfer. Fürchtete. Sich.
Dabei ist Herr Dorfer kein Debütant. Sein Nervenkostüm wurde in ausreichender Berufspraxis erprobt und gefestigt. Der Kabarettist, TV- und Filmschauspieler erfreut sich außergewöhnlich großer Beliebtheit, seine Live-Auftritte sind weiträumig ausverkauft, die Umsätze von Videos ("MA 2412") und Kinotickets ("Indien", "Wanted") mehr als zufrieden stellend. Das ist im Normalfall eine blendende Grundlage für blendendes Selbstbewusstsein, und der Text, den Herr Dorfer vorzutragen hatte, war nicht einmal besonders lang, die Chance auf einen Hänger gering.
Trotzdem. Furcht mit allen einschlägigen Nebenwirkungen. Dann das Zeichen: Jetzt. Auftritt Dorfer. Schluck.
Inzwischen kann Alfred Dorfer ziemlich genau analysieren, was das Lampenfieber so in die Höhe getrieben hat. Es dürfte die Zahl der Besucher seiner Vorstellung gewesen sein, wenngleich diese noch immer nicht feststeht und am vorvergangenen Samstag am Heldenplatz auch keine Karten verkauft wurden. Es waren, wenn man den Veranstaltern der Demonstration glaubt, 300.000, und selbst nach der Ein-schütterer-Aufmarsch-Rechnung Peter Westenthalers tummelten sich immer noch 60.000 im Auditorium. So viele kommen selbst ins Orpheum nur selten.
Bumm, sagt Dorfer und versetzt sich mit kühnem Augenaufschlag zurück in jenen Moment auf der Bühne. Is mir der Reis gangen.
Beseelt. Seine Rede geriet dann deshalb spektakulär, weil sie sich ausschließlich aus Wesentlichkeiten zusammensetzte. Ein kurzer, auf ein Interview des Bundeskanzlers anspielender Witz "Ich begrüße die hier versammelten Alt-68er und Internet-Freaks", ein paar gerade Sätze zur Notwendigkeit politischer Analyse und daraus folgender Manifestationen, dann war Dorfers Aufgabe erfüllt: Er hatte die Menschen als professioneller Entertainer unterhalten, belehrt, beseelt und konnte das Wort getrost an "Zentralsekretär Vitasek" übergeben.
Dann erst merkte Dorfer, wie arschkalt es an diesem Abend eigentlich war, und verkühlte sich umgehend. Selbstverständlich verkühlte er sich auch, weil demnächst die Premiere von "heim.at" ansteht, dem ersten Programm Alfred Dorfers seit vier Jahren. Dabei hätte er mit seinem jetzt ins Archiv wandernden Programm "Badeschluss" noch nach Belieben durch die (immer größer werdenden) Kellertheater Österreichs tingeln können, aber er entschied sich anders.
Wählte erst einen Termin (den 29. Februar 2000), dann ein Thema ("Zeit"), fällte anschließend eine Grundsatzentscheidung ("weniger Wuchteln" = geringere Brachialpointendichte) und schrieb für sich und seine vierköpfige Band (Peter Herrmann, Günther Paal, Lothar Scherpe und Robert Peres) ein anspruchsvolles, musiktheatralisches Etwas.
Schiefes Bild. Das musste in den letzten Wochen übrigens grundlegend umgemodelt werden, weil die Kulissen, in denen es spielt das Land Österreich, plötzlich Kopf standen, und man will ja nicht ganz schief daherkommen. Über das, was gerade passiert, schüttelt Dorfer nicht einmal mehr den Kopf; er lächelt nur noch sardonisch.
"heim.at" ist ein subtiles Programm geworden, Dorfers subtilstes. Die Band hockt im linken Drittel der Bühne und lässt dem Erzähler so viel Raum, dass er dort nicht nur seine pointierten Dialoge, Sketche, Comicstrips ("Der Klestil? Spielt gerade Dinner for one am Opernball") entwickeln kann, sondern Stimmungen, Bewusstseinsinseln, Sentiment und Botschaft. Wie nicht anders zu erwarten, keppeln Dorfer & Band der regierenden Klasse ins Gesicht ("Westenthaler? Fescher Kerl, vielleicht ein bissel verföhnt"), um die Transparente jedoch sofort wieder fallen zu lassen, sobald sich eine Chance auf eine übergeordnete Wahrheit eröffnet.
Dann nämlich verspricht Dorfer, was er in "heim.at" zu halten in der Lage ist: "Folgen Sie mir ins österreichische Unterbewusstsein ..."
Christian Seiler
Profil, 28.2.2000
heim.at – presse
Fulminante, faszinierende, fantastische Premiere im Orpheum: Alfred Dorfers "heim.at"
Danke. Danke, Herr Dorfer. Danke für die Gedanken. Danke für die Worte, besonders für verfönt. Danke fürs Singen wie der bessere Bruder von Bryan Adams. (...) Ein Gescheiter hat den Zynismus sein lassen und ist zum Weisen geworden. Er nimmt uns an der Hand, manchmal an der Nase und immer mit in seine atemberaubenden Assoziationsketten, die in persönlicher und politischer Geschichte und Gegenwart ankern. Eine Einordnung des Programms in wieder auferstandene Begrifflichkeiten? Wäre eine Frechheit.
(Kurier, 2.3.2000)
"heim.at" ist der außergewöhnliche Beleg dafür, dass die hohe Kunst, politisch-literarisches Kabarett mit Poesie und Philosophie zu verquicken, aufgehen kann, ohne dabei das nach Spaß verlangende Publikum durchgeistigt aus den Augen zu verlieren. Gerade der Hochdruck, unter dem "heim.at" in den vergangenen Wochen umgeschrieben und adaptiert werden musste, hat die atemberaubende Verdichtung dieser Elemente ermöglicht. Ein Programm zur Zeit. Und das zur Zeit beste Programm.
(Der Standard, 2.3.2000)
Dorfers Programm ist der bisherige Höhepunkt der Kabarettsaison, wegen, auch trotz der Politik. (...) Großartig sind die Duette und Duelle mit seiner Band. (...) Wenn dieses politische Kabarett im Fall eines Regierungswechsels wieder verschwinden sollte – die klugen Szenen von Alfred Dorfer werden bestehen bleiben.
(Presse, 2.3.2000)
"heim.at" ist weit mehr als nur eine kabarettistische Abrechnung mit Schüssel, Haider & Co. Es ist vor allem der Versuch, Gedanken sichtbar und das Wesen der Zeit begreifbar zu machen. So surft Dorfer munter zwischen den aktuellen politischen Kapriolen, den Widersprüchen der österreichischen Seele und philosophischen Grundsatzfragen wie "Wer sind wir?", "Woher kommen wir?" und "Wohin gehen wir?" (...) Alfred Dorfer hat ein Programm geschrieben, das trotz "unfreiwilliger" Umstellungen in letzter Minute große Teile seiner Konkurrenten alt aussehen lässt. Die schwarzblaue Regierung sowieso.
(Salzburger Nachrichten, 2.3.2000)
Jetzt entstand mit "heim.at" nach vier Jahren ohne Premiere ("Badeschluß" war die letzte) ein neues Programm, das so politisch, so philosophisch, so subtil und so glänzend ist, wie keines bisher war. Und schon die Vorgänger-Programme waren durch die Bank hervorragend.
(Täglich Alles, 2.3.2000)
Fragen über Fragen zur österreichischen Zeitgeschichte werden aufgeworfen, Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, Bedenken an- und abgemeldet und letztendlich passiert "gar nichts", "weil eh alles wurscht ist". Mit einem Wort: Dorfer singt in seinem neuen Programm unablässig "die heimliche österreichische Bundeshymne", lässt die dialektischen Entscheidungsfindungsmodelle von These und Antithese konsequent in einer "Prothese" enden, was nicht nur als bloße Metapher zu verstehen ist.
Unterstützt von seiner Band erreicht Alfred Dorfer in seinem mittlerweile vierten Soloprogramm alle nur erdenklichen Gipfel der Kabarettkunst. Vielleicht der momentan unterhaltsamste Pflichttermin der Stadt.
(Wiener Zeitung, 2.3.2000)
Keine Frage: Das Programm ist lustig, schnell, kurzweilig. Längen oder Durchhänger gibt’s keine, Gags und beste Absichten haufenweise. (...) Hervorragend ist das Programm überall dort, wo es politisch wird! Da zeigt Dorfer jenen Wortwitz und jene Schärfe bissiger Pointen, die man im Kabarett gerne hört. Wenn er gegen Politiker aller Couleurs loszieht, Farbe bekennt und verlorene Wahrheiten einklagt. Doch leider hat er sich diesmal der Abstraktion und "philosophischem" Nachdenken verschrieben, ohne aber wirklich zum geistvollen Nachsinnen anzuregen ...
(Kronen Zeitung, 2.3.2000)
Alfred Dorfer stellt genau jene Fragen, die stille Bewunderung verdienen und kopfschütteln machen. Kombiniert, assoziiert, musiziert – besser als je zuvor.
(Freizeit, 11.3.2000)
Vorweg entschuldigt sich Dorfer gleich einmal für alle Äußerungen, die ihm in seinem neuen Programm zugeschrieben werden könnten. Ist nicht notwendig. Vielleicht kann man diesen schrillen Zeiten wirklich nur mit stillen Pointen begegnen.
(Format, 10/00)
Alfred Dorfer politisch: Sein neues Programm "heim.at" führt subtil und kämpferisch ins österreichische Unterbewusstsein.
(profil 9/00)
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Parkplatz- und Ideenklau
Die "MA 2412"-Macher klagen die Freiheitlichen wegen Missbrauchs
Wien - Die Kollegen Weber und Breitfuß, Beamte der MA 2412, schenken sich bekanntlich wenig. Neuerdings nicht nur im ORF (die dritte Staffel der Comedy-Serie wird ab 15. Februar jeweils am Donnerstag gesendet), sondern auch im Radio, konkret in einer FP-Belangsendung, die auf 88.6 zu hören war.
In dieser beschimpft der eine den anderen als "illegalen Ohrwaschlparker", worauf der andere erbost kontert: "Sie rot- grüner Einheitswähler!" Fragt der eine: "Sind Sie noch zu retten?", antwortet der andere: "Ja, aber nur von der Partik- Pablé." Schließlich klinkt sich noch die Dritte im Bunde, dank ihrer Dumpfbacken- Stimme als Frau Knackal zu identifizieren, ein: "Ich wähle Helene Partik-Pablé. Wähl blau statt Parkplatzklau!"
Der Spot ist zwar mit Lachern unterlegt, die Drehbuchautoren und Schauspieler der Originalserie empfinden ihn aber dennoch nicht zum Lachen. Alfred Dorfer (Weber) hält die Belangsendung "für kreditschädigend und unhygienisch". Dieser Meinung schließen sich auch Monica Weinzettl (Knackal) und Roland Düringer (Breitfuß) an - auch wenn Letztgenannter es nicht ganz so schlimm findet, in der Parodie einen "rot-grünen Einheitswähler" abgeben zu müssen.
Im Namen der drei Akteure beantragte Rechtsanwalt Thomas Höhne eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung. Die FP soll wegen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht und auf Verletzung des Urheberrechts geklagt werden. Zudem lässt der ORF laut Unterhaltungschef Edgar Böhm eine Klage prüfen - wegen "schmarotzerischer Ausnützung der geistigen Leistung eines anderen".
Thomas Trenkler
Der Standard, 14.02.2001
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Seine TV-Show hat Kultstatus, die Kabarettprogramme sind ausverkauft. Alfred Dorfer über Erfolg, Fußball, die Zukunft des Fernsehens und die Vermünchnerung von Wien.
Als Menschenbeobachter ist Alfred Dorfer immer im Dienst. Das stresst zwar manchmal, wie er betont, aber er sei einfach zu neugierig, wie sich Menschen verhalten und warum. Aus der Ruhe bringt den 47-Jährigen dennoch kaum etwas. Es sei denn, sein 18-jähriger Sohn hat gerade Matura. Das lässt sogar den Liveperformance-Routinier immer wieder aufs Handy schielen.
Mit seinem Programm „fremd“, das anspruchsvoll Skurrilität mit politischem Bewusstsein und Sprachwitz paart, ist der Kabarettist nach Gastspielen in Deutschland nun wieder auf Österreich-Tour, und mit seinem TV-Frage „Donnerstalk“ lotet er gewieft die Grenzen des ORF-Gesetzes aus. Durchschnittlich verfolgen 370.000 Zuseher die Show, Tendenz steigend.
Frage: Trotz kritischer Töne scheint Alfred Dorfer niemandem wirklich unsym pathisch zu sein. Macht das Angst?
Dorfer: Ich glaube nicht, dass ich wirklich allen sympathisch bin, das beweisen die Reaktionen auf „Dorfers Donnerstalk“, man kennt mich nur einfach als Person nicht. Aber Sympathie kann man sich mit Satire ohnehin nicht erwerben. Wir Satiriker müssen ja weder sympathisch noch schön sein. Das ist nicht unsere Liga.
Frage: Sie gelten als Starkabarettist. Was heißt das denn für Sie?
Dorfer: Das ist einer, der relativ viele Zu schauer hat und den man aus dem Fernsehen kennt. Es ist jedenfalls keine Qualitäts-, sondern eine Prominenzfrage.
Frage: Sie spielen nun im Akademie theater. Hat sich die Kabarettszene in die Theater verlagert?
Dorfer: Es hat sich viel verändert, weil sich die Situation der Kabaretthäuser verändert hat. Man fragt sich etwa, wohin das Vindobona verschwunden ist. Aber ich war immer der Meinung, nicht das Publikum soll zu mir kommen, sondern ich gehe zum Publikum. Deswegen haben wir auch das Audimax bespielt, und deswegen versuche ich eine Synergie zwischen dem sogenannten Kabarettpublikum und dem sogenannten Theaterpublikum herzustellen. Das ist ja seelenverwandt.
Frage: In Deutschland reüssieren ja eher Comedians wie Mario Barth.
Dorfer: Die deutsche Comedy hat eine andere Genesis. Das ist eine Fernsehgeburt, man hat diesen Starkult dann in Liveauftritte transportiert. Das ist abgeschaut vom amerikanischen Raum und den kurzen Clubgigs, bei denen man den Ball flach halten muss und die Themen redundant sind. Die Gretchenfrage ist: Will man das einen Abend lang sehen?
Frage: Von Ihrem Programm „fremd“ existiert auch eine Deutsch land-Fassung. Ist das Humorverständnis wirklich so unterschiedlich ausgeprägt?
Dorfer: Es gibt Unterschiede, wenn auch nicht dahingehend, dass wir humorvoll und die Nachbarn humorlos sind, sondern deswegen, weil die Deutschen über andere Dinge lachen und über Bösartiges wirklich empört sind.
Frage: Wann vergeht Ihnen der Humor?
Dorfer: Zum Beispiel bei der aktuellen Amstetten-Geschichte. Da kann ich gar nicht lachen.
Frage: Inwiefern darf das Thema Fußball bei einem bekennenden Austria-Fan humoristisch behandelt werden?
Dorfer: Nur mit dem gebührenden Res pekt. Ich habe ja auch den Herbert Prohaska in der TV-Show, der einen supertrockenen Schmäh hat, einen besseren als so mancher Kollege von mir. Aber ich mache sicher keine Witze zum Thema Fußball, weil ich das öde finde. Fußball ist doch Gegenstand von Humor für Pseudointellektuelle. Fußball ist schick ge worden, aber diese Schickheit nährt sich aus einer Überlegenheit. Das hat in der schwarz-blauen Koalition angefangen, wo man Zugriff hatte zur Sportberichterstattung im Fernsehen. Plötzlich waren ständig Politiker im Bild. Mittlerweile sitzt auch der Alfi Gusenbauer bei jeder Sportveranstaltung dabei. Das ist mir unangenehm, und ich ärgere mich darüber.
Frage: In „Dorfers Donnerstalk“ stellen Sie die Mechanismen im ORF bis zur Kenntlichkeit bloß. Haben Sie unter der neuen ORF-Führung Narrenfreiheit?
Dorfer: Die Kombination Lindner/Mück war – sagen wir – humorfrei, besonders was das eigene Unternehmen betroffen hat. Nun gibt es keine Restriktionen mehr. Die einzigen Schranken sind das ORF-Gesetz und das Einhalten der 40 Minuten Sendezeit.
Frage: Wie kann man das Frage in Zukunft noch ausreizen?
Dorfer: Ich möchte noch mehr Livemomente, noch mehr Interaktion und immer weniger Konserve. Ich will so eine Art Happening, etwas, wobei man das Gefühl hat, es ist nicht wiederholbar.
Frage: Apropos wiederholbar. Gibt es eigentlich den Kabarettfilm noch?
Dorfer: Das ist ursprünglich ein Schimpf wort gewesen und hat sich gegen Sicheritz, Düringer und mich gerichtet. Wir haben da ein Dreiergenre gegründet, den Stempel gab es ab „Muttertag“. Für mich hat sich der Begriff aber erledigt, weil ich keine Filme mehr mache, zumindest keine eigenen. Mich interessieren Livegeschichten mehr.
Frage: Und warum spielen Sie dann als Ex-Josefstadt-Schauspieler nicht Theater?
Dorfer: Weil ich es nicht kann. Ich stehe zu meinem Jahr an der Josefstadt, aber meine ganze Karriere dort bestand Anfang der 80er-Jahre aus einer Pantomimenrolle. Ich kann einfach Texte von anderen Menschen nicht gut bearbeiten.
Frage: Was ist guter Humor?
Dorfer: Der beste Hu mor ist die Selbstironie, nicht als Nabelschau oder Therapiestunde, sondern als Selbsterkenntnis, und jener Humor, der die Tragik mittransportiert. Dem Publikum ist jegliche Intellektualität zumutbar, denn die große Philosophie ist einfach.
Frage: Klingt nach Mission …
Dorfer: Ich glaube daran, dass wir – nicht nur die Kabarettisten, sondern alle Theaterleute – Gedankengänge ins Rollen bringen können. Es geht mir dabei aber nicht darum, dass jemand meine Meinung übernimmt. Die Kraft des Theaters liegt, im Ge gensatz zum Film, darin, dass sie durchschaubar ist als nicht perfekte Realitätsimitation. Der Film hingegen kann einen total vereinnahmen und ist, wie Adorno richtig gesagt hat, ideal für Faschismus. Diese dunkle Seite hat die Bühne nicht.
Frage: Gibt die momentane Regierung in den Augen des Kabarettisten mehr her?
Dorfer: Als Theaterfiguren sind Schüssel und Gusenbauer ganz konträr. Die Unantastbarkeit und blasierte Arroganz eines Wolfgang Schüssel ist jemandem gewichen, der kein Fettnäpfchen auslässt. Also was die Satire betrifft, ist Gusenbauer der wesentlich dankbarere Kanzler. Sein Verhalten führt nur mittlerweile zu einer Art Helmut-Kohl-Effekt: Man wundert sich nicht mehr, weil er nichts auslässt. Da wird es für die Satire fast schon spannungslos. Im Grunde genommen haben viele geglaubt, dass die schwarz-blaue Regierung nicht zu toppen ist, mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher …
Frage: Sie waren noch kein Dancing Star und haben für keine Homestory posiert …
Dorfer: Ich bin kein Oberlehrer, aber ich weiß, was ich nicht machen darf: Dazu zählt Werbung, aber auch, dass ich mich nicht über Prominenz definiere. Die einzige Sinnhaftigkeit, die Prominenz für mich hat, ist, dass meine Charityprojekte – ich habe zwei Fonds für alleinerziehende Mütter – besser funktionieren.
Frage: Schauen Sie selbst eigentlich auch fern?
Dorfer: Freiwillig schaue ich nur Fußball und historische Dokumentationen. Alles an dere verfolge ich nur beruflich. Aber etwas wie „Dschungelcamp“ & „Promidinner“ schaue ich nicht einmal beruflich, weil mich die Satire, die auf die Seitenblickegesellschaft ab zielt, nicht interessiert. Promis als Ziel sind fad.
Frage: Dennoch steigt der Anteil an D-Prominenz kontiniuierlich. How low can it go?
Dorfer: Es hat auch hierzulande eine gewisse Vermünchnerung stattgefunden. Man hat sich an das deutsche Modell angelehnt und macht mit Unfertigkeit und Unzulänglichkeit Quote. Das ist eine normale Entwicklung des Fernsehens, um den Untergang hinauszuzögern. Wenn man bedenkt, welche Bedeutung Fernsehen in den 50er-Jahren noch hatte. Das Fernsehen hat nur noch zwei Qualitäten: die Livegeschichte und die kommentierte InFrageion. Das heißt, man lässt sich die Vorgänge von jemand Glaubwürdigem erklären. Und das sind in der Regel ältere Herren mit grauen Haaren …
aus: FORMAT 18/08 - 2.5.08